KfW Research
Am deutschen Arbeitsmarkt wurde die Corona-Krise bis zum Frühjahr 2022 weitgehend überwunden. Die Zahl der Erwerbstätigen hat den Vorkrisenstand überschritten und die Zahl der offen Stellen ist so hoch wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Bisher zeigt sich der Arbeitsmarkt auch gegenüber der Russland-Krise robust. Der Fachkräftemangel ist wieder zu einer wachsenden Herausforderung für die Zukunft Deutschlands geworden. Ein Großteil der Unternehmen ist betroffen. Die Spannungen in den internationalen Handelsbeziehungen und die Störungen der Lieferketten werden die Exportwirtschaft, an der rund ein Viertel aller Arbeitsplätze in Deutschland hängen, weiter unter Druck setzen. Gleichzeitig wird sich in bedeutenden Wirtschaftsbereichen wie dem Handwerk oder dem Gesundheitswesen der Fachkräftemangel durch den demografischen Wandel voraussichtlich weiter verschärfen. Und die Digitalisierung wird großen Einfluss darauf haben, welche Kompetenzen künftig gefragt sein werden.
Dies wirft wegweisende Zukunftsfragen auf: Wie werden sich Fachkräftenachfrage und Fachkräfteangebot in Deutschland entwickeln? Welche Kompetenzen werden wir in den nächsten Jahren und Jahrzehnten brauchen? Wie können wir die Beschäftigungsreserven in Deutschland mobilisieren und zusätzliche Potenziale durch Zuwanderung erschließen. Wie können insbesondere kleine und mittlere Unternehmen qualifizierte Mitarbeiter für sich gewinnen und halten? Und wie können wir die Innovationen und Investitionen stärken, um die knapper werdenden Arbeitskräfte produktiver zu machen?
Der Anteil der Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeit durch Fachkräftemangel behindert sehen, ist durch die anhaltend schwache Konjunktur im 2. Quartal 2024 noch weiter unter die 40 %-Marke gefallen. Nach wie vor wird jedoch in den meisten Wirtschaftszweigen ein erheblicher Teil der Unternehmen durch Fachkräftemangel behindert. Am häufigsten im Dienstleistungsbereich, wo 42 % der Unternehmen sich in ihrer Geschäftstätigkeit durch fehlende Fachkräfte behindert sahen. In der Industrie waren es 25 %. Besonders ausgeprägt ist die Fachkräfteknappheit in den östlichen Bundesländern.
Die Besetzung offener Stellen stellt mittelständische Unternehmen zunehmend vor Herausforderungen. Insbesondere innovativen Unternehmen fällt die Rekrutierung schwerer. Neben dem allgemeinen Fachkräftemangel liegen die Gründe hierfür in den höheren Anforderungen an die Kompetenzen der Bewerber. Innovative Unternehmen sehen ihre Anforderungen vor allem hinsichtlich der mathematisch-statistischen Fähigkeiten, der Sozial- sowie der Digitalkompetenzen häufiger als nicht erfüllt als andere Unternehmen. Diese höheren Anforderungen sind darauf zurückzuführen, dass innovative Unternehmen neuere Technologien nutzen sowie bei der Arbeits- und Unternehmensorganisation moderner aufgestellt sind. Auch aus den Erfordernissen ihrer Innovationsprozesse resultieren erhöhte Anforderungen bei den genannten Kompetenzen.
Über 70 Jahre lang konnte wirtschaftliches Wachstum in Deutschland als sicher gelten. Diese Zeiten sind vorbei. Das liegt maßgeblich auch am schwachen Produktivitätswachstum. Wollte Deutschland allein durch steigende Erwerbsbeteiligung oder Zuwanderung das BIP je Einwohner bis zum Jahr 2035 konstant halten, müsste dafür entweder die Erwerbsbeteiligung weit stärker als bisher steigen oder die Netto-Zuwanderung auf weit mehr als 1,3 Mio. Menschen im Erwerbsalter zunehmen. Wohlstandssicherung und weiteres Wohlstandswachstum bedürfen deshalb eines umfassenden Mix an Maßnahmen, die auch eine stärkere Erhöhung der Arbeitsproduktivität bewirken. Dieser Beitrag zeigt anhand von Szenarien die Notwendigkeiten auf und beleuchtet mögliche Gegenmaßnahmen.
Da die Digitalisierung auf vielfältige Weise zum Klimaschutz beitragen kann, wird die Verfügbarkeit digitaler Kompetenzen als wichtige Stellschraube für das Gelingen der dualen Transformation gesehen.Vor diesem Hintergrund rechnen Unternehmen, die Klimaschutz in ihrer Strategie verankert haben, mit 66 % häufiger mit Problemen bei der Stellenbesetzung als Unternehmen ohne eine Klimastrategie. Diese Unterschiede sind häufig auf fehlende digitale Fähigkeiten der Bewerbenden zurückzuführen.
Stellenbesetzungsprobleme treffen digital aktive Unternehmen in einem besonders starken Ausmaß. Der Mangel an Bewerberinnen und Bewerber ist hier der wichtigste Grund für die Stellenbesetzungsprobleme. Gerade Unternehmen mit Digitalisierungsaktivitäten haben besondere Anforderungen an die Kompetenzen ihrer Bewerber. Für die Unternehmen bedeutet dies, dass sie in erster Linie selbst verstärkt in die Kompetenzen ihrer Beschäftigten investieren müssen. Auch Rationalisierungsmaßnahmen zur Begrenzung des Fachkräftebedarfs sowie eine bessere Ausschöpfung des Erwerbspersonenpotenzials können in einem gewissen Ausmaß zur Linderung des Problems beitragen.
Der Fachkräftemangel in der öffentlichen Verwaltung stellt schon heute eine enorme Herausforderung dar und wird zukünftig noch drängender. Die Kommunalverwaltungen betrifft dies mit am stärksten, was die Erbringung der Daseinsvorsorge in Mitleidenschaft zieht. Die Digitalisierung könnte helfen, mit weniger Personal auszukommen. Doch um die Verwaltung erfolgreich zu digitalisieren, bedarf es der richtigen personellen Expertise. Um dieses Dilemma zu lösen, muss es verschiedene Anpassungen im öffentlichen Dienst geben. Dies betrifft nicht nur das Gehalt, sondern auch die Art und Weise, wie Verwaltung arbeitet. Künftig wird weniger, dafür aber besser qualifiziertes und bezahltes Personal benötigt. Diese Umstellung der Stellenpläne wird nur gelingen, wenn verschiedene Maßnahmen in eine langfristige Personalstrategie eingebunden werden. Und damit sollte besser heute als morgen begonnen werden, denn das Problem wird sonst jeden Tag größer.
Mehr als jeder zweite europäische Mittelständler hält die Nutzung neuer digitaler Technologien für notwendig, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Dass viele Mittelständler in der Umsetzung noch nicht so weit sind, liegt an vielfältigen Digitalisierungshemmnissen – darunter fehlende digitale Infrastruktur und mangelnde Digitalkompetenzen in den Unternehmen und auf dem Arbeitsmarkt. Dies zeigt eine gemeinsame Studie von KfW Research mit den europäischen Förderbanken Bpifrance, BGK, ICO und der British Business Bank, für die mehr als 2.500 kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland, Frankreich, Polen, Spanien und dem Vereinigten Königreich befragt wurden. Obwohl einige Mittelständler davon ausgehen, dass durch die Digitalisierung einzelne Tätigkeiten in ihrem Unternehmen wegfallen könnten, erwarten die allermeisten, dass die Zahl ihrer Mitarbeiter in der Zukunft gleich bleibt – oder sogar wächst.
Die Studie unterzieht drei populäre Thesen zu den Arbeitsmarktwirkungen der Digitalisierung einem Faktencheck. Zentraler Befund: Es werden Arbeitsplätze verloren gehen, aber dies wird voraussichtlich nur einen Bruchteil der Beschäftigten betreffen. Ein wünschenswerter Produktivitätsschub durch die digitale Revolution bleibt bisher aus. Dazu bedarf es des Abbaus von Investitions- und Innovationsdefiziten sowie einer digitalen Bildungsinitiative.
In den kommenden zehn Jahren werden Fachkräfteengpässe spürbar zunehmen. Wie eine repräsentative Befragung von KfW Research zeigt, sieht die Bevölkerung den Bedarf einer aktiven Einwanderungspolitik sehr deutlich: 83 % der 18- bis 67-Jährigen sind für mindestens gleichbleibende Bemühungen um ausländische Fachkräfte, darunter 48 % für größeres Engagement. Im Vergleich zu einer identischen Befragung vor drei Jahren ist die migrationspolitische Haltung insgesamt offener geworden, unterscheidet sich aber nach wie vor deutlich nach der beruflichen Bildung, dem Einkommen und dem Arbeitsmarktstatus. Bei niedrigeren Berufsabschlüssen und Einkommen bzw. Arbeitslosigkeit verschiebt sich das Stimmungsbild deutlich (ohne jedoch zu kippen).
Die betriebliche Weiterbildung ist im Krisenjahr 2020 regelrecht eingebrochen.Gleichzeitig ist der Weiterbildungsbedarf auf dem Gebiet der Digitalkompetenzen deutlich gestiegen. Ohne eine erhebliche Ausweitung der Weiterbildungsaktivitäten wird die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands Schaden nehmen.
Ohne ausreichendes Gegensteuern kann das Wirtschaftswachstum durch Corona-Krise und Fachkräftemangel schon bis 2030 deutlich abnehmen und bis 2040 gegen Null tendieren. Die Auswirkungen dieser Entwicklung würden auch sozial Bedürftige und Geringverdiener treffen. Auch die Akzeptanz für Investitionen in den Klimaschutz könnte darunter leiden. Wachstumsstärkende Investitionen, Innovationen, Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen können dies verhindern – doch sie brauchen Zeit. Deshalb ist es geboten, das Notwendige früh genug einzuleiten.
Dem Druck der Corona-Krise auf den Arbeitsmarkt kann sich auch die Berufsausbildung in Deutschland nicht entziehen: Leiden die Ausbildungsbetriebe, hat das Folgen für das Angebot an Ausbildungs- und Übernahmekapazitäten für Absolventen. Gerade mit Blick auf die Fachkräftesituation in Deutschland gilt es deshalb, den aktuellen Krisenschock nicht auf die Berufsbildung durchschlagen zu lassen. Deutschland braucht gut ausgebildete Fachkräfte, je eher desto besser. Eine „verlorene Generation“ an Absolventen kann und darf man sich nicht leisten.
Eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf spielt für die Fachkräftesicherung eine zentrale Rolle – auch im deutschen Mittelstand. Zwei von drei kleinen und mittleren Unternehmen haben bereits konkrete Maßnahmen umgesetzt, um familienfreundlichere Arbeitsbedingungen zu schaffen. Wissensintensive Industrie- und Dienstleistungsunternehmen führen das Feld an und sind vielfach optimistisch, dass die Digitalisierung die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter erleichtern wird. Flexible Arbeitszeiten und Homeoffice gehören im Mittelstand zu den am häufigsten umgesetzten Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Bisher eher selten ist Unterstützung bei der Kinderbetreuung oder der Pflege von Angehörigen.
Die wachsende Erwerbsbeteiligung von Frauen schlägt sich auch im Mittelstand nieder. Rund 54 % der Beschäftigten hier sind weiblich. Im Detail gibt es jedoch deutliche Unterschiede. Der Frauenanteil hängt nicht nur von Unternehmensgröße, Branche und Region ab, sondern auch von betrieblichen Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zeitlich und räumlich flexibles Arbeiten, Erleichterung des Wiedereinstiegs nach Elternzeit, Kinderbetreuungsangebote und andere Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind so ein wichtiger Ansatzpunkt für den Mittelstand, um weibliche Fachkräfte zu gewinnen und einem drohenden Mangel an qualifizierten Arbeitskräften entgegenzuwirken.
Die Studie untersucht, welche Maßnahmen mittelständische Unternehmen ergreifen, um ihren Fachkräftebedarf zu sichern. Zentrales Ergebnis ist, dass die Unternehmen dabei sehr zielgerichtet und entsprechend ihren Bedürfnissen vorgehen. So favorisieren vor allem große, innovative und bei der Digitalisierung aktive Mittelständler Investitionen in das Knowhow. Auf allgemeine personalpolitische Maßnahmen setzen dagegen häufiger Unternehmen mit älteren Beschäftigten sowie Unternehmen, die keine Hochschulabsolventen beschäftigten.
Über der Hälfte der mittelständischen Unternehmen (59 %) mangelt es an einer oder mehrerer Kompetenzen, die als wichtig für die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen erachtet werden (insbesondere spezifisches wirtschaftliches, technisches, oder digitales Knowhow). Um einer Koexistenz von Fachkräftemangel und Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken, ist eine Ausweitung der Weiterbildungsaktivitäten von zentraler Bedeutung.
Die meisten Deutschen sind Weiterbildungsmuffel. Das gilt gerade für Geringqualifizierte und Beschäftigte im Niedriglohnbereich. Der Trend steigt zwar, aber im Jahr 2018 nahmen 60 % der Erwerbspersonen nicht an betrieblicher Weiterbildung teil. Unter den Erwerbspersonen mit niedrigem Bildungsabschluss waren es sogar 75 %. Dies ist bedenklich, weil die Corona-Krise viele Arbeitsplätze gefährdet und der digitale, demografische und ökologische Strukturwandel die Anpassungsfähigkeit der Erwerbspersonen weit stärker fordert. Auch kann Weiterbildung den zunehmenden Fachkräfteengpässen entgegenwirken. Für eine Kultur lebenslangen Lernens gilt es daher, die Defizite bei Bildung und Weiterbildung zu beheben.
Ein Drittel der KMU kann seinen Bedarf an Digitalkompetenzen nicht decken. Das Problem betrifft sowohl digitale Grundkompetenzen wie z. B. die Bedienung von Standardsoftware und digitalen Endgeräten als auch fortgeschrittene Kompetenzen wie Programmieren und statistische Datenanalyse. Die meisten KMU versuchen Digitalkompetenzen durch Weiterbildung aufzubauen. Allerdings dominieren kurze Weiterbildungsmaßnahmen mit oft begrenzter Qualifikationswirkung. Intensiverer Weiterbildung stehen vor allem finanzielle Hürden im Weg: Ein Drittel der KMU bezeichnet die direkten Kosten als Problem, ein Viertel den Arbeitsausfall abwesender Mitarbeiter. Digitale Lernformate ermöglichen flexibleres Lernen und haben deshalb das Potenzial, die berufliche Weiterbildung im Mittelstand künftig zu beleben.
Im beendeten Ausbildungsjahr 2018 ist die Zahl der Ausbildungsverträge zum zweiten Mal in Folge leicht gestiegen – um 1,2 % auf 521.900, wie das Statistische Bundesamt meldet. Doch bereits im Ausbildungsjahr 2019 dürfte sich die Lage wieder ändern: Eine Vorabauswertung des aktuellen KfW-Mittelstandspanels zeigt, dass unter den mittelständischen Ausbildungsunternehmen 21 % von einem Rückgang ihrer Azubizahl im Jahr 2019 ausgehen. Nur 13 % rechnen hingegen mit einem Anstieg.
Den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mangelt es im Arbeitsmarktboom an Fachkräften. Zwei Drittel der KMU, die Fachkräfte einstellen wollen, befürchten Schwierigkeiten. Wie eine Sonderauswertung des KfW-Mittelstandspanels zeigt, sind die Fachkräfteengpässe auf dem Land gravierender als in den großen Städten. Städte sind für viele Arbeitnehmer attraktiver. Im Wettbewerb um Fachkräfte setzen vor allem die städtischen KMU neben finanziellen Anreizen und flexiblen Arbeitsbedingungen auf die Vermittlung von Wohnraum und Kitaplätzen.
Drei Viertel der Bevölkerung zwischen 18 und 67 Jahren stehen der Zuwanderung von Fachkräften grundsätzlich positiv gegenüber. Dies zeigt eine repräsentative Befragung von KfW Research: 44 % der Erwerbsbevölkerung sind der Meinung dass Deutschland sich stärker als bisher um ausländische Fachkräfte bemühen sollte, 30 % sind für gleich bleibende Bemühungen, 21 % für geringere. Akademiker, Gutverdiener und Selbstständige sind überdurchschnittlich häufig für mehr Fachkräftezuwanderung – Arbeitslose hingegen seltener. Auch im ländlichen Raum und in Ostdeutschland sehen weniger Menschen Bedarf an ausländischen Fachkräften.
Stand: Februar 2024
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