Batteriezellen sind für die Mobilität der Zukunft unerlässlich. Das schwedische Unternehmen Northvolt will der führende Batteriehersteller in Europa werden – mithilfe der KfW, die den Ausbau seiner Zellproduktion in Deutschland mitfinanziert. Am 25. März 2024 haben Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und KfW-Vorstandsvorsitzender Stefan Wintels den ersten Spatenstich für die neue GigaFactory in Heide/Schleswig-Holstein vorgenommen.
KfW Stories hat mit Emma Nehrenheim, Leiterin der Umweltabteilung bei Northvolt, ein Interview über die Batterieproduktion in Europa, die Beziehung zu Volkswagen und das Ende des Verbrennungsmotors geführt.
Frau Nehrenheim, Sie sind Chief Environmental Officer bei Northvolt – einem schwedischen Unternehmen, das vor sieben Jahren gegründet wurde. Was treibt die Gründer von Northvolt an?
Emma Nehrenheim: Northvolt wurde ursprünglich gegründet, weil für die Dekarbonisierung der Gesellschaft und insbesondere des Verkehrs die weltweite Batterieproduktion gesteigert werden muss. Die Mitbegründer von Northvolt, Peter Carlsson, heute CEO, und Paolo Cerruti, heute COO, erkannten jedoch schnell, dass sich der Produktionsprozess selbst ändern musste. Im Jahr 2016 fand praktisch die gesamte großvolumige Batterieproduktion in China, Südkorea und Japan statt. Das war mit hohen Umweltkosten verbunden. Northvolt will das ändern.
Carlsson und Cerruti verfügen beide über Start-up-Erfahrung bei Tesla. Ihr Ziel ist es nun, nicht nur der führende Hersteller in Europa zu werden, sondern auch die grünste Batterie der Welt zu bauen.
Das ist richtig. Northvolt wurde nicht nur gegründet, um eine neue Batterieindustrie in Europa aufzubauen. Wir wollen auch eine neue, nachhaltige Art der Batterieproduktion entwickeln. Nämlich eine, die massiv niedrigere Umweltkosten mit sich bringt, vor allem in Bezug auf den CO2-Fußabdruck.
Was macht Ihre Batterien sauberer und umweltfreundlicher als andere?
Um die grünste Batterie der Welt zu bauen, ist eine saubere Energiebasis für die Herstellung absolut notwendig. Aber das ist nur der Anfang. Wir haben dies sichergestellt, indem wir unser Werk Northvolt Ett mit 100 Prozent emissionsfreiem Strom versorgen, der größtenteils aus Wasserkraft in Nordschweden stammt. Allein dadurch wird sich der Kohlenstoff-Fußabdruck der Zellen um mehr als 50 Prozent verringern – im Vergleich zu einer Anlage, die beispielsweise über das südkoreanische Stromnetz versorgt wird. Dies wird sich massiv auf die gesamten Umweltfolgen der Umstellung auf Elektrofahrzeuge auswirken.
Sie haben gesagt, dass dies erst der Anfang ist. Was wird noch kommen?
Northvolts vertikale Integration der vorgelagerten Kathodenmaterialproduktion in den eigenen Betrieb bringt immense Vorteile mit sich: Wir haben dadurch eine bessere Kontrolle über die Zellleistung, können aber auch Entscheidungen über die Verfahrenstechnik und die Abfallbehandlung treffen. Dadurch können wir die Kohlenstoffbilanz und die Umweltbelastung reduzieren. Ein gutes Beispiel hierfür ist unsere Rückgewinnung und das Upcycling von Natriumsulfat aus der vorgelagerten Produktion – ein Salz, das normalerweise in Flüsse und Meere gespült wird. Hier gewinnen wir es zurück, reinigen es und liefern es an den Markt. Wir legen auch großen Wert auf die Herkunft der von uns verwendeten Rohstoffe, zum Beispiel Nickel, Mangan, Kobalt oder Lithium. So stellen wir sicher, dass die von uns verwendeten Materialien sowohl aus sozialer als auch aus ethischer Sicht nachhaltiger Quelle stammen. Außerdem haben wir in der Fabrik selbst stark in Prozesseffizienz und Technologien investiert. Vor allem, um die Rückgewinnung von Nebenprodukten wie Wärme, Energie, Chemikalien oder Materialien zu ermöglichen. Sie fließen bei uns wieder in die Produktion ein, anstatt verschwendet oder weggeworfen zu werden.
Spielt das Recycling von Batterien am Ende ihrer Lebensdauer auch eine Rolle?
Für uns ist eine Batterie nur dann eine grüne Batterie, wenn sie auch recycelt wird. Das bedeutet nicht nur, dass wir Batterien intern wiederverwenden, sondern auch, dass wir recyceltes Material direkt als Rohstoff für die Produktion neuer Batterien verwenden – somit müssen wir der Erde deutlich weniger frisches, neues Material entnehmen.
Was wollen Sie in zehn Jahren erreicht haben?
Bis 2030 will Northvolt eine Zellproduktionskapazität von 150 Gigawattstunden pro Jahr erreichen …
… was einem Marktanteil in Europa von 20 bis 25 Prozent entsprechen würde.
Gleichzeitig erwarten wir, dass wir mindestens 50 Prozent des gesamten Rohstoffbedarfs für neue Zellen aus wiederverwendeten Materialien beziehen, die durch den Ausbau unserer Recycling-Infrastruktur gewonnen werden. Wir beabsichtigen, führende europäische Automobilkunden mit den nachhaltigsten, sichersten und leistungsstärksten Zellen auf dem Markt zu beliefern.
Wofür können die Zellen sonst noch verwendet werden?
Zum Beispiel für die Energiespeicherung im Stromnetz, für industrielle Anwendungen und mehr. Bis 2030 wird der Übergang zu einer dekarbonisierten Industrie in vollem Gange sein. Northvolt wird diesen Übergang unterstützen. Überall dort, wo Batterien im Spiel sind, sollen Lösungen mit möglichst geringen Umweltauswirkungen zur Verfügung stehen.
Sie hatten mit Volkswagen in Salzgitter ein gemeinsames Werk für Lithium-Ionen-Batterien geplant – ein 50:50-Joint-Venture mit einer jährlichen Produktionskapazität von 40 Gigawattstunden. Jetzt entwickelt VW diese Anlage allein. Wie sieht die Beziehung zu Volkswagen aus?
Volkswagen ist einer der engsten Kunden und Partner von Northvolt. Zusätzlich zu seiner eigenen Fabrik in Salzgitter wird Volkswagen Zellen aus der Gigafactory Northvolt Ett in Skellefteå beziehen, die unser Hauptstandort für die vor- und nachgelagerte Zellproduktion und das Recycling ist.
Die Volkswagen AG hält 20 Prozent der Northvolt-Anteile. In Skellefteå werden nun hochwertige Batteriezellen mit hohem Nickelanteil produziert, die unter anderem von Volkswagen-Tochtergesellschaften verwendet werden.
Die Kapazität der Gigafactory Northvolt Ett wird zukünftig auf bis zu 60 Gigawattstunden pro Jahr erweitert – weit über das hinaus, was ursprünglich für das Werk geplant war. Dabei nutzen wir die hervorragende Energiebasis, die logistischen Möglichkeiten und die vorhandenen Ressourcen vor Ort. Dies liegt letztlich im Interesse unserer Kunden und von Northvolt selbst.
Volkswagen will zwei Drittel der 60 Gigawattstunden abnehmen, schätzen Experten. Sie sagen, dass die Kapazitäten schon seit Jahren ausgebucht sind.
Northvolt Ett wird nicht lange allein sein. Wir arbeiten aktiv an der Entwicklung von Plänen für die Gigafactory des Joint Ventures mit Volvo. Und es sind noch weitere erforderlich, um unser Ziel von 150 Gigawattstunden jährlicher Zellproduktionskapazität bis 2030 zu erreichen. In unmittelbarer Zukunft sehen wir den Beginn der Zellproduktion bei Northvolt Ett, und wir freuen uns darauf, dass die ersten Zellen Ende 2021 vom Band laufen. Für das nächste Jahr freue ich mich besonders auf die Entwicklungen in der Northvolt-eigenen Recyclinganlage Revolt.
Im Jahr 2022 soll auch Hydrovolt fertig sein. Was wird dort geschehen?
Hydrovolt ist unser Joint Venture mit dem norwegischen Aluminiumhersteller Norsk Hydro und eine Recyclinganlage, in der Altbatterien aus dem norwegischen Elektrofahrzeugmarkt gesammelt und recycelt werden. Auch hier in Schweden freuen wir uns darauf, Zellen aus recyceltem Material herzustellen.
Viele Länder haben das Jahr 2030 als das Ende des Verbrennungsmotors proklamiert. Wie sehen Sie Ihre Rolle in diesem Prozess?
Die Grundlagen dafür sind vorhanden. Der überwiegende Großteil der Automobilhersteller hat sich klar dazu verpflichtet, auf batteriebetriebene Elektrofahrzeuge als Standardoption umzusteigen. Es bleibt jedoch noch viel zu tun, um dies in die Tat umzusetzen. Dazu gehört sicherlich auch der Ausbau der Batterieproduktion in Europa.
Glauben Sie, dass wir bis 2030 die Wende geschafft haben werden – halten Sie das für realistisch?
Das Tempo der Umstellung wird immer höher. Aber es ist immer noch klar, dass auf allen Ebenen der Industrie und der Gesellschaft mehr getan werden muss. Wir sprechen hier von einer hochkomplexen Landschaft aus physischer Infrastruktur, öffentlicher Politik und anderen Akteuren. Es gibt viele Faktoren, an denen noch gearbeitet werden muss.
Veröffentlicht auf KfW Stories am: 10. November 2021, aktualisiert am 25. März 2024
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 8: Nachhaltiges Wirtschaftswachstum und menschenwürdige Arbeit für alle
Das Wirtschaftswachstum vergangener Jahrzehnte vollzog sich auf Kosten natürlicher Ressourcen und des Weltklimas und stößt längst an ökologische Grenzen. Es bräuchte mehrere Planeten Erde, um allen Menschen ein Leben zu ermöglichen, wie es heute in Deutschland selbstverständlich ist. Eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung bringt soziale, ökologische und wirtschaftliche Entwicklungsziele in Einklang. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
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