Digitale Lösungen für Pflegekräfte

Der Fachkräftemangel ist in vielen sozialen Einrichtungen zu spüren. Auch in der Pflege fehlt es an anpackenden Händen und ausreichend Zeit für die Betreuung der Klientinnen und Klienten. Wie können Mit­arbeitende angesichts dieser Rahmen­bedingungen entlastet werden? Zwei Expertinnen geben Tipps und Hinweise.

Eine Frau erklärt einer zweiten Frau etwas
Sophia Giegold ist Mitarbeiterin am Zukunftszentrum Pulsnetz MuTiG, das Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialwesen bei ihren Digitalisierungsvorhaben unterstützt. Außer den Informations- und Beratungsleistungen stellt das Zentrum auch eine Toolübersicht zu interessanten Technologien im Bereich Pflege bereit.

Der Fachkräftemangel ist in der Pflege besonders akut. Das Fehlen an geschultem Personal und die hohe Belastung der Pflege­kräfte führen nicht selten dazu, dass Einrichtungen kaum mehr wirtschaftlich arbeiten können und daher Ein­sparungen vornehmen oder gar ganz schließen müssen. Einige Expertinnen und Experten wie zum Beispiel Sophia Giegold vom Zukunfts­zentrum Pulsnetz MuTiG sehen in der Digitalisierung eine Chance, die Situation – zumindest etwas – zu entspannen.

„Die neuen Technologien bedeuten im Pflege­alltag vor allem eine Zeit­ersparnis und können den Stress für die Beschäftigten reduzieren“, erklärt Giegold. Denise Gramß, Leiterin des Zukunfts­zentrums Branden­burg, stimmt zu. „Dank digitaler Lösungen haben Pflege­kräfte wieder mehr Zeit für den zwischen­menschlichen Kontakt“, sagt sie.

Entlastung im Alltag

Zu den Zeitfressern im Arbeits­alltag gehört zum Beispiel die Dokumentations­pflicht der therapeutischen und pflegerischen Maß­nahmen. „Viele Pflegerinnen und Pfleger notieren ihre Arbeits­schritte auf Papier und überführen diese erst später in ein Computer­programm“, so Giegold. „Manchmal fehlt ganz die Zeit für Notizen und einige Informationen gehen im Tages­verlauf verloren.“

Eine einfache Abhilfe können Smartphone-Apps schaffen. Mit diesen lassen sich die Pflege­prozesse an Ort und Stelle per Sprach­eingabe dokumentieren. Die App übernimmt die Verschriftlichung und überträgt die Daten in ein zentrales Dokumentations­system. „Viele Anbieter von Apps bieten nicht nur eine gut funktionierende Applikation, sondern berücksichtigen auch datenschutz­rechtliche Aspekte, die in der Pflege besonders sensibel sind“, sagt die Expertin.

Digitale Technologien können auch bei vielen anderen Routine­aufgaben Entlastung bringen. Dazu gehört die Dienst­planung von Pflege­einrichtungen oder die Touren­planung von mobilen Pflege­diensten. Mithilfe spezieller Software­programme lässt sich die Dienst­planung stark vereinfachen. Die damit beauftragten Mitarbeitenden gewinnen so Zeit für andere Aufgaben. Ein weiterer Vorteil: Die Software plant neutral und berück­sichtigt bereits vorhandene Daten.

„Die Programme achten etwa automatisch darauf, dass diejenigen, die mehrfach hintereinander Spät­schicht hatten, nicht direkt für eine Früh­schicht eingeteilt werden“, erläutert Gramß. Giegold ergänzt: „Es gibt auch KI-gestützte Systeme, die auf Basis von Krankheits­tagen und Biorhythmus der Beschäftigten abschätzen, mit welcher Abfolge von Diensten die einzelnen Mitarbeitenden am besten klar­kommen.“ Intelligente Systeme können auch die Touren­planung erleichtern. Fällt unplan­mäßig eine Station aus oder kommt eine neue hinzu, passt die Software die Route automatisch an.

Mit innovativen Tools die Zukunft gestalten

Digitale Hilfsmittel können zudem bei der Ausbildung von Pflege­kräften unterstützen. Virtual-Reality-Anwendungen erlauben es, Notfall­situationen zu trainieren. „Die Technik simuliert etwa Telefon­anrufe und Schreie in der Umgebung, während eine Pflege­kraft eine Aufgabe erledigen muss“, sagt Giegold. „Auf diese Weise lässt es sich sehr gut üben, in Stress­situationen einen kühlen Kopf zu bewahren.“ VR-Brillen können auch dazu beitragen, die Qualität von Pausen­zeiten zu steigern, indem sie Mitarbeitende in entspannende, virtuelle Szenarien versetzen.

Auch für die Interaktion mit Klientinnen und Klienten bringen technologische Entwicklungen vielseitige Möglich­keiten mit sich. Am Bett oder in den Räumlich­keiten angebrachte Sensoren erkennen Bewegungen oder Stürze und schlagen bei Bedarf Alarm. Sensor­systeme ermöglichen es auch, die Bewegung eines bett­lägerigen Menschen zu analysieren, und können das Dekubitus­risiko – die gesund­heitlichen Gefahren, die aufgrund des sogenannten „Durch­liegens“ eintreten – abschätzen. Hat sich die pflege­bedürftige Person ausreichend bewegt, kann das Personal auf die für beide Seiten anstrengende Umlagerung verzichten.

Medizinische Apps lassen sich auch für Gangbild­analysen nutzen. Während das menschliche Auge Unter­schiede im Bewegungs­muster häufig erst spät wahrnimmt, erkennt die Technologie Symptome frühzeitig und kann mögliche Ursachen sowie Therapie­bedarf automatisch aufzeigen. Auch für die kleinen Heraus­forderungen des Alltags gibt es technologische Unter­stützung. So können smarte Trinkbecher die Flüssigkeits­aufnahme von Patientinnen und Patienten messen und automatisiert dokumentieren. Das spart Zeit für die Mitarbeitenden, die sie wiederum im Sinne der Pflege­bedürftigen nutzen können.

Zukunftszentren

Die Zukunftszentren sind ein bundesweites Förder­programm, das vom Bundes­ministerium für Arbeit und Soziales initiiert und durch dieses sowie über den Europäischen Sozial­fonds Plus finanziert wird. Die zwölf regionalen Zentren helfen Unter­nehmen, insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen sowie deren Beschäftigten, sich den Heraus­forderungen des digitalen, demografischen und ökologischen Wandels zu stellen. Neben Analysen und der Erprobung innovativer Qualifizierungs­formate bieten die Institutionen auch kostenlose vertiefte Beratung an. Ergänzend zu den Regionalen Zukunfts­zentren gibt es ein Transfer- und Koordinierungs­zentrum – das Zentrum Zukunft der Arbeits­welt – sowie das Haus der Selbst­ständigen, das vor allem die Interessen­vertretung von (Solo-) Selbst­ständigen stärkt.

Übersicht der Zukunftszentren

Vorbehalte abbauen, Potenziale erkennen

Portrait von Denise Gramß
Denise Gramß ist im Forschungsinstitut Betriebliche Bildung tätig und Leiterin des Zukunftszentrums Brandenburg, das regionale KMUs zum digitalen, demografischen und ökologischen Wandel berät und entsprechende Angebote zur Wissensvermittlung anbietet. Neben branchenoffenen Angeboten gibt es auch einen Schwerpunkt auf den Bereichen Pflege und Handwerk.

Trotz der Potenziale stehen einige Pflege­kräfte der Digitalisierung skeptisch gegenüber. „Die meisten Fachkräfte in diesem Bereich wählen ihren Beruf, weil sie gern im direkten Kontakt mit Menschen arbeiten möchten. Dokumentation und Technologie sehen sie eher als ein notwendiges Übel an. Manche sind den Umgang mit der Technik auch schlicht noch zu wenig gewohnt“, erklärt Gramß. Aus Sicht der Expertin muss die Digitalisierung daher nicht primär als technologischer Prozess, sondern vor allem als eine Veränderung der Organisation gedacht und angegangen werden.

„Mit der Arbeit der Zukunfts­zentren versuchen wir die Organisationen im Bereich Pflege – insbesondere aber die Mitarbeitenden – an digitale Technologien heran­zuführen und Vorbehalte abzubauen. Das funktioniert am einfachsten durch den direkten Kontakt mit entsprechenden Tools und Lösungen“, so Gramß.

Das Zukunftszentrum Brandenburg bietet beispiels­weise einen Escape Room an, in dem mittels digitaler Tools Aufgaben gelöst werden müssen. „In einem Szenario ist ein Schlüssel verloren gegangen“, erzählt Gramß. „Mithilfe einer App lässt sich der Schlüssel sehr viel schneller finden als ohne. So schafft das Spiel positive Erlebnisse, auf die sich aufbauen lässt.“

Auch für das Zukunftszentrum Pulsnetz MuTiG ist der direkte Kontakt mit der Technologie ein wichtiger Erfolgs­faktor. Zu diesem Zweck kommt TruDi – der „Truck der Digitalisierung“ – zum Einsatz. Im Truck sind unter­schiedliche technische Lösungen integriert, die die Möglichkeiten der digitalen Transformation aufzeigen. „Wir können in sechs Stunden mentale Blockaden aufweichen und so die Tür für einen Veränderungs­prozess öffnen“, sagt Giegold.

Chancen erkennen und nutzen

Digitale Technologien können dazu beitragen, Mitarbeitende in der Pflege zu entlasten und die Folgen des Fachkräfte­mangels zu reduzieren – darüber sind sich beide Expertinnen einig. Für Sophia Giegold steht fest: „Langfristig wird die Digitalisierung den Unterschied machen – zwischen Einrichtungen, die es noch gibt, und solchen, die es nicht mehr geben kann, weil sie wirtschaftlich ineffizient oder unattraktiv für Fachkräfte sind.“

Förderung für private Unternehmen

Förderung für kommunale Unternehmen