Das Social Cash Transfer Programme (SCTP) hilft dabei, die Grundbedürfnisse der ärmsten Familien in Malawi zu sichern. Die KfW beteiligt sich bereits seit zehn Jahren an dem Programm. Wie sich das Leben der Menschen dadurch verändert, zeigen drei eindrucksvolle Beispiele.
Nothilfe für die Ärmsten
Wie das Social Cash Transfer Programme in Malawi funktioniert und was es bewirkt (KfW Bankengruppe/Bauer/Dähne/Schuch).
Die malawische Großfamilie von Lonny Mtuwa lebte seit dem Tod ihres Ehemanns Anfang 2000 in großer Armut. Die Mutter von fünf Kindern sorgte allein für die Familie, zu der auch ihre pflegebedürftigen Eltern gehören. Zeit, einer bezahlten Arbeit nachzugehen, hatte Lonny Mtuwa nicht. Ihre Lage schien aussichtslos. Dann, acht Jahre nach dem Tod ihres Mannes, kam Besuch. „Der Vorsitzende des Social Cash Transfer Programmes besuchte uns zu Hause, um mir mitzuteilen, dass ich als Empfängerin ausgewählt worden sei. Als ich das hörte, war ich überglücklich, denn ich wusste, dass dies das Ende meines Elends war“, erinnert sich Lonny Mtuwa.
In dem südostafrikanischen Binnenstaat Malawi gilt ein Fünftel der Bevölkerung als extrem arm. Zehn Prozent der Bedürftigen sind überdies arbeitseingeschränkt: weil sie sich wie Lonny Mtuwa um Angehörige kümmern müssen, weil sie behindert, chronisch krank, zu alt oder noch zu jung sind. Für genau diese Bevölkerungsgruppe hat die malawische Regierung das SCTP entwickelt.
2006 ging das Programm als Pilotprojekt in einem Distrikt Malawis an den Start. Drei Jahre später begann die Unterstützung aus Deutschland – unter anderem über den Geschäftsbereich KfW Entwicklungsbank –, die es der malawischen Regierung ermöglichte, das Programm auszuweiten.
Prozess zur Ermittlung der Empfänger
Das SCTP sieht bedingungslose Bargeldtransferzahlungen an die zehn Prozent der Haushalte vor, die als besonders bedürftig gelten. Wie die Empfängergruppe ermittelt wird, erklärt KfW-Abteilungsdirektorin Bettina Tewinkel: „Es handelt sich um einen Prozess, der sich auf individuelle Datenerhebungen und formelbasierte Bewertung der einzelnen Aspekte stützt. Für die Erhebungen gehen SCTP-Mitarbeiter von Haus zu Haus.“ Berücksichtigt werden dabei unterschiedliche Kriterien: Welche Besitztümer gibt es, wie groß ist die Familie, wie hoch sind die Einkünfte? Die Gemeinden sichern die Entscheidungen ab.
Die Transferhöhen sind von der Regierung festgelegt und orientieren sich am Bedarf für zum Beispiel Lebensmittel oder Kleidung. „Je mehr Mitglieder der Haushalt hat, desto mehr Geld gibt es. Darüber hinaus sind Bonuszahlungen vorgesehen, je nachdem, wie viele Kinder der Familie schulpflichtig sind“, sagt Claudia Hirtbach, die das Projekt auf KfW-Seite ebenfalls betreut. Wenn sich an diesen Grundvoraussetzungen etwas ändert, weil beispielsweise ein Kind zur Welt kommt oder jemand verstirbt, wird das in die Datenbank eingegeben und bei der Transfersumme berücksichtigt.
Reparatur am Haus möglich
Die fünffache Mutter Lonny Mtuwa erhält zurzeit alle zwei Monate 14.000 Malawi-Kwacha für sich und ihre Familie. Umgerechnet sind das rund 17 Euro. „Mit einem solchen Betrag können zwar nicht alle Ausgaben des Haushalts gedeckt werden, aber er leistet einen ganz wichtigen Beitrag, um die Familie finanziell entscheidend zu unterstützen“, erklärt Tewinkel die Dimensionen.
Mtuwa verwendete das Geld unter anderem dafür, Arbeiter anzuheuern, die ihr einfaches Haus reparierten und den Garten bewirtschafteten. Den Rest sparte die heute 55-Jährige, bis das Polster groß genug war, um eine kleine Ziegenzucht aufzubauen. Nun kann sie selbst wirtschaften und ihren Lebensunterhalt auch längerfristig sichern. Und Mtuwa plant weiter. Sie möchte ein kleines Haus bauen, um es zu vermieten. Und ein Fahrrad kaufen, um leichter von A nach B zu kommen. „Ich schätze das Programm sehr, da es mir geholfen hat, ein Unternehmen zu gründen – das hat mein Leben vollkommen verändert“, resümiert Mtuwa zufrieden.
Begleitung auf dem Weg aus der Armut
Die Transferzahlungen sind zeitlich begrenzt: „Grundsätzlich ist vorgesehen, die ausgewählte Zielgruppe über vier Jahre zu unterstützen. Dann gibt es eine neue Gesamterhebung, um festzustellen, ob sich die Zielgruppe geändert hat“, erklärt Tewinkel. Erfahrungsgemäß wechselt die Zielgruppe nicht komplett, sondern ein großer Teil der Haushalte erhält die Unterstützung weiterhin. „Für Personen oder Familien, die aus dem Programm ausscheiden, wurde zudem eine Übergangslösung vereinbart. Sie erhalten neben zwei regulären Zahlungszyklen noch eine Abschlusszahlung in der Höhe der Transfersumme eines Jahres. Damit werden vor allem produktive Investitionen unterstützt, die die Familie in die Lage versetzen sollen, ihr Überleben eigenständig zu sichern“, sagt Hirtbach. In der Übergangsphase werden ausscheidenden Haushalten zudem Kontakte zu weiteren Programmen und Initiativen vermittelt, die sie dabei unterstützen, eigene Geschäftsideen zu verwirklichen.
Auf eine solche Chance, das eigene und das Überleben seiner Familie langfristig zu sichern, hatte Mose Steven gar nicht zu hoffen gewagt. Was der 20-Jährige mit Gelegenheitsjobs auf Baustellen verdiente, reichte nicht mal annähernd, um sich und seine fünf Geschwister zu versorgen. Steven leidet an Epilepsie; seine Krampfanfälle machen ihn nur bedingt arbeitsfähig.
Wie Lonny Mtuwa bezieht Mose Steven seit 2008 SCTP-Leistungen und kann davon nicht nur Nahrungsmittel und Kleidung kaufen, sondern auch seine Hühneraufzucht vorantreiben. Für ihn erst der Anfang:
„Ich werde die Geldtransfers nutzen, um mein erstes Haus zu bauen. Ich glaube, meine Geschwister und ich werden ein gutes Leben haben, wenn ich meinen Maisverkauf starte. Ich werde Mais kaufen und diesen auf dem Markt weiterverkaufen. Das ist der kleine Anfang für größere Geschäftspläne“, erklärt Steven voller Tatendrang. Sein Traum ist es, irgendwann ein großes Lebensmittelgeschäft zu besitzen.
Wie das Geld zum Empfänger gelangt
Viele arme Familien in Malawi besitzen kein Bankkonto. Deshalb mussten andere Wege gefunden werden, um die Transferleistungen an die Anspruchsberechtigten auszuzahlen. „Die Zahlungen werden alle zwei Monate an koordinierten Paypoints geleistet. Das sind festgelegte Plätze – zum Beispiel ein Dorfplatz oder vor einer Schule, wo die Begünstigten und die Mitarbeiter der Distriktverwaltung zusammenkommen“, erklärt Hirtbach den Ablauf. Koordiniert wird der Prozess über ein Management-Informationssystem – eine computergestützte Datenbank, in der alle Daten hinterlegt sind.
Die Empfänger haben eine „Identitätskarte“, die belegt, dass sie empfangsberechtigt sind. Die Karte enthält einen Barcode, den die Mitarbeiter der Distriktverwaltung vor Ort scannen. Das ermöglicht den direkten Zugriff auf das Datenset des betreffenden Haushalts. Dann weiß der Distriktmitarbeiter, wie viel die Person erhält, und das Geld wird bar ausgezahlt.
„Insgesamt handelt es sich um eine sehr aufwendige Veranstaltung – für beide Seiten. Die Distriktverwaltung kommt zum Paypoint, stellt dort einen Klapptisch und ihr aggregat-gestütztes IT-Equipment auf – man muss bedenken, dass in Malawi der Elektrifizierungsgrad extrem gering ist – und geht mit jedem Begünstigten den Prozess von der Identifikation bis zur Geldauszahlung durch“, macht Tewinkel die Herausforderungen deutlich. Die meisten Begünstigten legen die Wege zum Paypoint zu Fuß zurück – maximal fünf Kilometer sollen sie dabei auf sich nehmen müssen. Daher gibt es pro Distrikt mehrere Auszahlungspunkte. Wer die Strecke nicht mehr bewältigen kann, hat die Möglichkeit, einen alternativen Empfangsberechtigten auf seiner Identitätskarte vermerken zu lassen, der das Geld dann entgegennehmen darf.
Schuluniformen für die Kinder
Es ist den Anspruchsberechtigten freigestellt, wofür sie das Geld einsetzen. Tewinkel ist froh über diese Regelung: „Meist treffen die Menschen sehr vernünftige und rationale Entscheidungen, wie sie das Geld verwenden.“ Ein gutes Beispiel dafür ist Agness Kilowe. Als alleinerziehende Mutter von sieben Kindern lebte sie vor der Aufnahme in das Social Cash Transfer Programme in bitterer Armut. Ihre Kinder litten Hunger und konnten nicht zur Schule gehen, weil das Geld für die Schulkleidung fehlte.
Seit Kilowe in das staatliche Programm aufgenommen wurde, erhält sie wie Lonny Mtuwa alle zwei Monate umgerechnet 17 Euro. Zunächst kaufte sie von dem Geld alles, was ihre Kinder benötigten, um die Schule besuchen zu können: eine Uniform, Schuhe, Schreibmaterial. Auch Essen gibt es seither genug für alle. Dann baute Kilowe eine einfache Hütte – ihr ganzer Stolz – und kaufte Ziegen. Ihre künftigen Pläne: Eine weitere kleine Hütte bauen, um sie zu vermieten. Jetzt schaut die 43-Jährige viel positiver in die Zukunft als noch vor rund zehn Jahren: „Selbst wenn ich heute keine Gelder mehr erhalte, weiß ich, dass ich überleben kann, denn das Programm hat mir genug Kapital gegeben, um ein Unternehmen zu gründen, wodurch ich mich und meine Familie versorgen kann.“
Ein Programm mit weitreichender Wirkung
Externe Evaluierungen belegen, dass das Programm effektiv zur Armutsbekämpfung in Malawi beigetragen hat. Die anspruchsberechtigten Familien essen regelmäßiger, mehr Kinder gehen zur Schule und sie bleiben dort auch insgesamt länger. Die verbesserten Lebensbedingungen wirken sich auch auf das Sozialleben aus. Junge Mädchen in den Empfängerhaushalten sind in geringerem Maß dem Druck ausgesetzt, zur Aufbesserung des Haushaltseinkommens oder ihrer eigenen Versorgung sexuelle Leistungen zu erbringen; es gibt ebenfalls weniger frühe Schwangerschaften. Zudem verbesserte sich der allgemeine Gesundheitszustand, die Sterblichkeitsrate von Kindern unter fünf Jahren ist gesunken. Die Zahl der Haushalte mit Vermögenswerten wie Vieh oder Land hat sich erhöht, womit sich ihre wirtschaftliche Situation insgesamt verbessert hat.
Der Geschäftsbereich KfW Entwicklungsbank setzt das SCTP im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und der Europäischen Union (EU) in 14 der 28 Bezirke Malawis um und deckt damit rund 130.000 Haushalte mit mehr als 580.000 Personen ab. Neben den Finanzierungen der Transfers unterstützt die KfW die kontinuierliche Überprüfung und Verbesserung von Design, Verwaltung und Implementierung des SCTP. Dazu gehören die technische Ausstattung, Beratungsleistungen, der Aufbau von Kapazitäten und die Einführung von Software sowie ein umfassendes Management-Informationssystem. „Die Motivation ist sehr hoch, da wir mit diesem Vorhaben das Leben vieler Menschen signifikant verbessern können. Auch ihre Zukunftsaussichten werden dadurch besser. Im Kontext der Armutsbekämpfung ist das Programm sehr erfolgreich“, beschreibt Tewinkel den Ansporn der KfW, dieses Projekt mitzutragen.
Auf KfW Stories veröffentlicht am: Dienstag, 23. Juli 2019
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 1: Armut beenden
Rund elf Prozent der Weltbevölkerung leben in extremer Armut. Im Jahr 2015 waren es etwa 836 Millionen Menschen. Sie mussten mit weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag auskommen. Die Weltgemeinschaft hat es sich zum Ziel gesetzt, die extreme Armut bis 2030 komplett zu beenden. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
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