Hände auf E-Piano-Tastatur, auf dem Notenhalter steht ein iPad, auf dem Display sieht man eine Skoove-Lektion
Bildung

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Der virtuelle Klavierlehrer

Viele Menschen wollen Klavier spielen können, doch aus Geld- und Zeitmangel verwirklichen nur wenige ihren Traum. Zwei Entwickler aus Berlin haben darin eine Marktlücke erkannt. Ihre Web-Plattform Skoove bietet interaktive Klavierkurse an. Der Vorteil für die Nutzer: Das Online-Angebot ist zeitlich flexibel und preiswerter als ein realer Lehrer.

Zur Person
Porträtfoto des Skoove-Mitgründers Florian Plenge

Florian Plenge forschte als promovierter Physiker am Max-Planck-Institut an der Chaostheorie, bevor er in die computerbasierte Musikproduktion einstieg. Zusammen mit Stephan Schulz gründete er Skoove.

„Work Is Play“ – Arbeit ist Spiel – steht in großen Lettern auf der orangefarbenen Wand des Lofts, das sich Skoove mit einer Werbeagentur teilt. Das Start-up sitzt in Berlin-Kreuzberg, direkt an der Oberbaumbrücke. Aus den Fenstern des Besprechungsraums blickt man auf die Hochbahntrasse, über die die U1 rattert, auf die Spree und auf Baukräne, die in den Himmel ragen. Vor der Tür treffen sich abends die Clubgänger. Kurz: Skoove sitzt dort, wo in Berlin die Musik spielt. Das passt. Denn Skoove spielt mit Musik – es lehrt Musik.

„Skoove“ ist eine Wortschöpfung. Aus dem Wort „skill“ – für Können, Fähigkeit – und „groove“, das für Florian Plenge „das schönste Wort für Musik ist“. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Stephan Schulz hat Plenge eine interaktive Web-Lern-Plattform für Klavierkurse ins Leben gerufen. Aus den zwei Musikliebhabern wurden vielversprechende Firmengründer.

Kennengelernt haben sich die beiden Berliner bei Native Instruments, einem Unternehmen, das Software-Instrumente für elektronische Musik entwickelt und vermarktet. Gemeinsam bauten sie dort ab 2004 die DJ-Division auf. Schulz als Chef, Plenge als sein Mitarbeiter. Dabei kamen sie zuvor aus völlig anderen Bereichen: Schulz war gelernter Nachrichtentechniker und hatte als Manager und Berater bei Firmen wie Pricewaterhouse Coopers und MCI WorldCom gearbeitet. Plenge war promovierter Physiker und forschte am Max-Planck-Institut in Computerexperimenten an der Chaostheorie, bis ihm seine Arbeit zu trocken vorkam – zu weit weg vom Leben. Aber eines einte die beiden: ihre Leidenschaft für Musik und moderne Technologie.

Zur Person
Porträtfoto des Skoove-Mitgründers Stephan Schulz

Stephan Schulz ist gelernter Nachrichtentechniker und zweiter Skoove-Gründer. Er hat vor seinem Wechsel in die digitale Musikwelt als Manager und Berater gearbeitet.

Bei Native Instruments strickten sie mit an der „Disruption“, wie Wirtschaftler Umbrüche nennen, bei denen alte Technologien abgelöst werden – bei ihnen war es der Übergang von CD- und vinylbasierten DJ-Anlagen zu Mischpulten, die mit MP3 funktionieren. Unter ihrer Ägide entwickelte Native Instruments die weltweit führende DJ-Software „Traktor“. „Das war damals eine riesige Erfolgsgeschichte“, erzählt Stephan Schulz. Bis 2007 blieb er im Unternehmen, dann verließ er es, um ein eigenes zu gründen.

Florian Plenge übernahm die DJ-Abteilung, baute sie weiter aus, potenzierte den Umsatz, leitete später ein 80-köpfiges Marketing-Team auf drei Kontinenten – in Tokio, Los Angeles, Berlin – und bekam hautnah mit, wie das Unternehmen, das mit vier Leuten gestartet war, auf 400 Mitarbeiter anwuchs. Irgendwann dachte Plenge: „Ich will wieder zurück zum Ursprung: Produkte konzipieren. Mit Kunden sprechen und bauen, was auf dem Markt noch fehlt und Relevanz für viele Menschen hat.“

Also setzte er sich mit Stephan Schulz zusammen, zu dem er all die Jahre Kontakt gehalten hatte. Jener hatte in der Zwischenzeit „Raumfeld“ aus der Taufe gehoben, ein Multiroom-Wireless-Hifi-System, das es erlaubt, per Smartphone Musikgeräte in verschiedenen Räumen zu steuern. 2011 hatte Schulz die Firma erfolgreich verkauft. Nun war es an der Zeit, Neues zu wagen. Aber was? Die beiden wälzten Ideen.

Das Team von Skoove
Die „Klavierlehrer”

Gemeinsam mit ihrem 14-köpfigen Team (nicht alle im Bild) entwickeln Florian Plenge und Stephan Schulz die interaktiven Skoove-Klavierkurse ständig weiter.

Plenge hatte damals den Wunsch, Klavier spielen zu lernen. Außerdem war beiden – inspiriert vom Erfolg der Sprachlern-App Babbel – aufgefallen, dass das Lehrangebot für Musikinstrumente im Netz noch nicht gut gelöst war. So machten sie sich an die Recherche und entdeckten einen vielversprechenden Markt: „Laut Studien wollen über 60 Prozent der Menschen gern ein Instrument spielen, aber nur 15 Prozent machen diesen Wunsch auch wahr“, so Florian Plenge. Es klaffte eine Lücke zwischen Wollen und Tun. „Und die Hauptgründe dafür waren, dass der Unterricht zu teuer ist oder die Leute keine Zeit haben“, so Stephan Schulz. Und genau dies – sowohl das Problem der Kosten als auch der zeitlichen Flexibilität – ließ sich gut mit einem Online-Angebot lösen.

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Firmengeschichte

- gegründet 2014

- Firmensitz: Berlin

- Teamgröße: 14 Mitarbeiter

- Für Nutzer weltweit, die Klavier spielen lernen oder ihr Spiel verbessern wollen

- Angebotsumfang: zehn Kurse, mehr als 250 Klavierlektionen

- Ziele: Software kompatibel machen für weitere Endgeräte und andere Musikinstrumente, internationale Marktführerschaft bei Musik-Lern-Plattformen

Mehr über Skoove

Ihre Idee war geboren: „Wir bauen eine Musikplattform, die es Menschen ermöglicht, qualitativ hochwertigen, aber auch unterhaltsamen Musikunterricht zu bekommen.“ Und zwar: interaktiv. Denn ein Instrument zu spielen, lernt man nur, wenn der Lehrer auf den Schüler reagiert – und Feedback gibt. „Alles andere ist nicht effektiv und nicht motivierend, und beides war uns wichtig“, so Florian Plenge. Ein virtueller Lehrer musste her! Und eine Finanzierung.

Mit ihrer Geschäftsidee bewarben sie sich 2015 beim Programm des „Microsoft Ventures Accelerator“ und bekamen einen der begehrten Förderplätze. Die erste große Finanzierung kam anschließend vom High-Tech Gründerfonds (HTGF) – Deutschlands größtem Frühphaseninvestor, der innovative Technologie-Start-ups finanziert und aktiv bei der Umsetzung ihrer Geschäftsidee unterstützt. Der HTGF ist eine Public Private Partnership, zu deren Investoren das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, die KfW sowie 18 Wirtschaftskonzerne gehören.

In dem Vorhaben von Skoove sah der HTGF großes Potenzial: „Skoove hat von Anfang an einen internationalen Markt adressiert, und wir sind überzeugt, dass adaptives Online-Lernen von Musikinstrumenten genauso erfolgreich werden wird wie das Lernen von Sprachen online“, so Chiara Sommer, Senior Investment Managerin beim High-Tech Gründerfonds und verantwortlich für das Investment eines mittleren sechsstelligen Betrags in Skoove.

KfW Capital übernimmt

Skoove hat einen Investor gesucht und den High-Tech Gründerfonds (HTGF) gefunden. Der HTGF ist im Jahr 2005 von KfW, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und privaten Investoren gegründet worden, um Start-ups mit Eigenkapital auszustatten. Er verfügt über ein Fondsvolumen von 892,5 Millionen Euro. Mit dem Start seines operativen Geschäfts hat das neue KfW-Tochterunternehmen KfW Capital die Anteile des Mutterhauses am HTGF und weiteren Beteiligungen übernommen.

Stephan Schulz und Florian Plenge bauten ein Team auf und entwickelten gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut für Digitale Medientechnologie eine Software, die in der Lage ist, die vom Schüler gespielten Noten und Akkorde zu erkennen und eine direkte Rückmeldung darauf zu geben. „Dahinter steckt eine komplizierte Raketen-Technologie“, erklärt Florian Plenge, „die polyphon, also mehrstimmig, hören kann, was gespielt wird.“

Der Schüler stellt seinen Computer mit Online-Zugang oder neuerdings auch sein iPad aufs Klavier oder den Notenständer neben dem Keyboard, nimmt die Anleitungen des virtuellen Lehrers entgegen und spielt dann selbst, während die Software über das Mikrophon lauscht. Nun gibt der Lehrer ein Feedback. „Und zwar immer ein sehr motivierendes!“, sagt Stephan Schulz. Die Software passt das Lerntempo sogar an den jeweiligen Schüler an.

„Skoove hat nach unserer Einschätzung die technisch und didaktisch beste Lösung am Markt entwickelt“, sagt Chiara Sommer vom High-Tech Gründerfonds. Und auch die ersten Kunden bestätigen das. „Ihr habt mein Leben verändert“, schrieb einer, „ich wollte schon immer Klavier spielen lernen. Jetzt habe ich mich rangetraut und übe jeden Morgen eine halbe Stunde mit euch.“

Über solches Feedback freuen sich Florian Plenge und Stephan Schulz. Seit Ende 2015 ist ihr Angebot im Netz abrufbar, seit Anfang März 2017 funktioniert die App auch auf dem iPad. 1,5 Stunden pro Woche üben ihre Kunden im Schnitt. Über 200.000 Lektionen wurden online schon gespielt. Und weil der virtuelle Lehrer stets zuhört, können die Macher von Skoove die Resultate evaluieren und die Kurse fortlaufend optimieren.

KfW Research

Der Abwärtstrend bei Neugründungen ist auch in der Kreativwirtschaft prägend. Eine KfW-Research-Studie zeigt, welche Teilbereiche besonders betroffen sind.

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Mittlerweile wächst auch das Team an der Oberbaumbrücke. 14 Mitarbeiter gibt es bereits neben Florian Plenge, der den Bereich Marketing und Produkt betreut, und Stephan Schulz, der sich um alle anderen Bereiche kümmert. Zehn Leute sitzen in der Entwicklungsabteilung, darunter: Software-Entwickler, Klavierpädagogen, Interface-Designer, Qualitätsmanager, Datenbank-Experten. Das Team ist international: Die Mitarbeiter kommen aus Spanien, Frankreich, Italien, Griechenland, den Niederlanden und Deutschland.

Außerdem arbeitet Skoove bereits mit großen Partnern zusammen: Wer etwa bei Amazon ein Keyboard oder E-Piano kauft, bekommt auf allen englisch- und deutschsprachigen Märkten ein Skoove-Probeabo dazu. Auch mit dem Klavierhersteller Roland gibt es eine Kooperation: Den neuen Roland-Einsteigerpianos liegt ebenfalls ein Skoove-Probeabo bei.

Seit Ende 2016 steht auch die zweite Finanzierungsrunde, die den Machern von Skoove Luft für die nächsten Jahre gibt. Ihre Ziele? Die Software für weitere Endgeräte kompatibel machen – etwa Android, das iPhone, die Xbox. Noch internationaler werden. Und natürlich: weitere Musikinstrumente anbieten. Sieht ganz so aus, als säßen die neuesten Dirigenten eines gigantischen Online-Orchesters an der Oberbaumbrücke in Berlin-Kreuzberg.

Auf KfW Stories veröffentlicht am: Dienstag, 4. April 2017

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Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.