Etwa die Hälfte der kenianischen Bevölkerung lebt ohne Stromanschluss. Beim Ausbau der Energieversorgung setzt das Land verstärkt auf Geothermie, Wind und Sonne. Wir sprachen mit Michael Andres, Energieexperte der KfW, über Kenias Quantensprung vom Notstrom-Dieselaggregat zum Geothermiekraftwerk.
Innovative Energiepolitik
Warum Kenias Regierung auf regenerative Energien setzt (KfW Bankengruppe/photothek).
Herr Andres, Kenia ist ein Vorreiter in der Erzeugung erneuerbarer Energien in Afrika. Woran liegt das?
Das Potenzial des gesamten Kontinents an erneuerbaren Energien ist enorm. Kenia fehlen aber bedeutende Vorkommen an fossilen Brennstoffen, deshalb ist das Land gezwungen, nach Alternativen zu suchen: Bereits heute werden rund zwei Drittel des Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen gedeckt.
Reicht das, um die gesamte Bevölkerung mit Energie zu versorgen?
Leider nein. Etwa die Hälfte der Bevölkerung hat noch keinen Stromanschluss. Denn obwohl die Erzeugungskapazitäten seit 2010 um rund 60 Prozent ausgeweitet wurden, gibt es immer noch viele Ausfälle bei der Stromversorgung. Bedingt durch das starke Bevölkerungswachstum und die positive Wirtschaftsentwicklung ist der Ausbau der Stromversorgung in Kenia deshalb von zentraler Bedeutung.
Welche Strategie verfolgt die kenianische Regierung?
Während das Potenzial für Wasserkraft weitgehend erschlossen ist und aufgrund anhaltender Trockenperioden an Verlässlichkeit eingebüßt hat, setzt Kenia verstärkt auf Geothermie und auch auf Wind- und Sonnenenergie. Kenias Erdwärmepotenzial verteilt sich über knapp 23 Standorte und wird auf über 10.000 Megawatt geschätzt. Dies ist weit mehr als die derzeitige gesamte kenianische Stromerzeugungskapazität von 2.400 Megawatt.
Zur Person
Michael Andres verantwortet die Energieprojekte des Geschäftsbereichs KfW Entwicklungsbank in Kenia. Er arbeitet seit 2000 für die KfW im Bereich Internationale Finanzierung. Hier betreute er unter anderem kommerzielle Finanzierungen der KfW IPEX-Bank und Aktivitäten der KfW Entwicklungsbank im Energiesektor im Regionalbüro Kaukasus.
Welche Vorteile bietet Geothermie im Vergleich zu anderen Energieressourcen?
Die Geothermie ist nicht nur eine erneuerbare und nahezu CO₂-neutrale Technologie, sie ist auch weitgehend unabhängig von Jahreszeit und Klima. Der Ausbau der Geothermie ist zudem ein wichtiger Baustein für Kenias Anpassung an den Klimawandel, da es die Abhängigkeit von der Wasserkraft reduziert. Aufgrund der äquatorbedingten hohen Strahlungsintensität sehen Experten auch ein hohes Potenzial für Sonnenergie. Während bisher Photovoltaik hauptsächlich bei dezentralen, kleinteiligen Lösungen im privaten Bereich, sogenannte „Solar-Home-Systems“, eingesetzt wird, dürfte sich deren Anteil an der Stromerzeugung in den nächsten Jahren auf fünf bis zehn Prozent erhöhen.
Wie soll das Ziel erreicht werden?
Bis 2030 sollen 30 bis 50 Milliarden US-Dollar in Stromerzeugung, Übertragungskapazitäten und Stromanschlüsse investiert werden. Dadurch könnte der Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix auf 80 Prozent steigen. Um die knappen Haushaltsmittel Kenias zu schonen, wurde der Markt für private Stromerzeugungsgesellschaften geöffnet. Bisher hat die kenianische Regierung bereits mit elf privaten Stromerzeugern langfristige Abnahmeverträge abgeschlossen.
Tor zur Hölle
In dicken Wolken steigt aus Erdspalten der Dampf, der auch die Turbinen im Geothermie-Kraftwerk antreibt. Hells Gate – Tor zur Hölle – wird dieser Teil des Ostafrikanischen Grabens genannt. Hier, in Olkaria, dringt die Hitze des Erdinneren fast bis an die Oberfläche.
Ko-Finanzierung
Die KfW hat für die Erweiterung der Kraftwerke Olkaria I und IV 70 Millionen Euro bereitgestellt. Weitere 381 Millionen Euro kamen von der französischen Entwicklungsagentur AFD und der japanischen Entwicklungsgesellschaft JICA. KfW, JICA und AFD gehören zum Netzwerk der Entwicklungsbanken IDFC. Zu den weiteren Geldgebern für das eine Milliarde teure Projekt gehören die Weltbank und die Europäische Investitionsbank.
Welchen Anteil hat Deutschland an diesem Fortschritt?
Deutschland unterstützt den kenianischen Energiesektor bereits seit 20 Jahren. Die Bundesrepublik fördert vor allem den Bau von geothermischen Kraftwerken, inklusive der kostenintensiven und risikoreichen Probebohrungen, unter Einbindung des privaten Sektors. Insgesamt wurden Kenia über die KfW und die GIZ knapp 380 Millionen Euro für Energieprojekte zugesagt. Zusätzlich beteiligt sich die KfW über die Tochtergesellschaft DEG auch an Investitionen im Privatsektor, wie dem privat betriebenen Geothermiekraftwerk Olkaria III sowie dem Windpark Turkana. Durch die verbilligten und langfristigen Darlehen können die Finanzierungskosten deutlich gesenkt werden.
Kommt das auch beim Verbraucher an?
Allein das Geothermiekraftwerk Olkaria reduzierte die Stromerzeugung aus Notstrom-Dieselaggregaten so deutlich, dass sich für die Endverbraucher eine Strompreissenkung von etwa 24 Prozent ergab. Außerdem bekommen die Menschen jetzt zuverlässig Strom.
Wie reagiert die lokale Bevölkerung auf die Baumaßnahmen?
Bei solchen Projekten ist es extrem wichtig, dass die Lebensgrundlagen lokaler Gemeinschaften nicht beeinträchtigt beziehungweise Verluste durch angemessene Kompensation und gezielte Unterstützungsprogramme ausgeglichen werden. Am Bespiel von Olkaria lässt sich dies gut veranschaulichen: Der Bau erforderte die Umsiedlung von mehreren Massai-Gemeinschaften. Mit ihnen wurden dann gemeinsam Umsiedlungspläne entwickelt und umgesetzt. Am Ende haben sich die Lebensverhältnisse deutlich verbessert: Die Menschen leben in neuen Häusern mit erhöhter Wohnqualität, haben erstmals eine sichere Wasserversorgung und soziale Dienste direkt vor Ort.
Welche KfW-Projekte sind in Planung?
Neben der Entwicklung der Geothermie, wie der Erschließung des Geothermiefeldes in Baringo-Silali, werden wir Kenia beim Aufbau neuer Erzeugungskapazitäten aus der Windenergie unterstützen. Deren Erzeugungspotenzial wird auf knapp 5.000 Megawatt geschätzt. So ist mit Unterstützung Deutschlands der Windpark Meru geplant, der in mehreren Phasen eine Gesamtkapazität von 400 Megawatt bereitstellen soll.
Was kann die KfW über die Finanzierung hinaus bewirken?
Kenia strebt, wie andere Länder auch, nicht nur den Ausbau erneuerbarer Energien an, sondern plant auch aktiv in die Energieträger Kohle und Gas zu investieren. Andere afrikanische Länder wollen sogar in Atomkraft investieren. Durch die konsequente weitere Förderung von erneuerbaren Energien im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit können Deutschland und andere Geber ihren Beitrag leisten, den Anteil dieser Energieträger so gering wie möglich zu halten. Das Potenzial an erneuerbarer Energieerzeugung ist groß genug.
Auf KfW Stories veröffentlicht am 24. Januar 2018, aktualisiert am 1 Juli 2023
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 1: Armut beenden
Rund elf Prozent der Weltbevölkerung leben in extremer Armut. Im Jahr 2015 waren es etwa 836 Millionen Menschen. Sie mussten mit weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag auskommen. Die Weltgemeinschaft hat es sich zum Ziel gesetzt, die extreme Armut bis 2030 komplett zu beenden. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
Datenschutzgrundsätze
Wenn Sie auf eines der Icons der hier aufgeführten klicken, werden Ihre persönlichen Daten an das ausgewählte Netzwerk übertragen.
Datenschutzhinweise