Das NordLink-Kabel verbindet seit 2021 erstmals den deutschen und den norwegischen Energiemarkt direkt miteinander. Ausgetauscht werden Windkraft und Wasserkraft – um Versorgungssicherheit, stabile Preise und einen höheren Anteil erneuerbarer Energien im Strommix zu gewährleisten.
Auf gut 900 Metern Höhe im südnorwegischen Granitmassiv hält der Svartevatn-Staudamm gewaltige Wassermassen. Auf den ersten Blick liegen die 1,4 Milliarden Kubikmeter ruhig und glatt hinter dem spektakulären Bauwerk, das aus mehr Steinen errichtet worden sein soll als die ägyptische Cheopspyramide. Beim näheren Hinsehen jedoch ist an einer Stelle in der Nähe des Ufers ein Sog zu erkennen, unter dem das Wasser in die Tiefe rauscht. Das ist der Beginn einer über 75 Kilometer langen und über 850 Höhenmeter reichenden Kaskadenreihe aus Reservoirs, die durch unterirdische Pipelines verbunden sind. Das Ziel dieses Netzwerks: das Sira-Kvina-Kraftwerk in der Gemeinde Tonstad.
Die Anlage, Ende der Sechzigerjahre tief in den Fels gehauen und nach und nach mit vier Turbinen ausgerüstet, hat mit 3,9 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr den größten Output an Wasserkraft in ganz Norwegen. Hier wird grüner Strom erzeugt, der seit über einem Jahr nun auch ins deutsche Stromnetz fließt. Um den Transport von gewaltigen 1.400 Megawatt – damit können mehr als 3,6 Millionen Haushalte versorgt werden – durchs Meer bis nach Norddeutschland zu gewährleisten, wurde wenige Hundert Meter oberhalb des Wasserkraftwerks von Tonstad auf einer Gebirgsebene ein neues Umspannwerk errichtet. Es ist Teil eines der wichtigsten Stromdrehkreuze Europas. Von dort wird aus Wasserkraft gewonnene Energie bereits seit Jahren nach Dänemark oder in die Niederlande geschickt. Im Frühjahr 2021 wurde die damals größte Leitung fertiggestellt: NordLink, das „grüne“ Kabel zwischen Norwegen und Deutschland.
Stationen der NordLink-Reise
Svartevatn-Staudamm
Nicht selten ist auf Höhe des Svartevatn-Damms schon oder noch Winter, während es unten im Tal überall grünt.
Strommix wird nachhaltiger
Zur Finanzierung des gut 1,7 Milliarden Euro schweren Herkulesprojekts, mit dem die Norweger Wasserkraft nach Deutschland und die Deutschen Windkraft nach Norwegen schicken können, ist die KfW – vertreten von der KfW IPEX-Bank – als Investor im Verbund mit den beiden anderen Projektpartnern TenneT und Statnett mit eingestiegen.
„Die Beteiligung der KfW ist ein klares Bekenntnis zum Klima- und Umweltschutz – mit dem durch das Kabel möglichen Tausch von Elektrizität aus Wind- und Wasserkraft schaffen wir Versorgungssicherheit und erhöhen den Anteil erneuerbarer Energien im Strommix. Wir sind stolz, dabei zu sein und NordLink von der Planung bis zur Inbetriebnahme begleitet zu haben“, sagt Velibor Marjanovic, Mitglied der Geschäftsführung der KfW IPEX-Bank. Vor rund einem Jahr wurde NordLink im Beisein der damaligen Kanzlerin Angela Merkel und der damaligen norwegischen Ministerpräsidentin Erna Solberg offiziell in Betrieb genommen.
Angestoßen wurde es vor etwa elf Jahren.„Damals hatten wir hier in Norwegen eine kritische Situation“, sagt Stein Håvard Auno, der damalige Projektleiter für NordLink beim staatlichen Netzbetreiber Statnett.„Es hatte im Herbst kaum Niederschlag gegeben, im Winter waren die Stauseen fast leer. Wir mussten Kohle- und Atomstrom importieren, wodurch die Energiepreise nach oben gingen. Für Norwegen ist NordLink also mit Blick auf die Energiesicherheit wichtig. Auch in trockenen Jahreszeiten können wir so unsere Strompreise stabil halten. Und da NordLink ein grünes Kabel ist, werden wir gleichzeitig in unserem Strommix nachhaltiger. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag für die Energiewende in Europa.“
Versorgungssicherheit, stabile Preise, Beschleunigung der Energiewende – der Dreiklang gilt auch am anderen Ende des 623 Kilometer langen Doppels aus Pluspol- und Minuspolkabel. Das Pendant zum Umspannwerk in Tonstad liegt im schleswig-holsteinischen Nortorf bei Wilster. Von ABB hergestellte Konverter, die den gewonnenen Wechselstrom für den Transport durchs Kabel in verlustarmen Gleichstrom umwandeln, um ihn am Ende wieder in Wechselstrom zu ändern, sind die Herzstücke der beiden Umspannwerke, die zu den leistungsfähigsten der Welt gehören. Wie kostbare Heiligtümer schweben die an Stahlseilen aufgehängten silbernen Ventile rund drei Meter über dem Boden der Umrichterhallen. In ihnen steckt die neueste Generation einer Technologie, die Experten mit VSC-HVDC abkürzen: Hochspannungsgleichstromübertragung in selbstgeführten Stromrichtern.
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Schlüssel für eine erfolgreiche Energiewende
Das Stromnetz auf deutscher Seite betreut der niederländisch-deutsche Stromnetzbetreiber TenneT. „NordLink verbindet zwei sich optimal ergänzende erneuerbare Energiequellen“, sagt Gunnar Spengel, der damals das Projekt leitete. „Je nach Marktlage können Überschüsse an Windenergie nach Norwegen exportiert sowie bei Flaute in Deutschland Wasserkraft aus Norwegen importiert werden. NordLink trägt somit zur gegenseitigen Versorgungssicherheit bei.“ Allerdings, so Spengel, werde die Flussrichtung des Stroms maßgeblich vom Strommarkt bestimmt. Zu erwarten sei, dass derjenige exportiert, der gerade den günstigeren Preis anbietet. Der bisherige Betrieb zeige, dass der Strom im Jahresdurchschnitt zu etwa einem Viertel von Deutschland nach Norwegen transportiert werde und zu drei Vierteln in die umgekehrte Richtung.
In welche Richtung gerade wie viel Strom fließt, können die Leute von TenneT in der Leitwarte in Lehrte bei Hannover ablesen. Von dort wird das gesamte deutsche TenneT-Stromnetz gesteuert, wobei die Energieflüsse im Normalbetrieb weitgehend automatisiert ablaufen. Ob nun norwegischer Strom, der durch das NordLink-Kabel nach Deutschland gekommen ist, am Ende in Hamburg, Frankfurt oder Dresden genutzt wird, lässt sich selbst von Lehrte aus nicht identifizieren. Kurz nach der sekundenschnellen Ankunft in Nortorf verliert sich die aus dem herabstürzenden Wasser Norwegens gewonnene Energie in den Weiten des deutschen Stromnetzes. Genauso gilt umgekehrt: Welche der rund 30.000 deutschen Windkraftanlagen nun genau Strom für Norwegen produziert hat, lässt sich nicht spezifizieren.
Technisch möglich wird der Austausch durch ein Kabel der besonderen Art. Das 13 Zentimeter dicke und pro Meter 50 Kilogramm schwere Verbindungsstück besteht aus maßgeschneiderten Komponenten, die es besonders robust und leitfähig machen. Der Strom fließt durch einen massiven Kupferkern. Dieser wird isoliert und geschützt von einer breiten Schicht aus ölgetränktem Papier, dazu kommen Mäntel aus Stahldrähten und diversen Kunststoffen. Das Kabel stammt aus den Hallen zweier Unternehmen. Das französische Nexans produzierte in Norwegen und verlegte den norwegischen NordLink-Teil, die dänische NKT steuerte aus ihrem Werk im südschwedischen Karlskrona die Kabel für die deutsche Seite bei.
516 Kilometer Kabel wurden in der Nordsee verlegt, Teile davon durchs Wattenmeer.
Zukunftsprojekt erfüllt Belegschaft mit Stolz
„Es war zwar eine Menge Druck auf dem Projekt, weil wir in diesen Dimensionen manches zum ersten Mal machten und viel Aufmerksamkeit da war“, sagt Gerd-Wolf Balk, damals Senior Vice President bei NKT. „Aber ich verspürte das gute Gefühl, an einem Zukunftsprojekt mitzuarbeiten, an einer neuen Generation von Energie und Energieübertragung. Außerdem sind unsere Kabel Symbol dafür, dass die Zukunft nur gemeinsam funktioniert.“
850 Menschen arbeiten bei NKT in Karlskrona, die Hälfte von ihnen in der Kabelproduktion. Pro Arbeitsschicht waren 25 Mann mit der rund um die Uhr laufenden Fertigung der NordLink-Kabel befasst. Von Sommer 2016 bis Februar 2019 wurden 208 Kilometer des masseimprägnierten 525-Kilovolt-Kabels produziert. 54 Kilometer davon liegen in Norddeutschland unter der Erde, 154 Kilometer ruhen in deutschen Hoheitsgewässern, Nexans verlegte weitere 362 Kilometer im dänischen und norwegischen Teil der Nordsee. Landseitig kamen in Norwegen noch 53 Kilometer Gleichstrom-Freileitung hinzu.
Die deutsche Landstrecke verlangte vom NKT-Management umfangreichere Genehmigungsanforderungen als die Seestrecke. Während in Schleswig-Holstein zwischen der Anlandung in Büsum und dem Umspannwerk in Nortorf Interessen von weit mehr als 100 Betroffenen berücksichtigt sowie zahlreiche Behörden konsultiert werden mussten, brauchte es für die Seestrecke, wo Umweltauflagen zu erfüllen waren, eine einzige Erlaubnis.
Dafür war das Unterwasserkabel etwas schwieriger zu verlegen. Wurde die norwegische Hochseestrecke vom Spezialschiff Nexans Skagerrak gemeistert, setzte NKT auf die Victoria mit ihrem Offshore Construction Manager Tony Collins und einem 75-köpfigen Expertenteam. Alles an Bord der beiden Schiffe war mit der einzigen Absicht konzipiert worden, Seekabel zu verlegen. Das Wichtigste dabei: Die Schiffe mussten Position halten können, um auch bei bewegter See die Zerrkräfte zu minimieren.
NordLink-Stücke mit einer Länge von zweimal 60 Kilometern hatte die NKT Victoria von Karlskrona aus in ihrem langsam rotierenden Kabelkarussell transportiert und behutsam über das abgerundete Heck ins Wasser gelassen. Die Verlegung erfolgte mit sehr geringer Geschwindigkeit von weniger als einem halben Knoten (etwa 0,9 Stundenkilometer) – je nach Wetter- und Strömungsverhältnissen. Die größten Gefahren für die Stromverbindung auf dem Grund der Nordsee sind Anker und die Scherbretter der Schleppnetzfischer. Daher wurde der meist sandig-tonige Boden des im NordLink-Korridor maximal 410 Meter tiefen Meeres jenseits des Wattenmeeres etwa anderthalb Meter ausgespült. Fünf Kreuzungen mit in Ost-West-Richtung verlaufenden Kabelsträngen mussten zusätzlich geschützt werden.
Auf KfW Stories veröffentlicht am 8. September 2020, aktualisiert am 6. Juni 2022.
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 7: Nachhaltige und moderne Energie für alle
Knapp 80 Prozent der weltweit erzeugten Energie stammt immer noch aus fossilen Energieträgern. Aus der Verbrennung fossiler Energieträger entstehen unter anderem Kosten für das Gesundheitssystem aufgrund der Luftbelastung und Kosten wegen Klimaschäden, die der Allgemeinheit und nicht nur den Verursachern schaden. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
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