Baustelle Krafthaus, Wasserkraftwerk Sebzor

    Wie fairer Wandel funktionieren kann

    Eine „Just Transition” soll sicherstellen, dass der Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft auf gerechte und nachhaltige Weise erfolgt. Ziel ist es, soziale Nachteile – die durch veränderte Wirtschaftsstrukturen ausgelöst oder verstärkt werden – so gut wie möglich auszugleichen und neue Entwicklungschancen zu schaffen. Ein Beispiel dafür ist die Planung eines Wasserkraftwerks in Tadschikistan, das mit finanzieller Unterstützung der KfW Entwicklungsbank entsteht und Ende 2025 in Betrieb gehen soll.

    Baustelle Wehr am Wasserkraftwerk Sebzor
    Baustelle 1: Am späteren Wehr (rechte Seite) wird das Wasser gestaut und über das Einlaufbauwerk mit installiertem Sandfang (linke Seite) in eine Druckrohrleitung einige Kilometer weiter flussabwärts in das Krafthaus geleitet.

    Berg Badaschan in Tadschikistan ist eine autonome Provinz, die auf bis zu 7.495 Meter Höhe in einer Hochgebirgsregion liegt. Die Gegend ist dünn besiedelt und mit einer hohen Arbeitslosigkeit die ärmste Region des Landes. Sie ist stark von Naturkatastrophen wie Erdbeben und – aufgrund des trockenen und kalten Klimas sowie der schroffen Topografie – von Überschwemmungen, Erdrutschen und Lawinen betroffen. Hier wird das neue, durch die KfW Entwicklungsbank (Bereich Finanzielle Zusammenarbeit, kurz: FZ) finanzierte Wasserkraftwerk „Sebzor“ mit einer Kapazität von 11 MW gebaut. Die Stromversorgung in der Region Berg Badaschan sowie in grenznahen Gebieten Afghanistans erfolgt durch das Unternehmen Pamir Energy, welches auch Projektträger des neuen Wasserkraftwerks ist. 90 % der Stromversorgung in Tadschikistan basiert auf Wasserkraft.

    Warum braucht es ein Wasserkraftwerk in Berg Badaschan?

    Ein wesentliches Problem der Stromversorgung in Berg Badaschan war bisher, dass die beiden größten Wasserkraftwerke am selben Fluss, dem Gunt, liegen. „Dadurch ist die Stromversorgung in der Region besonders anfällig für Naturkatastrophen, wie zuletzt 2015, als Flut- und Schlammlawinen beide Wasserkraftwerke vorübergehend außer Betrieb gesetzt und die gesamte Stromversorgung in der Region unterbrochen haben“, erzählt Robert Roßner, KfW-Portfoliomanager. Deswegen wird das neue Wasserkraftwerk an einem Nebenfluss, dem Shokhdara, gebaut, um durch die räumliche Diversifizierung eine höhere Sicherheit bei der Stromversorgung zu gewährleisten.

    Hinzu kommt, dass es im Winter häufig zu Engpässen in der Stromversorgung kommt, da die Abflussmengen für die Stromerzeugung per Wasserkraft geringer sind als im Sommer. Das liegt daran, dass in warmen Monaten die Schneeschmelze höher ist und dadurch mehr Schnee- und Gletscherwasser in die Flüsse fließt. Gleichzeitig kann die Versorgungslücke bisher nur unzureichend durch Energieimporte aus den Nachbarstaaten ausgeglichen werden. Abseits des Sommers muss die Bevölkerung vor Ort daher auf das Verbrennen von Dung und Holz ausweichen. Neben den negativen Auswirkungen auf Klima, Umwelt und Gesundheit ist in der Region zudem nicht genügend Brennholz vorhanden, um den Bedarf im Winter zu decken. Gleichzeitig wächst die Bevölkerung und damit auch der Energiebedarf. „Mit dem Bau des neuen Wasserkraftwerks wollen wir also dazu beitragen, diese Versorgungslücke zu schließen und mit subventionierten Stromtarifen – aufgrund der einkommensschwachen lokalen Bevölkerung – eine nachhaltige, verlässliche und bezahlbare Energieversorgung ermöglichen“, sagt Roßner.

    Zitat Robert Roßner: Mit dem Bau des neuen Wasserkraftwerks wollen wir zu einer nachhaltigen, verlässlichen und bezahlbaren Energieversorgung der Bevölkerung beitragen.

    Soziale Herausforderungen und Lösungen

    Mit dem Bau von „Sebzor“ mussten 17 Haushalte mit über 100 Personen umsiedeln, einige Hektar Ackerflächen wurden zerstört und der Handel in lokalen Geschäften beeinträchtigt. Hier kommt die Just Transition ins Spiel, denn „besonders Umsiedlungen stellen erhebliche Veränderungen für die meisten Betroffenen dar und müssen gemäß internationalem Standard sozialverträglich umgesetzt werden“, weiß der KfW-Portfoliomanager. Daher wurde in enger Zusammenarbeit zwischen KfW Entwicklungsbank, Pamir Energy sowie internationalen Expertinnen und Experten ein Umsiedlungsplan – basierend auf internationalen Standards – erarbeitet und erfolgreich umgesetzt.

    Baustelle Krafthaus, Wasserkraftwerk Sebzor
    Baustelle 2: Im späteren Krafthaus (im Vordergrund) befinden sich die eigentlichen Turbinen, die durch das einfließende Wasser angetrieben werden und Strom erzeugen. Dieser wird über das bereits fertiggestellte Umspannwerk (im Hintergrund) ins Stromnetz eingespeist.

    Zum einen wurden die Umsiedlung der Haushalte und der Aufbau neuer Häuser im neuen Siedlungsgebiet durch die KfW finanziert. Zum anderen wurden Ausgleichs- und Unterstützungsmaßnahmen für diejenigen, deren Lebensgrundlagen durch das Kraftwerk eingeschränkt werden, erarbeitet, z. B. Schulungen und Fortbildungen für lokale Unternehmen. „Zudem finanzieren wir im Rahmen von sogenannten „Community Development Measures“ zwei Spielplätze und eine neue Wasserleitung in drei benachbarten Dörfern, die durch den Bau des Wasserkraftwerks beeinträchtigt sind,“ erklärt Robert Roßner. „Die gemeinsam mit den betroffenen Familien und Gemeinden erarbeiteten Maßnahmen sollen sicherstellen, dass der Wandel zu einer nachhaltigeren Wirtschaft und Energieerzeugung sozial gerecht erfolgt“. Laut Roßner sollen Einschränkungen für die Menschen nicht nur abgefedert werden, sondern es sollen ihnen gleichzeitig neue Möglichkeiten geboten werden – wie etwa Beschäftigung in den Bauunternehmen während der Projektimplementierung oder bei Pamir Energy, einem der wichtigsten Arbeitgeber in der Region. Außerdem finanziert die FZ Stipendien für junge Frauen aus der Region in für den Energiesektor relevanten Studiengängen.

    Sobald die Umsiedlung und ihre Ausgleichsmaßnahmen vollständig abgeschlossen sind, werden sie von einem unabhängigen Auditor geprüft. Auch ein Beschwerdemechanismus wurde für die betroffenen Einheimischen eingerichtet.

    Zertifizierte „Just Transition“

    Das Wasserkraftwerk „Sebzor“ ist das weltweit erste Wasserkraftwerk, das mit dem Hydropower Sustainability Standard der internationalen Hydropower Association (IHA) zertifiziert wurde. Bei der Zertifizierung geht es darum, wie sozial- und umweltverträglich das Projekt vorbereitet und konzeptioniert wurde. Es wurde vor Baubeginn validiert, ob das Vorhaben das Konzept einer „Just Transition“ darstellt. Das Projekt wurde anhand von zwölf Kriterien geprüft, darunter „Kulturelles Erbe“, „Indigene Bevölkerungsgruppen“, „Auswirkungen auf die Gemeinschaft und Sicherheit der Infrastruktur“ sowie „Umsiedlung“.

    Der Zertifizierungsprozess verlief in mehreren Schritten. Zunächst erhielt das Projekt den Bronzestandard, wurde dann aber durch Anpassungen erst auf Silber und schließlich auf Gold hochgestuft. „Die erfolgreiche Zertifizierung macht es zu einem Leuchtturmprojekt für Pamir Energy und unterstreicht die nachhaltige Konzeption des Wasserkraftwerks“, erzählt Robert Roßner. „Das sendet ein wichtiges Signal für nachhaltige Wasserkraftprojekte weltweit.“

    „Diese Zertifizierung sendet sowohl für die Finanzielle Zusammenarbeit (FZ) als auch weltweit das sehr wichtige Signal, dass Wasserkraft nachhaltig geplant und umgesetzt werden kann.“

    KfW-Portfoliomanager Robert Roßner

    Und noch ein anderes Signal möchte der KfW-Portfoliomanager übermitteln: „Wasserkraft ist eine entscheidende Technologie für die Energiewende, doch der Bau muss nachhaltig und sozial gerecht gestaltet werden.“ Das Wasserkraftwerk „Sebzor“ zeige laut Roßner, dass solche Projekte zwar Zeit, Mittel und Willen benötigen, doch dass sie wichtig und realisierbar seien. Seine Prämisse: „Wasserkraft muss nachhaltig sein und sie kann nachhaltig sein.“

    Eckdaten zum Projekt:

    • Planmäßige Inbetriebnahme: 2025
    • Hauptfinanzierer und Kosten: 20 Mio. EUR von der EU;
      44,4 Mio. EUR von der KfW Entwicklungsbank (im Auftrag der Deutschen Bundesregierung);
      Gesamtkosten rund 70 Mio. EUR.