Die Corona-Krise hat einen starken Einfluss auf die weltweite Nachfrage nach Medizintechnik unter anderem auch aus Deutschland. Isabel Thywissen, Gesundheitsexpertin der KfW-Tochter DEG, spricht im Interview über Investitionschancen in Entwicklungs- und Schwellenländern und Fördermöglichkeiten für deutsche mittelständische Unternehmen.
Zur Person
Als Gesundheitsexpertin beschäftigt sich Isabel Thywissen bei der DEG mit Finanzierungsprojekten im Gesundheitswesen.
Der Gesundheitsmarkt wächst, speziell in Schwellenländern. Welche Länder oder Regionen boomen am stärksten?
ISABEL THYWISSEN: Generell kann man sagen, dass die Nachfrage nach Finanzierungen im Gesundheitsbereich überall stark wächst. Die Corona-Krise wirkt wie ein Beschleuniger für bereits vorher sich anbahnende Veränderungen im Gesundheitsbereich: Telemedizin, Digitalisierung in Krankenhäusern, Applikationen mit künstlicher Intelligenz sind einige davon. Die DEG begleitet beispielsweise Vorhaben in Südostasien, bei denen es um die Erweiterung und Modernisierung bestehender Krankenhäuser und die Nutzung digitaler Techniken geht.
Welche Produkte deutscher Unternehmen sind besonders gefragt?
Nachgefragt werden zurzeit besonders Produkte, die unmittelbar mit der Pandemie zu tun haben. Bei anderen Produkten konnten vorübergehende Umsatzeinbrüche festgestellt werden durch die Tatsache, dass Behandlungen verschoben wurden und entsprechend der Bedarf an Materialien und die Nutzung der medizintechnischen Geräte niedriger war. In Entwicklungs- und Schwellenländern sind zunehmend innovative Produkte von Interesse, vor allem in den Bereichen Medizintechnik, Pharmazie und digitale Techniken. So könnten Smartphones zur schnellen Prozessabwicklung in der Krankenhausorganisation eingesetzt werden oder Biosensoren, die zum Beispiel Muskelkontraktionen oder Temperaturschwankungen messen und an die Hardware melden. Die Krise bietet aber auch eine Chance: Bedingt durch den Umsatzrückgang bei Krankenhäusern und Diagnostikzentren zum Beispiel werden Leasingmodelle gegenüber dem Kauf von Geräten bevorzugt. Hier zeigen sich die deutschen Lieferanten flexibel und lösungsorientiert.
Wo sehen Sie die größten Chancen für mittelständische deutsche Firmen?
In der Medizintechnik ist Deutschland nach den USA bereits jetzt zweitgrößter Exporteur der Welt. Es gibt in Deutschland viele kleinere, hoch spezialisierte Unternehmen, deren Produkte weltweit anerkannt sind. Auch aus großen traditionellen Familienunternehmen kommen für den globalen Markt bedeutende Produkte und Dienstleistungen. Verunsicherungen gibt es heute bei kleinen und mittelständischen Betrieben, die sich nicht direkt mit der Lösung von Problemen aus dem Pandemieumfeld beschäftigen. Es zeigt sich jedoch, dass ohne Medizintechnik die Gesundheitsleistungen heute nicht zu erbringen sind. Eine der Erkenntnisse der Pandemie ist, dass die Medizintechnik ein verlässlicher Wachstumsmarkt ist, sowohl aus der Sicht der Umsätze wie der Beschäftigung. Mit Medizininformatikern und -ingenieuren kann Deutschland ebenfalls gut punkten.
Was sind Herausforderungen?
In den meisten Ländern ist der Medizinmarkt stark reguliert. In der Regel muss jedes medizinische Gerät zunächst behördlich registriert werden. So sorgt auch in der EU eine neue Medizinprodukteverordnung (EU-MDR) für Anpassungsbedarf im Sektor. Um langfristig eine erfolgreiche und nachhaltige Präsenz vor Ort zu sichern, ist unter anderem deshalb eine enge Zusammenarbeit mit lokalen Partnern sehr sinnvoll. In weniger entwickelten Ländern ist Wartungspersonal für technisch hoch entwickeltes Gerät nur schwierig zu finden. Auch hier unterstützt die Digitalisierung mit Fernwartung etc. die Kundenbetreuung. Weiterhin sind flexible Lösungen wie Kooperationen unter Herstellern für Wartung und Reparatur insbesondere in kleineren Märkten heute stärker vorhanden.
Wie kann die DEG Unternehmen auf dem Wachstumsmarkt Gesundheit unterstützen?
Neben unseren langfristigen Finanzierungen (sowohl Darlehen wie auch Beteiligungen), die deutsche Unternehmen nutzen können, um eine eigene Produktion in Schwellen- oder Entwicklungsländern aufzubauen, bieten wir deutschen Unternehmen qualifizierte Beratung und Kontakte im Rahmen unseres weltweiten Netzwerks. Unsere Außenbüros sind dafür ein wertvoller Schlüssel. Die DEG fördert auch Machbarkeitsstudien von deutschen Unternehmen, um ihnen den Eintritt in neue Märkte zu erleichtern. Und wir unterstützen auch deutsche Firmen, die vor Ort zunächst keine größeren Investitionen planen: Mit unseren German Desks in aktuell sechs Ländern sind wir zusammen mit lokalen Partnerbanken und AHKs erste Anlaufstelle für deutsche Unternehmen und ihre lokalen Handelspartner.
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 3: Gesundes Leben für alle
Gesundheit ist gleichzeitig Ziel, Voraussetzung und Ergebnis von nachhaltiger Entwicklung. Ihre Förderung ist ein Gebot der Menschlichkeit – sowohl in den Industrie- als auch in den Entwicklungsländern. Weltweit leben etwa 39 Prozent der Weltbevölkerung ohne Krankenversicherung, in einkommensarmen Ländern sind es sogar mehr als 90 Prozent. Immer noch sterben viele Menschen an Krankheiten, die bei richtiger Behandlung nicht tödlich verlaufen müssten oder mit Impfungen einfach zu verhindern wären. Mittels Stärkung der Gesundheitssysteme und insbesondere einer breiten Verfügbarkeit von Impfstoffen kann es uns gelingen, diese Krankheiten bis 2030 zurückzudrängen und sogar auszurotten. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
Veröffentlicht auf KfW Stories am 10. November 2020.
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