Resiliente Unternehmensführung – das können Betriebe von Deutschlands ältestem Familien­unternehmen lernen

The Coatinc Company arbeitet seit über 500 Jahren mit Stahl und gilt derzeit als das älteste Familienunternehmen Deutschlands. Was lässt sich aus der langen Unternehmens­geschichte und dem Umgang des Unternehmens mit Heraus­forderungen und Krisen lernen? CEO Paul Niederstein berichtet von seinen Erfahrungen.

Portrait von Paul Niederstein
Paul Niederstein leitet „The Coatinc Company“ in 17. Generation

Verzinktem Stahl können weder die Elemente noch die Zeit viel anhaben. Kein Wunder also, dass die Ursprünge von „The Coatinc Company“ zurück bis ins 16. Jahr­hundert reichen. Heute hat das Unternehmen etwa 1.500 Mitarbeitende und verarbeitet pro Jahr ca. 450.000 Tonnen Stahl. Obwohl das Kern­geschäft noch immer dasselbe ist, hatte das Familien­unternehmen in der Vergangenheit mit verschiedensten Heraus­forderungen und Krisen zu kämpfen.

„Einige der aktuellen exogenen Stress­faktoren wie Liefer­engpässe und Inflation haben Unter­nehmen wie dem unseren auch in früheren Jahren zu schaffen gemacht“, so Paul Niederstein, der das Unternehmen in der 17. Generation leitet. Doch nach seiner Einschätzung sind externe Faktoren selten die Ursache für das Scheitern von Betrieben, sondern sehr viel häufiger hausgemachte Krisen. „Ich habe nur in Einzelfällen gehört, das Unter­nehmen allein aufgrund der Konjunktur Konkurs anmelden mussten. Häufiger erlebe ich, dass sie auf das falsche Pferd setzen und den Fehler zu spät erkennen.“ Auch im eigenen Betrieb hätten interne Entscheidungen – wie die Wahl der falschen Partner – schon zu manchen Heraus­forderungen geführt.

Werte leben und gestalten

Doch The Coatinc Company konnte schlussendlich alle Hürden überwinden und ihre Beständigkeit unter Beweis stellen. Ein mitentscheidender Faktor dafür waren die Unternehmens­werte, die bis heute prägend sind. Dazu zählen neben Wertschätzung auch Respekt und Toleranz. Gleichzeitig spielt aber auch der kontinuierliche Wandel und das Lernen aus der Vergangenheit eine zentrale Rolle. So sind mit den Wechseln der Generationen auch neue Werte und Ansichten zur Unternehmens-DNA hinzu­gekommen.

Während Niedersteins Führung gehörte dazu beispiels­weise die Frage nach dem Sinn des eigenen Wirtschaftens. „Mit ‚Wir schützen heute die Generationen von morgen‘ haben wir versucht, die Gründe für unser Handeln auf den Punkt zu bringen. Ursprünglich wollten wir ‚auf der Basis von Vertrauen und Verantwortung‘ ergänzen – aber das erschien uns dann doch zu umfangreich“, erläutert der Geschäftsführer.

Neben der Sinnhaftig­keit der Werte ist Niederstein auch deren Authentizität und Glaub­würdigkeit wichtig. So entschied er bereits vor einigen Jahren, auf das Geschäft mit der Veredelung von Rüstungs- oder rüstungs­nahen Produkten zu verzichten – und das, obwohl der Bereich bis dato hoch­profitabel war. Dennoch merkt Niederstein selbst­kritisch an: „Natürlich ist auch bei uns im Unter­nehmen nicht alles perfekt. Wenn ich von unseren Werten spreche, kann ich sicherlich ein paar Mitarbeitende aufzählen, die sich damit schwertun. Wir haben hier nicht das Paradies auf Erden. Aber als Unter­nehmer gehört es dazu, sich kontinuierlich infrage zu stellen und täglich daran zu arbeiten, dass es besser wird.“

Gelassenheit bewahren

Dazu zählt für den Geschäfts­führer auch, das eigene Verhalten zu reflektieren und daraus für zukünftige Entscheidungen zu lernen. Gerade in schwierigen Situationen habe er in der Vergangenheit zu schnell Entscheidungen getroffen, die sich später manchmal als falsch erwiesen haben. „Wenn man jung ist und so eine Krise noch nie erlebt hat, stürzt die Situation auf einen ein. Mit etwas mehr Erfahrung weiß man dann, dass es besser ist, Ruhe zu bewahren und auf das eigenen Bauch­gefühl zu hören.“

Auch in Krisenzeiten sollten Unter­nehmer daher gelassen bleiben und überlegt agieren. „Egal ob Finanzkrise, Energie­krise oder Corona: Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie resilient Unternehmen sind“, so Niedersteins Einschätzung. Schwierige Zeiten sieht der Unter­nehmer nicht nur als Heraus­forderung, sondern auch als sprich­wörtliche Chance. „Aus der persönlichen Erfahrung weiß ich, dass man die größte Persönlichkeits­entwicklung durch die härtesten Krisen im Leben erreicht. Das ist auch häufig bei Unter­nehmen so.“

Ins Handeln kommen

Gelassen und überlegt agieren, sich jedoch nicht paralysieren lassen, ist nach Niedersteins Erfahrung der richtige Weg. Unternehmen sollten die Situation daher analysieren und sich nach alternativen Handlungs­optionen umsehen. „Es ist wichtig, sich damit auseinander­zusetzen, wie viele Einschläge das eigene Unternehmen aushält. Bei Corona haben wir zum Beispiel gerechnet, wie viele Tage, Monate oder Jahre wir uns diese Situation leisten können. Anschließend gilt es, wieder ins Handeln zu kommen. Jede Krise ist im Grunde genommen auch eine Einladung zur Handlung“, erläutert der CEO.

Trotz der vergleichs­weise komfortablen Situation von The Coating Company heißt es daher auch für Niederstein: nicht ausruhen, sondern weiter­machen. Derzeit beschäftigen ihn beispiels­weise Themen wie der Fachkräfte­mangel. „Die Stahl­industrie ist nicht gerade sexy“, gibt er offen zu. Daher sei es umso wichtiger, junge Menschen für die Arbeit im Unternehmen zu begeistern, aber auch Mitarbeitende zu halten – auch dann, wenn die Gesamt­situation schwierig ist. „Wir können es uns nicht erlauben, gute Leute zu verlieren, nur weil wir vielleicht zwei dünne Jahre haben“, so der Geschäftsführer.

Die Zukunft proaktiv gestalten

Bezogen auf die Zukunft des Unternehmens gibt Niederstein sich selbst­bewusst: „Ich sehe eine sehr gute Zukunft für Stahl. Verzinkter Stahl ist beliebig oft recycelbar und als Baustoff in jeder Solar­anlage, in jedem Strommast, in jeder Windkraft­anlage enthalten.“ Gleichzeitig sieht er jedoch auch klaren Handlungs­bedarf: „Wir müssen die Transformation von fossiler Energie zu grünem Strom und grünem Wasserstoff schaffen. Dabei spielen Innovationen eine große Rolle.“

Um den Unternehmenszielen gerecht zu werden, sei es außerdem wichtig, Produkt und Produktion fit für die Zukunft zu machen. Dazu gehöre zum Beispiel, die Recycling­quote von verzinktem Stahl zu erhöhen und Methoden für eine noch dünnere Verzinkung zu entwickeln. So ließen sich auch langfristig wertvolle Ressourcen sparen.

Ein wichtiger Schlüssel für die Zukunft seien außerdem Investitionen. In den kommenden vier Jahren will das Unternehmen rund 40 Millionen Euro in die Hand nehmen. „Auch wenn unsere Haupt­kunden, die Bau- und Automobil­industrie, gerade einbrechen – wir investieren antizyklisch“, erklärt Niederstein. Dieses Selbstbewusstsein erklärt er mit Rückblick auf die vergangenen Krisen­erfahrungen: „Irgendwann war immer ein Leucht­streifen am Horizont zu sehen. Wir stecken den Kopf nicht in den Sand. Wir machen immer weiter.“

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