Ein Kabel wird an die Batterie angeschlossen
Mobiles Stromsystem

Mobiles Stromsystem

Steckdose to go

Elektrische Geräte benötigen Strom. Doch wie kann er erzeugt werden, wenn keine Energiequelle in der Nähe ist? Jürgen Zinecker hat eine mobile Steckdose entwickelt: Der Arvey A1 liefert und speichert Strom unterwegs – mit der Kraft der Sonne.

Video: Zu Besuch bei Jürgen Zinecker, dem Entwickler der mobilen Steckdose ARVEY (KfW Bankengruppe/n-tv).

Jürgen Zinecker, Gründer von AXSOL, parkt sein Auto am Rande eines Feldweges. Weit und breit gibt es hier nur Äcker und viel freien Himmel. Er schaut sich um: „Im Haus haben wir ja immer Strom, aber hier draußen sind wir aufgeschmissen.“

Dann holt er ARVEY aus dem Kofferraum. Das Gerät aus Stahl und Aluminium ist so groß wie zwei Schuhkartons, und dank eines Edelstahl-Henkels und nur elf Kilo Gewicht gut zu tragen. Das dazugehörige Solarpanel aus Kunststoff ist so dünn wie eine Yogamatte. Es haftet magnetisch auf dem Autodach und kann mithilfe der Sonnenstrahlung 50 Watt erzeugen. Ein robustes Kabel verbindet das Panel mit ARVEY. Zinecker hat ARVEY erfunden, um draußen Strom zu haben.

ARVEY hat mehrere Zugänge. Der Stecker eines Fernsehers kann hier ebenso angeschlossen werden wie ein USB-Stick. Natürlich kann ARVEY auch Mobiltelefone aufladen. Zinecker führt vor, dass man parallel auch eine Bohrmaschine laufen lassen kann.

Lächelnde Personen auf dem Gruppenfoto

Entstanden ist die Idee für ARVEY in der Garage des Gründers. Inzwischen ist das Team gewachsen.

Die Not in Westafrika machte Zinecker erfinderisch

Was einfach klingt, hat eine lange Entwicklung hinter sich. Dabei kam Jürgen Zinecker seine Erfahrung zugute. Der Vermessungstechniker leitete viele Jahre die Geschäftsentwicklung eines führenden Navigationsgeräteherstellers, war Managementberater in der Maschinenbauindustrie und Geschäftsführer eines Softwareherstellers. 2012 gründet er sein Unternehmen AXSOL in Würzburg. Hier will er neue Technologien im Sektor Erneuerbare Energien zur Marktreife bringen. ARVEY war das erste Produkt des Unternehmens.

Alles beginnt 2014 während der Ebola-Krise in Westafrika. Ein Freund Zineckers liefert zu dieser Zeit Sterilisationsgeräte an Hilfsorganisationen, sogenannteAutoklaven. Er berichtet von den Schwierigkeiten vor Ort: Im Stromnetz gibt es immer wieder Ausfälle von wenigen Sekunden. Dadurch schalten sich die Autoklaven ab und medizinische Geräte können nicht sterilisiert werden.

Jürgen Zinecker macht sich auf die Suche nach Alternativen und stellt fest: Es gibt keine. Das weckt seinen Erfindergeist. Er will ein Gerät konzipieren, das eine eigene, konstante Stromzufuhr mit Hilfe von Fotovoltaik liefert, also die direkte Umwandlung von Sonnenlicht in elektrische Energie ermöglicht. Die Garage wird zum Versuchslabor für das kleine Team. Autobatterien stapeln sich neben Solarpanelen, Kabeln und Schrauben. Nach einigen Wochen wird das 60 Kilogramm schwere System auf einen maßgeschneiderten Trolley geschnallt und nach Afrika verschifft. „Als ich erfuhr, dass alles prima funktionierte, wusste ich: Das ist eine heiße Spur!“, erinnert sich Zinecker. „Ich konnte mir so viele Anwendungsmöglichkeiten vorstellen.“

Ein Mitarbeiter werkelt an der Batterie

Die Herstellung erfolgt in Thüringen, hier ist der Hauptsitz des Unternehmens.

Vom Prototyp zur Serienreife

Nun konzentriert er sich ganz auf die Weiterentwicklung des Systems und stellt zusätzliche Mitarbeiter ein. Für ein marktfähiges Produkt musste der Prototyp zunächst sehr viel kleiner und leichter werden. Um wie viel genau, erfährt Jürgen Zinecker vom OBI-Chefeinkäufer: „Rund zehn Kilo darf es höchstens wiegen, damit man es aus einem Regal heben kann. Außerdem soll es in den Einkaufswagen passen und 80 Prozent aller Geräte, die in einem Baumarkt zu kaufen sind, betreiben können“.

Diese Herausforderung spornt den Gründer an. Aber er muss zunächst viele Rückschläge einstecken. In ganz Deutschland sucht er nach den geeigneten Batterien. Erst im Ausland wird er fündig und konfiguriert das Material für seine Zwecke. Da die Solarpanele eine große Menge Strom erzeugen sollen, muss auch die Technik im Innenleben von ARVEY entsprechend stabil sein. Die Dicke der Kabel, die Systemspannung, die Batteriechemie – das Zusammenspiel und die Konfiguration dieser Komponenten ist anspruchsvoll. Auch muss alles nach deutschen Normen zertifiziert sein. Ein sinnvolles, aber teures Verfahren, das bei jeder Änderung wiederholt werden muss, zum Beispiel beim Einbau einer leistungsfähigeren Spule.

Im Herbst 2016, das Gehäuse ist fast fertig, explodiert ein Handy in einem Flugzeug. Könnte das auch ARVEY passieren? Statiker werden hinzugezogen. Sie konstruieren eine Hülle, über die ein Auto fahren kann und die einen Sturz ohne Verformung übersteht. Die Benachrichtigung des Prüflabors über den erfolgreichen Falltest hängt auch heute noch an der Wand im Büro. Im Frühjahr 2017 sind endlich alle Zertifizierungen abgeschlossen. ARVEY ist serienreif.

Mitarbeiter arbeiten an der geöffneten Batterie

Das Innere des Apparats gleicht einem Orchester, alle Komponenten müssen perfekt zusammenspielen.

Die Finanzierung wird zur Geduldsprobe

Als Tüftler hat Jürgen Zinecker einen langen Atem. Auch als Gründer brauchte er viel Geduld: „Es ist schwer, Innovationen zu finanzieren, die nicht digital sind. Da fehlt in unserer Kultur auch ein wenig die Bereitschaft zum Risiko. Es gibt jede Menge Regeln und wer scheitert, verliert oft alles. Ich habe bestimmt mit hundert Interessenten gesprochen, die meiner Erfindung großes Potenzial bescheinigt haben. Aber die Finanzierung auf die Füße zu stellen, hat genauso lange gedauert wie die Entwicklung des Geräts.“

Alles ändert sich, als der passionierte Jäger bei seinem Hobby den Bürgermeister von Bleicherode aus Thüringen kennenlernt. Dieser ist überrascht, dass Zinecker mit ARVEY eine Heizmatte im Hochsitz betreibt, Licht und gekühltes Bier in der Jagdhütte hat. Er teilt die Begeisterung für die Erfindung aus Würzburg und unterstützt das Unternehmen. Die Beteiligungsgesellschaft des Landes finanziert das Vorhaben.

„Es ist schwer, Innovationen zu finanzieren. Und wer scheitert, verliert oft alles.“

Jürgen Zinecker, Gründer

Mit der Hilfe für Afrika fing alles an. AXSOL beliefert weiterhin Entwicklungsländer mit dem kleinen Bruder von ARVEY. Diese Version nutzt als Speicher eine Autobatterie, da sie vor Ort leichter zu beschaffen ist. Der Solargenerator liefert in Flüchtlingscamps Strom, in Äthiopien und Indien hilft er den Menschen beim Aufbau von Mikro-Business. Jürgen Zinecker und seine Mitarbeiter erzählen auf Messen davon. So kommen sie ins Gespräch mit humanitären Hilfsorganisationen, das Interesse ist groß. ARVEY kann für Licht bei Bergungsarbeiten in Katastrophengebieten sorgen, Blutkonserven kühl halten und die Akkus der Funkgeräte aufladen. Für 2.400 Euro inklusive Solarpanel kann die Erfindung in Zukunft selbstverständlicher Bestandteil der mobilen Energienutzung werden.

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Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.

Auf KfW Stories veröffentlicht am 25. Januar 2018, aktualisiert am 10. Februar 2021.