Eine Baugemeinschaft entwickelte im eher tristen Hamburger Osten mit drei jungen Architekten ein lebendiges Stück Stadt aus individuellen, aber verwandten Häusern. Damit errangen sie den ersten Preis beim KfW Award Bauen 2020 in der Kategorie Neubau.
Video: Wie drei befreundete Architekten städtischen Wohnraum für mehr als 140 Menschen in Hamburg schufen. (KfW Bankengruppe/n-tv)
Damit ein Neubauviertel vital und bunt wird, überlassen weitblickende Stadtplaner heute nichts mehr dem Zufall. So schrieb die Stadt Hamburg auf dem Gelände der ehemaligen Klinik Finkenau, das sie zu einem Stadtquartier entwickelt, neben dem Fassadenmaterial Klinker und strengen Umweltstandards auch vor, dass mindestens drei Architekten die geplante, 145 Meter lange Häuserzeile unter sich aufteilen und als maximal acht Meter breite Stadthäuser gestalten.
Das war die Chance für die Architekten Oliver Otte, Jan Pietje Witt und Tobias Reinhardt, alle Ende 30. Sie waren weit herumgekommen und kannten schöne, wohnliche Stadthäuser. Auch wenn der Hamburger Osten mancherorts noch ein wenig schmuddelig ist – selbst dort gibt es schmucke Quartiere, von denen sie sich etwas abguckten.
Nachdem sich die drei Planer auf ein paar Regeln geeinigt hatten, entwarf jeder einen Bautyp, den sie dann in einem Wochenend-Workshop zu einer Zeile aus 22 Häusern zusammenpuzzelten. Sie holten noch die Beraterfirma Conplan ins Boot, die Baugemeinschaften organisiert, und bewarben sich mit ihrem Konzept sowie einem Preisvorschlag um das Grundstück – mit Erfolg: Die „StadtFinken“ erhielten unter mehr als 70 Bietern den Zuschlag. Bald waren auch passende Bauherren für das Vorhaben gefunden.
Bunte Mischung hinter „heiligen“ Fassaden
Nun begann die Detailarbeit. Grundrisse mussten auf Wünsche und Bedürfnisse abgestimmt, die Materialien ausgewählt werden. An den Fassaden wechseln schmale, violette Kolumba-Klinker mit roten, rauen Handstrichziegeln, jeweils im Kontrast zu einem weiteren Element: Naturstein, Beton oder schimmerndem Blech, was richtig edel wirkt.
Stattliche Erker und durchgehende Staffelgeschosse geben der Straßenfassade einen harmonischen Rhythmus. Hinten zum Garten, der auf der Schattenseite liegt, gibt es verschiedene Spielarten von hellem Putz, und auch die Fenster sind größer und freier angeordnet. Die Fassaden sind übrigens „heilig“, wie es einer der Planer ausdrückt, also Gemeinschaftseigentum, und dürfen nur verändert werden, wenn alle zustimmen.
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Die Fassade zur Gartenseite ist hell verputzt und konnte freier gestaltet werden als die zur Straße ausgerichtete Front. Die Fenster sind rückwärtig individueller angeordnet.
Dahinter geht es umso bunter zu: Bei Hausbreiten von 5 Metern, 6,50 und 8 Metern sowie vier Stockwerken waren die unterschiedlichsten Grundrisse möglich. Am Ende waren es 42 Wohnungen zwischen 80 und 210 Quadratmetern, darunter reine Reihenhäuser, gestapelte Maisonettes und zusätzlich kleine Einliegerwohnungen. Letztere zogen, da sie barrierefrei sind, Senioren an, die Einheiten mit Gärten hinterm Haus eher Familien mit Kindern.
So geriet die Baugemeinschaft zu einer vielfältigen Mischung aus Leuten, „eine sehr konstruktive, zielorientierte Gruppe“, wie Conplan-Moderator Jim Ulrici findet. Auch zwei der Architekten zogen mit ein. Vier Jahre Planen und Bauen haben sie zusammengeschweißt – Gemeinschaftsraum und Garten werden intensiv für Feste und Yoga genutzt. „Und wenn man etwas braucht, wird sofort geholfen“, loben die Planer.
Effizienzhäuser auf höchstem Niveau
Nicht zuletzt ist die Gruppe vorbildlich mobil und Energiepionier: In der Tiefgarage parken neben wenigen Autos die gemeinsam angeschafften Lastenräder. Für Heizung, Warmwasser und Strom sorgen die von sechzehn Erdsonden gespeiste Wärmepumpe, ein Biogas-Blockheizkraftwerk und die Photovoltaik auf dem Gründach, was in der Summe schon mehr Energie erzeugt, als die Häuser benötigen. Der Clou ist aber die Wärmerückgewinnung aus dem Abwasser. Oliver Otte stolz: „Die gibt es erst ein paar Mal in Deutschland.“
Dabei war den Planern wichtig, die ökologischen Qualitäten nicht plakativ zur Schau zu stellen. Sie wollten zum Beispiel keine Photovoltaikmodule an den Fassaden. Die drei sind überzeugt: „Ein Effizienzhaus plus muss keine Holzkiste sein. Wir wollen gute Architektur machen.“ Das ist ihnen gelungen.
Das Projekt in Stichworten
Projekt: 22 Stadthäuser in Hamburg-Uhlenhorst
Lage: 22081 Hamburg
Baujahr: 2019
Bauherren: Baugruppe StadtFinken
Architekten: Arge Mudlaff+Otte, Studio Witt, MoRe Architekten, alle Hamburg
TGA Planer: DES GmbH, Schwaan
Wohnfläche: 5.700 Quadratmeter
Grundstück: 5.110 Quadratmeter
Qualitäten für die Bewohner: Städtisches Wohnen mit Garten oder Terrasse in verlässlicher Nachbarschaft
Qualitäten für die Gesellschaft: Beitrag zu einem lebendigen neuen Stadtquartier auf ehemaliger Brache
Barrierearmut: Nur in Erdgeschosswohnungen und im Garten
Energiesparen: Wärmepumpe mit Erdsonden, Biogas-Blockheizkraftwerk, Wärmerückgewinnung aus Abwasser, Photovoltaik, zertifizierte Baustoffe
KfW-Förderung: Neubau EBS, KfW 40
KfW-Standard: Effizienzhaus 40
Auf KfW Stories veröffentlicht am 7. Juli 2020.
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 7: Nachhaltige und moderne Energie für alle
Knapp 80 Prozent der weltweit erzeugten Energie stammt immer noch aus fossilen Energieträgern. Aus der Verbrennung fossiler Energieträger entstehen unter anderem Kosten für das Gesundheitssystem aufgrund der Luftbelastung und Kosten wegen Klimaschäden, die der Allgemeinheit und nicht nur den Verursachern schaden. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
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