Lieferkettengesetz: Wo KMU ansetzen können

Das 2023 in Kraft getretene Lieferketten­sorgfaltspflichten­gesetz – oder kurz Lieferketten­gesetz – stellt klare Anforderungen an die menschen­rechtliche und umweltbezogene Sorgfalt von großen Unternehmen. Doch häufig sind auch kleine und mittlere Betriebe von den Auswirkungen betroffen. Katharina Hermann vom Helpdesk Wirtschaft & Menschen­rechte erklärt, worauf kleine und mittel­ständische Firmen achten sollten.

Portrait von Katharina Hermann
Katharina Hermann leitet den von der Bundesregierung ins Leben gerufenen Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte. Seit der Gründung 2017 hat die Einrichtung etwa 3.000 Unternehmen zur Umsetzung von Sorgfaltspflichten beraten.

Hat das Lieferketten­gesetz (LkSG) auch für meinen Betrieb Relevanz? Diese Frage stellen sich seit Anfang 2023 auch mittel­ständische Unternehmen. Denn obwohl das Gesetz derzeit nur für Firmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden gilt, sind manche kleine und mittel­ständische Unternehmen (KMU) indirekt von den neuen Vorgaben betroffen. Der Grund: Betriebe, die unter die Regelung fallen, müssen darauf achten, dass die Sorgfalts­pflichten sowohl im eigenen Geschäfts­bereich als auch bei ihren Zulieferern eingehalten werden. Große Unternehmen geben die an sie gestellten Vorgaben daher als Anspruch an ihre Lieferanten weiter.

„Auch wenn Anforderungen an die menschen­rechtliche Sorgfalt auf den ersten Blick über­fordernd wirken können, ist es auch KMU möglich, diese umzusetzen“, sagt Katharina Hermann. Die Juristin leitet den Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte, der Unternehmen kosten­frei und vertraulich bei der Umsetzung der menschen­rechtlichen Sorgfalt unterstützt. Eine ihrer wichtigsten Botschaften lautet: Mit einer strukturierten Herangehens­weise lassen sich entsprechende Prozesse mit angemessenem zeitlichem und finanziellem Aufwand umsetzen.

Risiken in der Lieferkette erkennen

„Das Lieferkettensorgfalts­pflichtengesetz verpflichtet Unternehmen dazu, ein System einzurichten, mit dem sich soziale und ökologische Risiken entlang der Lieferkette identifizieren und Präventions- und Abhilfe­maßnahmen einleiten lassen“, erklärt Hermann. Zulieferer von großen Unternehmen, die selbst nicht unter das Gesetz fallen, können ein solches Risikomanagement­system einrichten, um sich damit auf mögliche Kunden­anforderungen und weitere geplante Regelungen, z.B. auf EU-Ebene, vorzubereiten. Im ersten Schritt sollten sich KMU einen Überblick über den Ist-Zustand ihrer Lieferketten verschaffen. Eine Reihe von Fragen kann dabei helfen, mögliche Problem­felder aufzudecken, wie z.B.:

  • Welche Rohstoffe oder Vor- und Teilprodukte werden haupt­sächlich benötigt?
  • Wer sind die zentralen Lieferanten?
  • In welchen Ländern sitzen diese?
  • Kam es im eigenen Unternehmen oder bei Zulieferern in der Vergangen­heit zu Verstößen gegen Menschen- und Arbeits­rechte oder Umwelt­vorgaben?

„Die Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen kann mittel­ständische Unternehmen dabei unterstützen, Risiken besser einzuordnen und diese zu priorisieren“, so Hermann. Einige Online-Tools bieten Betrieben dafür konkrete Hilfestellungen. Eines davon ist der CSR Risiko-Check, der basierend auf Produkt­gruppen und Märkten auf mögliche Heraus­forderungen hinweist. „Sobald die Risiken identifiziert sind, gilt es diese zu priorisieren und – wo noch nicht geschehen – entsprechende Präventions- und Abhilfe­maßnahmen zu ergreifen“, rät die Expertin.

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Das Lieferkettensorgfalts­pflichtengesetz ist Anfang 2023 in Kraft getreten. Es verpflichtet Unternehmen mit Sitz in Deutschland und mehr als 3.000 Mitarbeitenden dazu, für die Einhaltung der Menschen­rechte entlang ihrer gesamten Lieferkette Sorge zu tragen. Ab 1.1.2024 wird der Anwendungs­bereich auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden in Deutschland ausgeweitet. Wichtige Aspekte sind zum Beispiel das Verbot von Kinderarbeit, der Schutz vor Sklaverei und Zwangs­arbeit, aber auch der Schutz vor umwelt­rechtlichen Verstößen. Die Einhaltung des Gesetzes wird vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) überprüft.

Maßnahmen identifizieren und umsetzen

In vielen Unternehmen gibt es bereits Strukturen und Prozesse, auf die sich im Hinblick auf die Umsetzung der Sorgfalts­pflichten aufsetzen lässt. Dazu gehört beispiels­weise die Erweiterung eines Verhaltens­kodex für Lieferanten – zum Beispiel um ein Beschwerde­verfahren – oder die Integration entsprechender Inhalte in Schulungs­formate für Mitarbeitende und Lieferanten. Für Unternehmen kann es zudem sinnvoll sein, auf bewährte Standards und Zertifizierungen zurück­zugreifen. „Es gibt viele sehr gute Zertifizierungen und branchen­weite Mitglieds­initiativen, die die Sorgfalts­prozesse erleichtern“, betont Hermann.

Derzeit versuchen einige Unternehmen, die gesetzlichen Pflichten aus dem LkSG per Vertrag an zuliefernde KMU weiterzugeben. Dieser bloßen Weitergabe erteilen die Kontroll­behörden jedoch eine klare Absage. „Empfehlens­wert ist stattdessen eine vertrauens­volle und enge Zusammen­arbeit in der Lieferkette auf Augen­höhe“, so Hermann. Vom Gesetz verpflichtete Abnehmer sollten ihre Zulieferer entsprechend unterstützen. Sinnvoll ist es auch, sich etwa in Branchen- oder branchen­übergreifenden Initiativen zusammen­zuschließen und einheitliche Fragebögen oder Verhaltens­kodizes zu verwenden.

Von Vorteil ist es für KMU außerdem, eine Anlaufstelle für Beschwerden im eigenen Unternehmen einzurichten oder sich an einem externen Beschwerde­verfahren bei Branchen­initiativen oder Verbänden zu beteiligen. Dadurch ist es möglich, frühzeitig Hinweise auf mögliche Verstöße von außen zu erhalten. Wichtig zu beachten ist: Die Beschwerde­systeme müssen für die Betroffenen auch zugänglich sein. Das bedeutet unter anderem, leicht verständliche Formulierungen zu verwenden und Informationen in den lokalen Sprachen anzubieten. Mit dem Sorgfalts-Kompass bietet der Helpdesk Wirtschaft & Menschen­rechte KMU ein kosten­loses Online-Tool, welches durch die Sorgfalts­prozesse leitet – von der Strategie­entwicklung bis zum Beschwerde­management.

Lieferketten Stück für Stück optimieren

Doch auch unabhängig von der Gesetzes­lage sollten KMU damit beginnen, sich intensiv mit den eigenen Liefer­ketten zu beschäftigen. „Es ist nicht nur moralisch richtig, sondern auch immer mehr Investorinnen und Investoren sowie Kundinnen und Kunden achten auf die Einhaltung von Nachhaltigkeits­kriterien“, sagt Hermann. „Zusätzlich werden auf EU-Ebene derzeit neue Regelungen zur unter­nehmerischen Sorgfalt diskutiert, die mittel­ständische Betriebe direkt betreffen können.“

Doch die gute Nachricht: Nicht für jedes identifizierte Risiko ist ein umfangreiches Paket an Maßnahmen nötig. „Das Lieferkettensorgfalts­pflichtengesetz enthält keine Erfolgs­pflicht, sondern eine Bemühens­pflicht“, sagt Hermann. „KMU, die sich jetzt auf den Weg machen, sind gut vorbereitet für die Anforderungen, die der Markt mehr und mehr stellen wird.“

Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte

Als Unterstützungsangebot der Bundes­regierung berät der Helpdesk Wirtschaft & Menschen­rechte Unternehmen kostenfrei, vertraulich und individuell rund um das Thema menschen­rechtliche Sorgfalt. Verortet ist der Helpdesk Wirtschaft & Menschen­rechte in der Agentur für Wirtschaft & Entwicklung (AWE). Als erste Anlaufstelle unterstützen die Helpdesk-Beraterinnen und -Berater Unternehmen dabei, ihr Handeln umwelt- und sozial­verträglich zu gestalten. Auch Veranstaltungen, Workshops, Schulungen und Online-Tools für Unternehmen gehören zum Angebot.

Gemeinsam mit dem BAFA hat der Helpdesk Wirtschaft & Menschen­rechte kürzlich eine Handreichung zur „Zusammen­arbeit in der Liefer­kette zwischen verpflichteten Unternehmen und ihren Zulieferern“ veröffentlicht.

Der Helpdesk­ Wirtschaft & Menschen­rechte wird vom Bundes­ministerium für wirtschaftliche Zusammen­arbeit und Entwicklung finanziert und von der DEG Impulse in Kooperation mit der GIZ durchgeführt.