Ein neues Mietshaus in Berlin-Köpenick vereint gutes Wohnen, günstige Kosten, Natur und nüchterne Technik. Es zeigt, dass sich auch mit sparsamen Mitteln viel erreichen lässt. Dafür gewann es den 2. Platz beim KfW Award Bauen 2019 in der Kategorie Neubau.
2. Preis: Neubau
Berlin, Köpenick (KfW Bankengruppe/n-tv).
Vom „Haus mit den Blättern“ spricht der Volksmund in Berlin-Köpenick. Es steht an einem Wäldchen und ist von Eichen umgeben – aber das ist nicht direkt gemeint. Bevor an dem Mietshaus mit 53 Wohnungen der Fassaden-Beton hart wurde, legten die Bauleute Blätter auf die Schalung, die sie vor Ort gesammelt hatten. Einige Bäume hatten dem Bau weichen müssen, doch so überdauern sie als „versteinerte“ Abdrücke.
Nicht nur hier spielt das Haus mit dem Kontrast von Beton und Natur-Anmutung. Die ums ganze Haus laufenden Balkone sind aus Beton-Fertigteilen, doch ihre Metallbrüstungen lindgrün. Ähnlich lackiert sind die Holzrahmen der großen, ringsum gleichen Fenstertüren. So wohnt man „im Grünen“, oben im Staffelgeschoss sogar fast in den Baumkronen. Aus Eiche sind auch die Fußböden, als Parkett über der Fußbodenheizung. Nur an den Decken blieb der Beton roh – und muss laut Mietvertrag so bleiben. „Nach zahllosen Erfahrungen wollen wir keine Kompromisse zwischen unterschiedlichen Zielen und Interessen“, beschloss das Bauherren-Paar Heike und Detlef Sommer, „sondern eine von Konsens getragene Lösung, die das Projekt als Ganzes im Blick hat.“
Sommers sind Investoren und Architekten. Ihr Ideal beschrieben sie als „Mietwohnungen mit hoher Qualität und für den normalen Geldbeutel“. Die langen Seitenfassaden sind in einem leichten Zickzack gegliedert; damit wirkt das Haus etwas aufgelockert und die einzelnen Wohnungen heben sich besser voneinander ab. Das Grün am und im Haus macht auch den starken Straßenverkehr an der Schmalseite erträglicher. Die Bewohner müssen wenig dazu beitragen: Immerhin hält die Tram fast vor dem Haus, drum lebt es sich hier auch gut ohne eigenes Auto. Im Keller gibt es nur für jede vierte Wohnung einen Parkplatz, dafür genug Raum für Fahrräder.
„Das Gebäude soll in 30, in 50 Jahren noch gut sein“, sagt Detlef Sommer. Nicht schnell und für den schönen Schein, sondern solide und nachhaltig wollten die beiden bauen, als sie 2013 das Grundstück in der Köpenicker Lindenstraße erwarben, gut zehn Kilometer vom Berliner Zentrum entfernt.
Neben einer denkmalgeschützten Schule schoben sie ihren fünfstöckigen Baukörper so kompakt in das Wäldchen, dass mehrere markante Baumriesen erhalten bleiben konnten. Die kompakte Form führt zu weniger Außenflächen, also weniger Energieverbrauch. Dazu tragen auch die 60 Zentimeter Wandstärke bei. Doch der Anspruch der Bauherren reichte weiter: Für eine nahezu CO2-neutrale Heizung und Kühlung des Gebäudes vergruben sie einen 250 Kubikmeter großen Eisspeicher im Gelände, der mit einer Wärmepumpe und Solarabsorbern auf dem Dach verbunden wurde.
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Klare Kante
Der Berliner Neubau mit 53 Wohnungen ist modern gestaltet, aber fügt sich geschickt ins grüne Umfeld ein.
Heizen mit Eis
Das Prinzip ist verblüffend einfach: Die Pumpe entzieht dem Speicher ständig Wärme, bis das Wasser gefriert. Bei diesem sogenannten Phasenübergang zum Eis wird viel Energie freigesetzt, und die dient zur Heizung des Gebäudes. Solarwärme vom Dach hält den Speicher ständig um die für den Prozess optimalen null Grad. Dieses innovative System, im Wohnungsbau noch kaum erprobt, bringt 30 bis 50 Prozent günstigere Nebenkosten für die Mieter. Dass es funktioniert, wird vertraglich garantiert: Es gibt 42 Grad warmes Wasser für alle.
Als Material des Hauses wählten die Sommers anstelle des zunächst erwogenen Holzes am Ende doch den konventionellen Stahlbeton. Der sei auf lange Sicht robuster, meinen sie, und auch dessen raue Ästhetik liegt ihnen. Sie verwalten schon lange Wohngebäude; und so entwickelten sie ein ansprechendes, vielseitiges, doch auch pflegeleichtes Haus aus betont offen gestalteten Ein -, Zwei- und Dreizimmerwohnungen „für ganz normale Menschen“.
Fertigteile statt Schnickschnack
Die tragende Betonkonstruktion wurde vor Ort gegossen, die sichtbare Fassade aber besteht aus angelieferten Fertigteilen. Vorgefertigt wurden auch die 53 Bäder im Haus. Als komplett ausgestattete Module schwebten sie per Kran ein, bevor die jeweilige Betondecke gegossen wurde. Alle sind identisch und schlicht – „Schnickschnack und Wellness wollten wir nicht“, sagt Heike Sommer. Günstiger wurde der Bau so zwar nicht, doch verkürzte die Vor-Montage den Bauablauf. Im Herbst 2018, nach gut einem Jahr, war der Neun-Millionen-Bau fertig. Pro Quadratmeter sind das nur etwa 2.000 Euro, für diesen Standard ein sehr günstiger Preis. Offenbar läuft die Vermietung der sämtlich frei finanzierten Wohnungen gut, und das Kalkül der wagemutigen Bauherrn-Architekten, auf diese Weise „Sachen, die uns wichtig sind“ zu realisieren, geht auf.
Nun kann Leben ins Haus einziehen: Die schön in unterschiedlichen Pastelltönen gestalteten Flure im Inneren sind geräumig und laden die Mieter zu Treffen ein. Da die beiden Treppenhäuser im Notfall auch als Fluchtwege dienen, musste der 2.500 Quadratmeter große Garten nicht für die Feuerwehr befestigt werden. Also grünt es ums Haus nach Plänen von Sommers Tochter, die Landschaftsarchitektin ist. Und in der hintersten Ecke des Grundstücks dient „Banga“, ein kugeliger Design-Pavillon, als Gästehaus.
Das Projekt in Stichworten
Projekt: Neubau von 52 Mietwohnungen und zwei Gewerbeeinheiten
Lage: 12555 Berlin
Baujahr: 2018
Bauherren: Heike und Detlev Sommer
Architekten: Sommer+Sommer Architekten, Berlin
Energieberater: Christian Sigismund, Leipzig; Bernd Schwarzfeld, Hamburg; Thomas Hoffmann, Schöneiche
Fläche: 3.676 Quadratmeter Wohnfläche
Grundstück: 3.718 Quadratmeter
Qualitäten für die Bewohner: Kostengünstige frei finanzierte Mietwohnungen
Qualitäten für die Gesellschaft: Minimierter Flächenverbrauch, Erhalt eines Teils des Baumbestandes auf dem Grundstück
Energiesparen: Sole-Wasser-Wärmepumpe, Latent-Eisspeicher, Solarabsorber, Abluftanlagen
Barrierearmut: Barrierefrei, Garten schwellenfrei
Auf KfW Stories veröffentlicht am: Freitag, 24. Mai 2019
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 7: Nachhaltige und moderne Energie für alle
Knapp 80 Prozent der weltweit erzeugten Energie stammt immer noch aus fossilen Energieträgern. Aus der Verbrennung fossiler Energieträger entstehen unter anderem Kosten für das Gesundheitssystem aufgrund der Luftbelastung und Kosten wegen Klimaschäden, die der Allgemeinheit und nicht nur den Verursachern schaden. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
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