Peter Hilliges war vier Jahre lang Leiter des KfW-Büros Neu-Delhi, des mit 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern größten Auslandsbüros der KfW. In einem Interview berichtet er über seine Arbeit.
Herr Hilliges, wie kam es zu Ihrer Tätigkeit in Indien?
Das war eine Familienentscheidung. Meine Frau und ich stellten gemeinsam fest, dass es an der Zeit sei, einmal im Ausland tätig zu sein. Und da wir beide ein Faible für Indien haben, war es schön, dass es mit Neu-Delhi geklappt hat. Fraglich war allerdings, wie die Kinder unsere Entscheidung annehmen würden, doch beide – sie sind inzwischen 11 und 14 Jahre alt – erleben die internationale Erfahrung als Bereicherung.
Was sind die alltäglichen Herausforderungen, die Sie in Indien bewältigen müssen?
Das erste, was man lernen muss zu meistern, ist der Verkehr. Die Reisezeiten sind unberechenbar und erheblich. Auch das Klima ist gewöhnungsbedürftig. Im Winter ist es zu kalt, im Sommer zu heiß. Dann ist das Einkaufen zu nennen. In Deutschland ist man es gewohnt, in großen Märkten einzukaufen, die mehrere Bedürfnisse abdecken. Hier kauft man eine Sache nach der anderen. Im ersten Markt die Lampe, im zweiten Armaturen und im dritten Markt Holzprodukte. Alles einzeln abzuklappern ist logistisch nicht leicht. Mit den Menschen hier haben wir allerdings viel Spaß. Wir genießen die Lebendigkeit und den Umgang miteinander. Und das Exotische, das etwas andere, das da mitschwingt.
„Wir sind das ‚Gesicht‛ der KfW in Indien und die erste Anlaufstelle für unsere indischen Partner.“
Was sind die wesentlichen Aufgaben des KfW-Büros in Neu-Delhi?
Wir sind das ‚Gesicht‛ der KfW in Indien und die erste Anlaufstelle für unsere indischen Partner. Da ist vor allem der tägliche Austausch mit den Ministerien zu nennen. Auch gestalten wir die Zusammenarbeit mit der Deutschen Botschaft. So sind wir das Bindeglied zu den Projekten und pflegen die dafür notwendigen politischen Beziehungen.
Ihr Büro ist eines der ältesten der KfW-Auslandsbüros. Hat sich die Arbeit vor Ort seit der Gründung 1994 gewandelt?
Ja, denn zunächst war es ein reines Projektbüro mit einem Entsandten, einer Sekretärin und einem Fahrer. Überspitzt könnte man es als eine Art Poststelle bezeichnen. Das hat sich massiv verändert, denn die Präsenz vor Ort ist größer geworden und auch die Aufgaben haben zugenommen. Nicht umsonst benötigen wir in einem der größten Büros der Entwicklungsbank 15 Mitarbeiter, um diese zu bewältigen. Das Büro Indien liefert heute mehr Inhalte und bringt sich deutlich mehr in Diskussionen und in die politische Kommunikation ein.
Wie unterscheidet sich Ihre vormalige Tätigkeit von Ihrer Arbeit hier vor Ort?
Hier muss man viel spontaner sein, Aufgaben müssen oft sofort erledigt werden. Es erfordert viel Improvisationskunst, mit den indischen Partnern auf eine Kommunikationsebene zu gelangen. Dies gemeinsam mit einem prima Team zu meistern macht viel Spaß. Wir wollen aber nicht nur reagieren, sondern setzen auch Impulse. Wir starten Initiativen, greifen neue Themen auf und besuchen Konferenzen, auf denen wir Kontakte knüpfen. Das fällt hier vor Ort viel leichter.
Sehen Sie Unterschiede in der Art, wie man lokale Fachkräfte im Gegensatz zu Kolleginnen und Kollegen in Deutschland führt?
Die Mitarbeiter hier erwarten klare Ansagen und stärkere Begleitung der Prozesse. Ein KfW-Teamleiter in Deutschland kann mehr auf Selbstverantwortung setzen. Als Büroleiter ist man auch für Mitarbeiter aus unterstützenden Bereichen wir die Fahrer, die Rezeptionisten und die Reinigungskräfte zuständig. So hat unser Fahrer Krishna ein klares Verständnis von Hierarchie. Als sein Chef muss ich ihm sagen, wo es langgeht. Und da gibt es aus seiner Sicht auch nichts zu diskutieren. Das war ich anfangs nicht gewohnt, denn zuvor suchte ich mehr den Austausch und einen gemeinsamen Lösungsweg.
Welche Schwerpunkte setzt die Arbeit der KfW in Indien?
Die Hälfte unserer Arbeit fällt auf den Energiesektor. Viel Dynamik sehen wir auch im Thema Stadtentwicklung. Vor allem in den letzten zwei Jahren hat sich hier sowohl auf der indischen, als auch auf der deutschen Seite viel getan. Dementsprechend ist die Bereitschaft zur Zusammenarbeit und insbesondere die indische Nachfrage sehr groß. Beide Themen sind aber oft verknüpft, denn Stadtzentren sind Wirtschaftszentren, in ihnen ist der Energieverbrauch groß, die Fläche zur Energieerzeugung aber klein. Der Stromtransport über weite Strecken spielt hier also ebenso eine Rolle. Einen dritten Schwerpunkt setzen wir auf die Zusammenarbeit mit Banken. Indiens Finanzsektor ist noch in der Entwicklung begriffen und als Förderbank sind wir gut beraten, hier unseren Beitrag zu leisten.
Wie wichtig ist das Thema Energiewende in Indien?
Für Indien stellt es seit Jahrzehnten eine große Herausforderung dar, die Energiebedürfnisse der Wirtschaft und der heute 1,3 Milliarden Einwohner zu befriedigen. Die KfW begleitet das Land in diesem Bereich schon seit 50 Jahren. Lange standen dabei fossile Energien im Vordergrund. Die Verwendung der vorhandenen Kohle und der Import von Öl und Gas brachten aber eine wenig verlässliche Versorgung. Indien setzt nun verstärkt auf Energieeffizienz, um den Energiesektor zu stabilisieren. Auch regenerative Energien spielen nach dem Preisverfall für erneuerbare Energien nun eine größere Rolle. Die indische Energiewende hat auch eine außenpolitische Agenda, denn als wachsende Macht möchte sich das Land als fortschrittlich präsentieren. Mit unserer deutschen Energiewende als Vorbild haben wir hier ein hohes Ansehen und gelten als kompetent. Beides wollen wir mit unserer Arbeit vor Ort unterstreichen.
Quelle
In CHANCEN Herbst/Winter 2013 „Aufbruch“ ist ein Artikel über den Umzug der Familie Hilliges von Frankfurt nach Neu-Delhi erschienen.
Zur AusgabeWas wird Ihnen nach vier Jahren Indien besonders in Erinnerung bleiben?
Das wird wohl das Grundgefühl sein, willkommen zu sein. Ob beim Milchmann gegenüber vom KfW-Büro, bei meinem Abteilungsleiter im Finanzministerium oder beim Schaffner im Zug nach Ajmer – meistens gibt es ein Lächeln und Offenheit. Als Zweites denke ich an das nervenzerfetzende Warten auf die Zusage der indischen Verwaltung, während der eigene Bereichsleiter zur Vertragsunterschrift einschwebt und der deutsche Botschafter schon zur Pressekonferenz eingeladen hat. Und an die beschwichtigenden Worte des Kollegen im Ministerium: "This will be done, we still have one day". Das Gefühl der Erleichterung im Anschluss ist unbeschreiblich. Andere Leute machen Bungee-Jumping, ich mache Indien. Und als Drittes bleibt die Erinnerung an die großartige Truppe, mit der ich im KfW-Büro arbeiten durfte. Wir sind schon ein tolles Team.
Auf KfW Stories veröffentlicht am: Donnerstag, 6. Juli 2017
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 7: Nachhaltige und moderne Energie für alle
Knapp 80 Prozent der weltweit erzeugten Energie stammt immer noch aus fossilen Energieträgern. Aus der Verbrennung fossiler Energieträger entstehen unter anderem Kosten für das Gesundheitssystem aufgrund der Luftbelastung und Kosten wegen Klimaschäden, die der Allgemeinheit und nicht nur den Verursachern schaden. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
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