Erster Preis beim KfW Award Bauen 2018 ¬ Altes Kloster wird zum modernen Wohnprojekt in Köln
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Aufbruch im Kloster

Ein altes Nonnenkloster in Köln wurde zum einladenden Ensemble aus Alt- und Neubauten – für Junge und Alte, für eingesessene Kölner und Flüchtlinge. Beim KfW Award Bauen 2018 wurde das Projekt mit dem ersten Preis in der Kategorie Neubau ausgezeichnet.

Erster Preis beim KfW Award Bauen 2018 ¬ Altes Kloster wird zum modernen Wohnprojekt in Köln
Glückliche Macher

Bauherren-Vertreter und Architekten präsentieren sich als Team.

Kaum jemand im lebenslustigen Köln lebte so isoliert wie die Klarissen. Wurde eine Novizin in den Orden aufgenommen, dann ging sie durch eine Klosterpforte im Stadtteil Kalk in eine andere Welt – abgeschieden hinter Mauern und fast ohne Außenkontakt. Im Gottesdienst ihrer Kirche sahen die Nonnen von einem Seitentrakt aus nur den Altar, nicht die Gemeinde im öffentlichen Teil des Saals. Selbst nach dem Tod blieben sie hier: auf einem eigenen kleinen Friedhof, auf dem nach Gründung des Klosters 1918 als erste Schwester Regina begraben wurde und als letzte Schwester Maria, gestorben mit 90 im Jahr 2012.

Heute prägen den einst stillen Ort Offenheit und Internationalität. Das Erzbistum hat nach dem Ende des Klosters das Areal nicht verkauft, sondern in einen sozialen Ort verwandelt: Hier leben Alteingesessene und Flüchtlinge in preisgünstigen, doch schönen Wohnungen; betreute Jugend-Gemeinschaften sind untergekommen, Büros der Caritas und Angebote für den einst industriell geprägten, noch heute eher rauen Köln-Kalk. Aus dem verschlossenen Areal ist ein einladendes kleines Quartier geworden, das aber seine Vergangenheit noch eindrücklich präsentiert.

Auf gute Nachbarschaft

Wie das Kloster von einem Ort innerer Einkehr zu einem Miteinander unterschiedlicher Menschen und Lebenskonzepte wurde (KfW Bankengruppe/n-tv).

„Hier finden Sie einen Querschnitt der Bevölkerung“, sagt Peter Thein, Projektleiter in der Bauabteilung des Erzbistums. „Familien, Studenten-WGs, Rentner, Flüchtlinge – alle sind vertreten.“ 43 preisgünstige Wohnungen sind entstanden, dazu Büros und ein Bildungs- und Begegnungszentrum für Flüchtlinge der Caritas. Treffpunkt und einladender Ort für Besucher ist der Platz ganz vorn an der belebten Kapellenstraße, der sich wie ein Trichter nach hinten verengt. Links begrenzt ihn ein eher unauffällig, aber ansehnlich gestaltetes Büro- und Wohnhaus. „Der Neubau nimmt sich bewusst zurück“, sagt Regine Leipertz, die zusammen mit ihrem Partner Martin Kostulski das Projekt gestaltet hat.

Denn gegenüber auf dem Platz steht die hundertjährige Klosterkirche, die noch heute Ort für Gottesdienste ist – aber auch für vieles andere. Der neubarocke Ziegelbau aus den 1920er-Jahren wirkt außen etwas trutzig-düster, umso mehr überrascht drinnen das großzügige und helle Kirchenschiff. Und ganz besonders dessen Kern: eine Stuhl- und Tischgruppe mit 20 Plätzen, über der eine ovale Scheibe von der Decke hängt. Sie wiederum hält bodentiefe Vorhänge, mit denen sich der Teil des Raums vollständig umhüllen lässt. „Sie isolieren so gut, dass ringsum Trubel sein und man sich drinnen zugleich ruhig besprechen könnte“, sagt die Architektin Leipertz.

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Historischer Ort

Abgeschieden lebten im 20. Jahrhundert Nonnen im Klarissenkloster.

Ein zweites Großmöbel im Kirchenschiff ist die mobile Wand zwischen dem Hauptteil des Raums und dem Chor mit dem Altar. Auf dessen Seite sind in die fahrbare Wand ein paar Sitzplätze eingelassen. Projektleiter Peter Thein: „So kann man vor dem Altar ganz kleine Gottesdienste abhalten, zum Beispiel Taufen oder Hochzeiten im engsten Kreis.“ Denn auch wenn die Klosterkirche mit den neuen Einbauten als Begegnungs- und Besprechungszentrum benutzt wird, dient sie nach wie vor als Gotteshaus.

Im einstigen Pfortengebäude des Klosters sind zehn kleine Apartments zur Betreuung kranker und traumatisierter Flüchtlinge eingerichtet, getreu der Aufforderung von Papst Franziskus: „Die leer stehenden Klöster sind für die Flüchtlinge da.“ Das rechteckige „Quadrum“, das frühere Wohngebäude der Nonnen, beherbergt zwei Wohngemeinschaften Jugendlicher. In ihnen leben 14- bis 18-jährige mit familiären oder psychischen Problemen, aber auch allein nach Deutschland gekommene minderjährige Flüchtlinge – betreut von Mitarbeitern der Stiftung „Die gute Hand.“

Die jungen Leute wohnen großzügiger als ihre Vorgängerinnen: Während eine Nonne meist nur eine Zelle von etwa acht Quadratmetern zur Verfügung hatte, wurden für jeden Jugendlichen zwei dieser Miniatur-Räume zusammengelegt – einer mit Bett, der andere mit Schreibtisch und Schrank. Still ist nach wie vor der Innenhof des Quadrums. „In der Mitte stand früher ein Brunnen, der marode war und die Bauarbeiten leider nicht überstanden hat“, erzählt Peter Thein. „Aber wir werden hier einen neuen hinstellen.“

Die Kfw fördert

Die KfW unterstützt die energieeffiziente Sanierung von Bestandsimmobilien.

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Dahinter steht, von der Straße kaum sichtbar, der größere der beiden Neubauten des Areals: ein hufeisenförmiges Haus mit 24 Wohnungen im ehemaligen Klostergarten. Sie haben zwei bis fünf Zimmer und tragbare Mieten für Haushalten mit geringem Einkommen. Auch dieses Haus ist äußerlich zurückhaltend, doch es ist durchdacht, bewohnerfreundlich und rationell gestaltet. Laut Architekt Kostulski ist er „günstig gebaut, aber nicht billig“.

Günstig bedeutet zum Beispiel, dass es in dem dreigeschossigen Bau nur einen Fahrstuhl gibt, der aber in Kombination mit Laubengängen alle Wohnungen barrierefrei erschließt. Günstig, aber nicht billig sind auch die überdachten Loggien, die jede Wohnung hat und die von dem Bewohnern rasch individuell bestückt wurden – mal mit Korbsesseln und mal mit einer Eckbank, mit Teppichen oder mit Spielzeug. Die Innenseiten des hufeisenförmiges Hauses umrahmen einen Gemeinschaftsgarten mit Spielplatz; auf der offenen Seite mit einem kleinen Hang laden breite Stufen zum Sitzen ein. Hier trifft sich zwanglos die nach Herkunft, Alter und Lebensform gemischte Bewohnerschaft. „Begegnung ist das beste Mittel zur Verständigung und Integration“, sagt Peter Thein. Das Projekt fand in Köln-Kalk die sonst seltene Zustimmung aller Parteien von links bis ganz rechts.

Christen, Muslime, Atheisten und andere leben hier friedlich nebeneinander. Und die entspannte Weltoffenheit wirkt noch stärker dadurch, dass überall Spuren der geschlossenen Welt von einst sichtbar sind: Kreuzweg-Stationen an der auf drei Seiten des Geländes erhaltenen Mauer, eine Gebetsgrotte und verbliebene Gitter an einzelnen Klosterfenstern. Auch die Gräber im stillsten Winkel des Areals sind noch da – überragt von einer prächtigen, einst von den Nonnen gepflanzten Blutbuche, die auch heute dem Garten Farbe und Schatten spendet.

Das Projekt im Überblick

Quelle
Cover Bauen & Wohnen 2018

Dieser Artikel ist erschienen in bauen + wohnen 2018.

Zur Ausgabe

Lage: Kapellenstr. 45-53, Köln-Kalk
Baujahr und Bauherren: 1924 (Erzbistum Köln); 2017 (LK Architekten Köln)
Grundstücksfläche: 5.692 m²
Wohnungen, Wohngruppen und Apartments: 43
Baukosten/m²: 1.662 € (Kostengruppe 300, 400)
Qualitäten für die Bewohner: Preisgünstiges Wohnen in schönem Ensemble aus Alt- und Neubauten mit vielfältigem Freiraum
Qualitäten für die Gesellschaft: Angebote für Bedürftige und den Stadtteil, Erhalt des Klosters und Öffnung zum Quartier
Energiesparen: Blockheizkraftwerk, Nahwärmenetz, Dämmung, Carsharing auf dem Gelände
Barrierefreiheit: Außengelände, barrierefrei erreichbare und benutzbare Wohnungen

Auf KfW Stories veröffentlicht am: Freitag, 18. Mai 2018

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Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.