Spitzengespräch: Wirtschaftsminister Robert Habeck und KfW-Chef Stefan Wintels im großen Interview über die Folgen des Ukraine-Krieges, neue Prioritäten und die Rolle der KfW bei der Strategie der Bundesregierung.
Dr. Robert Habeck
ist seit Dezember 2021 der erste grüne Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz sowie Vizekanzler. Der promovierte Literaturwissenschaftler war Umweltminister in SchleswigHolstein und Schriftsteller.
Mehr erfahrenHerr Habeck, am 14. April haben Sie Menschen in Deutschland zum Energiesparen aufgerufen. Der Wetterbericht für Berlin lautete: „Stark bewölkt bis bedeckt, zeitweise Regen, Tiefstwerte 8 bis 6 Grad.“ Auf wieviel Grad hatten Sie Ihre Heizung eingestellt?
ROBERT HABECK Ich bin ohnehin eher ein Freund von kühlen Räumen. Und ich weiß, dass viele Menschen schon allein wegen der hohen Preise Energie sparen. Aber ich bitte jeden und jede zuschauen, wo vielleicht ein kleiner Beitrag möglich ist. Wenn man die Wohnung heizt und abends die Gardinen zuzieht, spart man bis zu fünf Prozent Energie. Und wenn man die Raumtemperatur um ein Grad senkt, sind es rund sechs Prozent. Wir können uns nur dann aus der Klammer russischer Importe befreien, wenn wir es als großes gemeinsames Projekt ansehen, an dem alle mitwirken. Und der günstigste und effizienteste Beitrag zu mehr Unabhängigkeit ist weniger Energieverbrauch. Wir haben daher vor einigen Wochen eine Energiesparkampagne gestartet, die zum Mitmachen einlädt.
Stefan Wintels
ist seit November 2021 Vorstandsvorsitzender der KfW Bankengruppe. Zuvor war er Deutschlandchef der Citigroup. Wintels ist leidenschaftlicher Fan von Werder Bremen und hat vier Kinder.
Mehr erfahrenHerr Wintels, sind Sie dem Rat von Herrn Habeck gefolgt?
STEFAN WINTELS Ich achte schon seit längerer Zeit auf einen sparsamen Umgang mit Ressourcen, nicht nur bei der Heizung. Nach Ausbruch des Krieges haben meine Frau und ich uns tatsächlich Gedanken gemacht, aber der Alltag mit vier Kindern sieht dann doch oft anders als geplant aus. Gleichwohl ist Energieeffizienz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und insofern ist auch ein Beitrag von jedem Einzelnen wichtig. Ich bin zudem überzeugt, dass der Krieg in der Ukraine am Ende zu einer beschleunigten nachhaltigen Transformation führen wird.
Wie lautet Ihre Strategie für diese Transformation, Herr Habeck?
HABECK Die Energieversorgung auf robustere Säulen zu stellen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien, eine beschleunigte Energiewende sind das A und O für eine günstige, unabhängige und sichere Energieversorgung. Wir haben in vergangenen Monaten mit allen Akteuren hart daran gearbeitet, uns Schritt für Schritt und Sparte für Sparte unabhängig von russischen Importen zu machen. Bei Kohle und Öl ist vieles geschafft, bei Gas sind die Dinge komplexer – hier liegt noch ein großes Stück Arbeit vor uns. Für den Übergang werden wir vor allem Flüssigerdgas aus anderen Weltregionen brauchen, und natürlich geht das nur mit der notwendigen Infrastruktur. Mit dem Bau schwimmender Flüssigerdgasterminals gehen wir deshalb einen wichtigen und notwendigen Schritt. Gleichzeitig denken wir aber auch die Anlandeinfrastruktur zum Import von grünem Wasserstoff und Ammoniak bereits mit und treiben den Hochlauf von Wasserstoff weiter voran. Gerade für die Transformation in der Industrie werden wir große Mengen an grünem Wasserstoff benötigen.
"Klimaneutralität und Friedens- u. Sicherheitspolitik müssen mehr denn je zusammen gedacht werden."
Warum gehen Sie nicht noch weiter und nutzen, wie Frankreich, die Atomkraft?
HABECK Wir haben gesagt, dass wir uns diese Frage vorurteilsfrei anschauen. Deshalb haben wir gemeinsam mit dem Umweltministerium diese Frage geprüft. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Verlängerung der Laufzeiten nur einen sehr begrenzten Beitrag leisten könnte – und dies zu sehr hohen wirtschaftlichen Kosten und mit verfassungsrechtlichen und sicherheitstechnischen Risiken. Daher gehen wir diesen Weg nicht.
Herr Wintels, wie unterstützt die KfW die Strategie der Bundesregierung?
WINTELS Wir haben unsere Förderung auf die Megatrends „Klima & Umwelt“ sowie „Digitalisierung & Innovation“ ausgerichtet, um die Wirtschaft und Gesellschaft bei der Transformation zu unterstützen und die Resilienz sowie Souveränität Deutschlands zu stärken. Konkret bedeutet das, dass wir etwa den Mittelstand, der eine zentrale Rolle für die Pariser Klimaziele spielt, mit gezielten Programmen dabei unterstützen, die Kriterien der EU- Taxonomie zu erfüllen. Parallel fördern wir – zum Beispiel mit dem Zukunftsfonds der Bundesregierung – innovative Technologieunternehmen, weil sie für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands essenziell sind. Letztlich tragen Innovationen auch zur Klimaneutralität bei, etwa im Bereich Kreislaufwirtschaft und Elektromobilität. Gleichzeitig leistet die KfW einen Beitrag, die Energie- und Versorgungssicherheit in Deutschland aufrechtzuerhalten. Dazu gehören die Förderung von erneuerbaren Energien und Energieeffizienz. Aber auch der Infrastruktur, die es uns erlaubt, Energiequellen zu diversifizieren. Deshalb beteiligt sich die KfW zum Beispiel am Bau des ersten deutschen LNG-Terminals in Brunsbüttel.
Gibt es auch Förderung gegen die steigenden Heizkosten?
WINTELS Im Grunde werden alle Maßnahmen gefördert, die Energieeffizienz im wohnwirtschaftlichen Bereich steigern – entweder von der KfW oder von unserem Partner BAFA. Dazu gehören auch Investitionen in erneuerbare Energien, die Privatpersonen erlauben, selbst Strom und Wärme zu produzieren. Die Förderung ist mehrfach optimiert worden, zuletzt mit der Einführung von BEG 2021. Bis dahin wurden mit der KfW-Förderung bereits mehr als sechs Millionen Wohneinheiten, also 15 Prozent aller Wohnungen in Deutschland, energetisch verbessert oder neu gebaut. Ab 2023 möchten wir gemeinsam mit der Bundesregierung ein neues Programm auf den Weg bringen, das sich noch stärker auf die Wirkung der Maßnahmen fokussiert und dabei den Lebenszyklus einer Immobilie berücksichtigt.
Herr Habeck, Sie sind angetreten, um erneuerbare Energien zu fördern und den Klimawandel zu stoppen. Nun geht es um Energiesicherheit. Fällt Ihnen der Kurswechsel schwer?
HABECK In Zeiten wie diesen sieht man, dass die Klimaneutralität und der Aufbau einer grünen Wirtschaft sowie Friedens- und Sicherheitspolitik mehr denn je zusammen gedacht werden müssen. Einen Kurswechsel sehe ich daher nicht: Klimaneutralität und erneuerbare Energien haben eine noch höhere Bedeutung. Wir müssen effizienter mit Energie umgehen. Wir müssen beim Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen wie noch nie. Wir richten Handelsbeziehungen neu aus. Der Krieg hat vieles, das dringlich war, nur noch dringlicher gemacht.
Warum ist ein Energieembargo gegen Russland keine Lösung, Herr Habeck?
HABECK Wir haben zielgerichtete Sanktionen gegen Russland verhängt, die die russische Wirtschaft hart treffen. Trotz der Brutalität des Krieges müssen wir unsere Entscheidungen aber immer wägen. Denn jede Sanktion, die wir ergreifen, wirkt nur dann, wenn wir diese auch durchhalten – und zwar nicht nur ein paar Tage oder Monate, sondern, wenn es erforderlich ist, auch ein paar Jahre. Ende Februar hätte ich noch gesagt, ein Energieembargo hält Deutschland kaum aus. Seither ist bei Öl und Kohle viel passiert. Gemeinsam mit der Wirtschaft haben wir die Abhängigkeiten von russischen Importen deutlich reduziert. Die Auswirkungen eines Embargos bei Kohle und Öl sind mit entsprechenden Übergängen handhabbar geworden. Aber natürlich bedeuten alle Sanktionen auch Kosten. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu.
Herr Wintels, Sie haben auf Ihrer ersten KfW-Pressekonferenz im Januar noch das Jahrzehnt der Entscheidung ausgerufen.Haben Sie Ihre Meinung inzwischen geändert?
WINTELS Ganz im Gegenteil! Ich habe dabei vor allem an die Bewältigung des Klimawandels und die nächsten Generationen gedacht. Das wird auch so bleiben. Eine weitere Dimension, die durch den Krieg in der Ukraine hinzugekommen ist, erhöht den Handlungsdruck, erneuerbare Energien noch stärker voranzutreiben – und das kommt kommenden Generationen zugute.
Herr Wintels, Herr Habeck, Sie sind beide neu im Amt. Welche Vorteile bringt dies aus Ihrer Sicht mit sich?
WINTELS Ich bin tatsächlich erst seit November 2021 im Amt. Ich bin sehr dankbar für das Vertrauen, das mir dabei entgegengebracht wird. Allerdings waren es bis heute auch sehr turbulente sieben Monate. Aus meiner Sicht ist der neue, unvoreingenommene Blick – auch in Zusammenspiel mit einer neuen Bundesregierung – von Vorteil. Und ich profitiere von meiner jahrelangen Erfahrung im Bankgeschäft: Am Ende muss man immer die Risiken abwägen und mit ihnen umgehen.
HABECK Herr Wintels und ich sind mit wenigen Wochen Abstand ins Amt gestartet. Ich habe das Amt des Bundeswirtschafts- und Klimaschutz ministers im Dezember 2021 übernommen – auch wenn es sich ehrlicherweise schon viel länger anfühlt. Aber wie gesagt: Vieles von dem, was wir im Bereich Erneuerbare oder Energieeffizienz vorhatten, ist jetzt nur noch dringlicher geworden.
Herr Habeck, sind die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft und unser Wohlstand momentan gefährdet?
HABECK Nach zwei Jahren Corona-Pandemie kommt durch den Krieg Russlands eine neue Belastung hinzu, die die Konjunktur und die Wirtschaft trifft. Der Krieg und seine wirtschaftlichen Auswirkungen erinnern uns daran, dass wir verwundbar sind. Gleichzeitig zeigen wir Woche für Woche in Europa, in der internationalen Staatengemeinschaft und in Deutschland, dass unsere Demokratien leistungs- und handlungsfähig und wir in der Lage sind, sehr schnell zu reagieren und entschlossen gegenzuhalten. Die Bundesregierung tut alles, um die Substanz unserer Wirtschaft auch in schwerer Zeit zu erhalten und uns zugleich aus der Klammer russischer Importe zu befreien.
Herr Wintels, wie gehen Sie damit um, dass Sie – anders als bei Ihrer vorherigen Tätigkeit – doch sehr von der Bundesregierung abhängig sind?
WINTELS Ich sehe hier eine einzigartige Chance, durch meine Erfahrung und mein Netzwerk persönlich einen Zukunftsbeitrag zu leisten. Dies Aufgabe und Verantwortung nehme ich mit großer Freude wahr. Von Anfang an hat mich die Begeisterung der KfWler für die Sache beeindruckt und mich in der Entscheidung bestärkt, zur KfW zu wechseln. Die Stärke der KfW Bankengruppe besteht unter anderem darin, dass die KfW als Förderinstitut im Markt zu Hause ist. Da profitieren wir von unseren gut positionierten Tochtergesellschaften: KfW IPEX-Bank, DEG und KfW Capital.
Wie sehen Sie denn die Rolle der KfW, Herr Habeck?
HABECK Bereits in unserem Koalitionsvertrag haben wir der KfW als Investitions- und Innovationsagentur der Bundesregierung eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der Zukunftsaufgaben zugeschrieben. Es gilt, die KfW neben der zügigen Umsetzung hochaktueller Programme – wie etwa dem KfW-Sonderprogramm für vom Ukraine-Krieg betroffene Unternehmen – in den kommenden Monaten und Jahren weiter als finanzstarke Förderbank zu positionieren – insbesondere auch bei den Themen Energiewende, Klimawandel, Digitalisierung oder Innovationsförderung.
"Die KfW kann nur dann einen wirkungsvollen Beitrag leisten, wenn sie sich selbst transformiert."
Herr Wintels, ist die Aufgabe zu groß für eine Förderbank?
WINTELS Die Entwicklungen der vergangenen Jahre zeigen, wie wichtig eine Förderbank ist: So war die Nachfrage nach den Hilfskrediten nach Ausbruch der Corona-Pandemie enorm hoch. Wir konnten mehr als 155.000 kleine und mittelständische Unternehmen in der Pandemie unterstützen und hierdurch Arbeitsplätze und Existenzen sichern. Die KfW wächst sehr selektiv und nur dort, wo es den politischen Auftrag gibt: etwa in den Bereichen Umwelt- und Klimaschutz, Digitalisierung, Innovation. Dafür ist die ergänzende Mobilisierung von privatem Kapital extrem wichtig – diese Hebelwirkung betrachten wir daher als eine unserer zentralen zukünftigen Aufgaben.
Herr Habeck, Sie haben vor Kurzem gesagt, erneuerbare Energien sind demokratischere Energien. Wie meinen Sie das?
HABECK Man kann es leicht zugespitzt so formulieren: Fossile Energien neigen immer dazu, Monopole zu schaffen. Ökonomische Monopole, aber auch politische Monopole. Sie müssen verteidigt werden. Erneuerbare Energien sind der Idee nach dazu geeignet, die Energieversorgung breiter aufzustellen und auch gesellschaftlich zu verankern. Man kann den Wind nicht klauen, die Sonne gehört niemandem. Das heißt also: Wenn wir es klug anstellen, schaffen wir mit der richtigen Energiepolitik mehr Sicherheit, mehr Souveränität und mehr Freiheit.
Herr Habeck, Sie waren in Katar, auch die KfW war dabei. Ist es eine Dauerlösung, dass wir aus einem Land Energie beziehen, das von Menschenrechten anders denkt als wir?
HABECK Je mehr erneuerbare Energie wir produzieren, desto weniger sind wir auf andere Länder angewiesen. Dennoch müssen wir uns, wenn wir unabhängig von russischen Energieimporten werden wollen, bei der Energieversorgung breit aufstellen. Dass man dafür auch mit schwierigen Ländern reden muss, gehört zur Ehrlichkeit dazu. In Katar sind Menschenrechte nach wie vor ein Thema. Zwar hat sich in den vergangenen Jahren – auch durch Druck von außen – einiges verändert. So hat Katar als erstes arabisches Land einen Mindestlohn eingeführt. Dennoch gibt es noch Problemfelder, und die sprechen wir auch offen und klar an.
Herr Wintels, Sie haben innerhalb der KfW auch eine Transformation angestoßen. Was passiert momentan und wie profitieren davon die Kunden?
WINTELS Die KfW kann nur dann einen wirkungsvollen Beitrag leisten, wenn sie sich selbst transformiert, Impulse aus Nachhaltigkeit und Digitalisierung aufnimmt und sich optimal aufstellt. Deshalb machen wir die KfW anpassungsfähiger und effizienter, das kommt auch unseren Kunden zugute. Die Lieferfähigkeit gegenüber der Politik bzw. Bundesregierung sowie die Wettbewerbsfähigkeit im Markt hat dabei höchste Priorität. Unseren Erfolg wollen wir künftig stärker an der Wirkung unserer Förderung und unserer Aktivitäten bemessen.
Herr Habeck, ein Blick in die Zukunft: Welche Vorteile erwarten uns in der Welt, die Sie anstreben?
HABECK Entscheidend wird es sein, den Wohlstand und die Freiheit unseres Landes zu sichern und mit dem Schutz der planetaren Grenzen in Einklang zu bringen. Natürlich wird es dabei Veränderungen geben: Windkraftanlagen, eine andere Form von Mobilität, der Umbau der Industrie. Ich bin jedoch überzeugt, dass darin große Chancen sowohl für unser Land als auch für die Gesellschaft liegen. Wenn wir jetzt die richtigen Entscheidungen fällen, dann werden neue industrielle Zweige und Arbeitsplätze entstehen. Wir können eine ganz neue Dynamik auslösen.
Veröffentlicht auf KfW Stories am 1. Juli 2022.
Datenschutzgrundsätze
Wenn Sie auf eines der Icons der hier aufgeführten klicken, werden Ihre persönlichen Daten an das ausgewählte Netzwerk übertragen.
Datenschutzhinweise