Mehr Licht, mehr Luft, weniger Energieverbrauch und eine feinfühlige, ressourcenschonende Modernisierung: Einer Familie in Bochum gelang mit ihrem Altbau alles zugleich – dafür erhielt das Projekt den 3. Preis beim KfW Award Bauen 2019 in der Kategorie Bestand.
3. Preis: Bauen im Bestand
Nordrhein-Westfalen, Bochum (KfW Bankengruppe/n-tv).
Ein spitzer Giebel, eher kleine Fenster mit Burg-Anmutung und ein Sockel aus rustikalem Bruchstein: So hatte ein Eigenheim auszusehen, das kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs begonnen und 1940 fertiggestellt wurde – mit Luftschutzraum im Keller. Daraus ein helles, freundlich und offen wirkendes Heim für die Familie von heute machen? Christiane und Thiemo Ebbert waren sich nicht sicher, als sie 2014 das leer stehende Haus ansahen. „Wir hatten schon ein bisschen ein komisches Gefühl“, erinnert sich Thiemo Ebbert an den ersten Besuch. „Aber es gab schon damals in Bochum fast nichts.“ Und die kleinen Söhne Henri und Hannes meldeten wachsenden Raumbedarf an.
Also kauften die Ebberts, obwohl das düstere Ambiente sie in eine Zwickmühle brachte: Einerseits schrie es nach großen, den Haus-Charakter umstülpenden Veränderungen. Andererseits neigen die Psychologin und der Architekt im Beruf und aus Überzeugung zur Behutsamkeit. Thiemo Ebbert begründet das nüchtern-wirtschaftlich: „Was ich nicht wegwerfe, muss ich nicht neu kaufen.“ Aber gleich groß ist der ökologische Ehrgeiz: Material und die bei seiner Produktion aufgewendete „graue Energie“ sollten gespart, Müll sollte vermieden werden. Und auch im laufenden Betrieb des Hauses wollten sie Klima, Umwelt und Familienkasse schonen.
Kleine Eingriffe, große Wirkung
Zuerst analysierten sie das Gute und Bewahrenswerte am Haus. Davon gab es überraschend viel: Die hübsch-bunten, aber dünnen Bleiglasfenster konnten sie mit davor eingefügtem neuen Glas auf Energiespar-Standard umrüsten. Wände und Dach waren ziemlich in Ordnung; schon mit kleinen Eingriffen in Grundriss und Raumaufteilung ließen sich große Wirkungen erzielen. Im Hochparterre rissen die Ebberts die Wand zwischen Wohnzimmer und Küche ein. Speisekammer, Toilette und Minibad legten sie zu einem Bad mit zeitgemäßem Wohlfühl-Maß zusammen.
Im Dachboden erweiterte Thiemo Ebbert per Wandabriss das einstige Dienstmädchen-Kabuff zu einem großzügigen Büro mit Weitblick über die Hügel und Täler nördlich der Ruhr. In den Räumen darunter – auch mit weitem Blick und viel Licht – residieren Henri und Hannes, heute neun und sechs Jahre alt. Christiane Ebbert hat ein Heimbüro auf der anderen Dachseite.
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Zwischen gemütlich und modern
Der Kamin blieb erhalten, doch das Haus wurde mit modernster Energiespar-Technik ausgerüstet.
Holzdielen und andalusische Bodenfliesen
Ein Thema für sich waren die Fußböden. „Wir wollten unbedingt die Dielen erhalten.“ Nach Auffrischung wirken sie warm, hell, natürlich und bodenständig, und dafür nehmen die Ebberts gern den Verzicht auf eine Fußbodenheizung in Kauf. Nur im Erdgeschossflur waren sie unrettbar. Was die Ebberts sich hier leisteten, klingt im ersten Moment luxuriös, ist es aber im Internet-Zeitalter nicht mehr: andalusische Bodenfliesen nach eigener Konfiguration. Am Bildschirm suchten sie Kartenspiel-ähnliche Muster und Farben aus, die mit dem frischen Lack der alten Holztreppe harmonieren: Grau und Rot.
Im Beruf betreibt Thiemo Ebbert ein gemeinsames Büro mit dem Heppenheimer Energieberater Thomas Meinberg. Entsprechend groß war der Effizienz-Ehrgeiz. Das beginnt am Dach mit Solarkollektoren oben, die von der Straße aus wenig auffallen, und starker Dämmung darunter. Es reicht über die Wanddämmung mit Mineralwolle bis zum Keller mit Luft-Wasser-Wärmepumpe, Niedertemperaturkonvektoren und 300-Liter-Wärmespeicher. Dazwischen im Wohnzimmer vereint der Kamin die scheinbar widersprüchlichsten Elemente: Feuer und Wasser. Hier heizen die Ebberts einerseits mit Holz, andererseits ist im Kamin ein Pufferspeicher eingebaut, der warmes Wasser in das Heizungssystem einspeist. I-Tüpfelchen des Ganzen ist eine leistungsstarke Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, die im Winter die Wärme im Haus und die Kälte draußen hält. Thiemo Ebbert sagt über die Energiekosten des geräumigen Familienheims: „Heizung und Warmwasser kosten weniger als 800 Euro im Jahr.“
„Was ich nicht wegwerfe, muss ich nicht neu kaufen.“
So gemütlich das Heim, so verlockend ist der Weg nach draußen. Über die neu angebaute Terrasse vom Wohnzimmer und eine Küche erreichen die Kinder zum Toben den Garten. Wollen sie für sich sein, gehen sie in die frühere Garage im Nebenhäuschen, das ebenfalls mit einem Giebeldach gekrönt ist. „Da tut man nun alles, damit sie sich in ihren Zimmern wohlfühlen“, scherzt Thiemo Ebbert. „Und was machen die Kinder? Gehen zum Spielen in die Dachbude nebenan.“
Das Projekt in Stichworten
Projekt: Modernisierung eines 75-jährigen Einfamilienhauses
Lage: Bochum
Baujahr: 1940, Modernisierung ab 2014
Bauherr und Architekt: Thiemo Ebbert (G.R.E.E.N Architekten und Ingenieure)
Energieberater: Thomas Meinberg, Heppenheim
Wohnfläche: 185 Quadratmeter
Grundstück: 400 Quadratmeter
Qualitäten für die Bewohner: Geräumiges, helles und atmosphärisch angenehmes Einfamilienhaus mit wenig laufenden Kosten
Qualitäten für die Gesellschaft: Umweltschonung in Bau und Betrieb, Bewahrung des historischen Bilds
Energiesparen: Bewahrte Substanz, Dämmung, Wärmepumpe und -speicher, Solarkollektoren, Lüftung mit Wärmerückgewinnung
Auf KfW Stories veröffentlicht am: Freitag, 24. Mai 2019
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 7: Nachhaltige und moderne Energie für alle
Knapp 80 Prozent der weltweit erzeugten Energie stammt immer noch aus fossilen Energieträgern. Aus der Verbrennung fossiler Energieträger entstehen unter anderem Kosten für das Gesundheitssystem aufgrund der Luftbelastung und Kosten wegen Klimaschäden, die der Allgemeinheit und nicht nur den Verursachern schaden. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
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