Pressemitteilung vom 20.09.2022 / KfW
KfW Research: Nur vier von zehn Erwerbstätigen bilden sich weiter
- Teilnahme an Weiterbildungen abhängig von Bildungsstand und Einkommen
- „Digitalkompetenzen“ zweithäufigster Weiterbildungsinhalt
- Pandemie befördert digitales Lernen: Hälfte aller Veranstaltungen 2021 online
Humankapital ist die zentrale Ressource der deutschen Volkswirtschaft und entsprechend wichtig ist berufliche Weiterbildung für den individuellen Arbeitsmarkterfolg. Besonders die Digitalisierung und die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft stellen laufend neue Anforderungen an die beruflichen Fähigkeiten. Eine repräsentative Umfrage von KfW Research zeigt, dass sich im Jahr 2021 40 % der Erwerbsbevölkerung beruflich weitergebildet haben. Im Vergleich zu einer identischen Befragung im Jahr 2015 bedeutet dies zwar einen Zuwachs von 8 Prozentpunkten, allerdings nimmt nach wie vor nicht einmal die Hälfte der Berufstätigen an Weiterbildungsmaßnahmen teil. Die Corona-Krise hat das Weiterbildungsgeschehen massiv gebremst: 29 % derjenigen, die sich nicht weitergebildet haben, gaben an, dass dies auf die Corona-Krise zurückzuführen ist. Unter den Teilnehmern von Fortbildungen haben 41 % aus gleichem Grund den Umfang ihrer Weiterbildung reduziert.
Die aktuelle Befragung von KfW Research zeigt, dass die Teilnahme an Weiterbildungen in Deutschland weiter stark von sozio-ökonomischen Faktoren abhängig ist. Je höher der Bildungsabschluss, desto reger die Teilnahme an weiteren Bildungsmaßnahmen. Universitätsabsolventinnen und -absolventen hatten im Jahr 2021 eine Weiterbildungsquote von 59 %. Die Quote ist bei Meisterinnen und Fachwirten mit 47 % immer noch überdurchschnittlich. Diejenigen ohne (in Deutschland anerkannten) Ausbildungsabschluss haben lediglich eine Weiterbildungsquote von 29 %. Der Weiterbildungsbereich trägt somit unter dem Strich nicht dazu bei, Qualifikationsrückstände aus vorherigen Bildungsphasen zu verringern. Vielmehr öffnet sich die Bildungsschere im Verlauf des Erwerbslebens weiter.
Neben dem Bildungsabschluss beeinflussen auch die finanziellen Verhältnisse und ein Migrationshintergrund die Weiterbildung von Erwerbstätigen: Bei monatlichen Haushaltsnettoeinkommen über 5.000 EUR beträgt die Weiterbildungsquote 60 % und sinkt kontinuierlich auf 26 % bei Einkommen unter 2.000 EUR. Nach Deutschland eingewanderte Menschen und ihre direkten Nachkommen haben eine unterdurchschnittliche Weiterbildungsquote von 31 %. Hier scheinen Defizite bei Zugang, Information und /oder Motivation zur Weiterbildung eine Rolle zu spielen, ebenso wie sprachliche Hürden.
Trotzt der weiter unbefriedigenden Lage bei Weiterbildungen sind auch positive Entwicklungen zu verzeichnen: Die Corona-Krise hat die Weiterbildungslandschaft unvermittelt ins digitale Zeitalter katapultiert. Während 2018 noch acht von zehn Veranstaltungen in Präsenz stattgefunden haben, war 2021 jede zweite Weiterbildungsmaßnahme eine reine Online-Veranstaltung, weitere 25 % fanden in einem hybriden Format statt. Bei den Lerninhalten werden digitale Themen immer wichtiger. Rund 53 % aller Weiterbildungen hatten IT-Wissen, Computerkenntnisse, den Umgang mit digitalen Medien und ähnliches zum Inhalt – ein Anstieg um 5 Prozentpunkte im Vergleich zu 2015. Damit sind Digitalkompetenzen mittlerweile der zweithäufigste Weiterbildungsinhalt. Zentrales Thema von Weiterbildungen bleiben fachliche Inhalte des Berufs, die in 91 % der Qualifikationsmaßnahmen vermittelt werden.
Blickt man auf die Gründe, weshalb sich Erwerbstätige nicht weiterbilden, so wird Zeitmangel mit 37 % am häufigsten genannt. Daneben spielen zu hohe Kosten, fehlende Präsenzangebote, unzureichende digitale Infrastruktur und mangelnde Unterstützung des Arbeitgebers eine Rolle. Parallel bleibt auch die Qualität des Weiterbildungsangebots ausbaufähig. Der Weiterbildungssektor ist fragmentiert, unübersichtlich und trotz Verbesserungen nicht ausreichend digitalisiert. Mindeststandards zur Zertifizierung von Bildungsanbietern und -maßnahmen, Referenzrahmen zur Validierung von Inhalt und Niveau sowie eine stärkere Einbindung von Hoch- und Berufsschulen könnten die Qualität von Weiterbildungen erheblich verbessern.
„In Deutschland bilden sich nur vier von zehn Erwerbstätigen fort - das sind immer noch zu wenige. Zudem ist die Teilnahme an Weiterbildung zugunsten der bereits besser ausgebildeten verzerrt. Eine systematische und gute Weiterbildung in der Breite der Bevölkerung ist angesichts der neuen Anforderungsprofile durch die grüne und digitale Transformation vor allem auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels unerlässlich.“, sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. „Hierfür muss aus meiner Sicht an drei Stellschrauben gedreht werden: Schaffung von Freiraum für Weiterbildung durch bessere Betreuungsmöglichkeiten in Einrichtungen und im Haushalt sowie effektive digitale Lernangebote, eine erweiterte finanzielle Förderung, und eine höhere Qualität des Weiterbildungsangebots durch Standardsetzung und die verstärkte Einbindung von Hoch- und Berufsschulen.“
Weiterführende Informationen finden Sie unter:
www.kfw.de/fokus
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