Solarkraftwerk Turm
Erneuerbare Energien

Erneuerbare Energien

Solarstrom aus der Wüste

Marokko nutzt die Solarkraft, um sich von fossilen Energien zu befreien. Auf einer Fläche von 3.000 Hektar ist in den letzten Jahren einer der größten Solarkomplexe der Welt entstanden. Internationale Geldgeber wie die KfW fördern die Energiewende, bei der viele deutsche Firmen mit an Bord sind..

Solarkomplex Ouarzazate

3000 Hektar Wüste bieten Platz für vier Kraftwerke, die Energie für 1,3 Millionen Menschen erzeugt (Quelle: KfW Bankengruppe/Thomas Schuch).

Es ist noch früh am Vormittag, doch die Sonne steht schon hoch am Himmel. Wind weht über die rote Ebene, die sich bis zum Atlas-Gebirge in der Ferne streckt. Hier in der trocken-heißen Geröllwüste, unweit der südmarokkanischen Stadt Ouarzazate, ist in den letzten Jahren auf einer Fläche von 3.000 Hektar einer der größten Solarkomplexe der Welt entstanden. Licht – arabisch Noor – ist der Name des Ensembles, das aus vier Großprojekten besteht.

Das erste, NOORo I (das kleine o steht hier für Ouarzazate) mit einer Kapazität von 160 Megawatt, ist seit Frühjahr 2016 in Betrieb. Es produziert bereits 400 Gigawattstunden Strom im Jahr – so viel, wie durchschnittlich 400.000 Menschen in Marokko verbrauchen. Dafür folgen mehr als eine halbe Million Parabolspiegel der Sonne, ruckeln alle paar Minuten, um wegen der Erddrehung den Winkel zur Sonne anzupassen.

Die Oberfläche der Spiegel summiert sich auf 1,4 Millionen Quadratmeter oder knapp 200 Fußballfelder. Sie stammen von der Nürnberger Firma Flabeg und konzentrieren die Lichtenergie präzise auf ein zwei Meter entferntes sogenanntes Absorberrohr, in dem ein synthetisches Öl zirkuliert, das auf 400 Grad Celsius erhitzt wird. Am Rand des Spiegelfelds erzeugt eine Turbine Strom über Wasserdampf aus dem heißen Öl. Lieferant der Turbine war Siemens. Das Ingenieurbüro Lahmeyer hat das Projekt technisch beraten.

Luftaufnahme Ouarzazate
Diadem der Wüste

Die Luftaufnahme aus dem Frühsommer 2017 zeigt, wie mehr und mehr Reflektoren um den Turm für NOORo III installiert wurden.

Deutsche Unternehmen, die sich im internationalen Wettbewerb durchgesetzt haben, helfen mit, die Ziele des Landes umzusetzen. Bis 2030 soll sich der Anteil der Produktionskapazitäten auf Basis von erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von derzeit 34 Prozent auf 52 Prozent erweitern. Kaum ein anderes Schwellenland hat sich ähnlich mutig positioniert. Auch weltweit nimmt Marokko eine Vorreiterrolle ein. Die CO₂-Emissionen in dem Land entsprechen dem Ziel der Paris Agenda, die Klimaerwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius zu beschränken. Das schafft sonst kein anderes Land – und das ist alles andere als selbstverständlich. Denn als Marokko die grüne Energiewende vor einigen Jahren beschlossen hat, wären auch andere Optionen denkbar gewesen – wegen des massiven Preisrutsches beim Erdöl etwa weiter auf fossile Alternativen zu setzen, um den wachsenden Energiebedarf des Landes zu befriedigen.

„Dass Marokko sich für eine grüne und nachhaltige Zukunft entschieden hat, ist langfristig gedacht“, sagte Markus Faschina, der damalige Leiter des KfW-Regionalbüros in Marokko. „Dafür setzt Marokko auf zukunftsweisende Technologien. Denn bis dato hatte kein Land einen ähnlich großen Solarkomplex mit verschiedenen Technologien an einem Standort realisiert.“

Die KfW fördert

Die KfW Entwicklungsbank fördert weltweit zahlreiche Projekte im Energiesektor.

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Die Entscheidung der Regierung, neben Windenergie und Photovoltaik auch auf solarthermische Kraftwerke mit Stromspeicher zu setzen, lag dabei nicht zwingend auf der Hand. Doch das Königreich schuf Fakten. „Es ist mutig, beizeiten zu handeln und nicht auf andere zu warten, die es vormachen“, kommentierte Faschina. Und so lassen sich auch Chancen ergreifen. Denn das vielversprechende Vorhaben, in Ouarzazate den größten solaren Kraftwerkskomplex der Welt mit 580 Megawatt Gesamtleistung zu bauen, überzeugte internationale Geldgeber:innen.

Illustration Solarkraftwerk
AFD

Die Agence Française de Développement (AFD) ist die französische Entwicklungsbank und ein wichtiger Partner der KfW in der Finanziellen Zusammenarbeit. Bis 2019 wurden bereits mehr als 100 gemeinsame Projekte realisiert. Beide Banken gehören zum Netzwerk der Entwicklungsbanken IDFC.

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und das Bundesumweltministerium (BMUV) steuerten mit Hilfe der KfW Entwicklungsbank rund 830 Millionen Euro zu den Gesamtinvestitionen von rund zwei Milliarden Euro bei. Der Rest wurde von weiteren vor allem öffentlichen Geldgebern und Entwicklungsbanken getragen, darunter die französische Agence Francaise de Dévelopment (AFD). Die Europäische Union bezuschusste den Komplex aus der Nachbarschaftsinvestitionsfazilität (NIF).

Die Entscheidung zahlt sich aus: „Die ersten Betriebserfahrungen sind positiv, und die Produktion entspricht den Erwartungen“, bilanzierte Faschina nach mehr als vier Jahren Laufzeit. Ein Grund neben dem fähigen Personal und der zuverlässigen Technik: das Solarangebot. „Hier in der Wüste findet sich die höchste Einstrahlungsintensität auf unserem Planeten“, sagt er. Mit rund 2.500 Kilowatt pro Quadratmeter und Jahr liefert die Sonne doppelt so viel Energie wie in Deutschland. Das macht das Solarinvestment rentabel.

lange Reihen mit Parabolspiegeln in der Wüste
Armee von Sonnenfängern

Mehr als eine halbe Million Parabolspiegel folgen dem Lauf der Sonne. Damit sie immer optimal zur Lichtquelle ausgerichtet sind, verändern sie im Minutentakt ihre Ausrichtung.

Denn bis zuletzt musste Marokko die fossilen Energien, auf denen sein Energiesystem basierte, zu 90 Prozent importieren. Das scheint verkraftbar für die Volkswirtschaft, solange die Ölpreise niedrig sind. Wenn sich das aber wie allgemein angenommen in einigen Jahren ändert, könnten die Importkosten ohne Umsteuern auf heimische grüne Energien explodieren.

Zunächst muss Marokko die eigene Nachfrage decken. Langfristig besteht aber die Option, günstigen Ökostrom auch nach Europa zu liefern oder grünen Wasserstoff zu produzieren und so aus dem Ökostrom Exporterlöse zu generieren. Und: Das Land kann seine Erfahrungen mit solarthermischen Kraftwerken und mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien künftig auch anderen Staaten zur Verfügung stellen.

Ouarzazate Turbine
Heiss-kalt

Die Sonne erhitzt im Turm Salze auf über 560 Grad Celsius, um die Turbinen mit Dampf anzutreiben. Ventilatoren kühlen den Dampf wieder ab für einen erneuten Kreislauf.

Nicht zuletzt profitiert das Klima: „NOORo I vermeidet jährlich Emissionen von mindestens 230.000 Tonnen CO₂“, rechnet Faschina vor. Alle Ouarzazate-Solarkraftwerke sparen zusammen jährlich ungefähr 800.000 Tonnen ein. Und das ist noch nicht alles. „Solarthermische Kraftwerke bieten anders als Photovoltaik die Möglichkeit, auch nachts Strom zu liefern“, sagt Tarik Bourquouquou. Der Ingenieur war bei Masen, der zuständigen marokkanischen Agentur für erneuerbare Energien, während der Bauzeit für Infrastruktur und Planung des Solarkomplexes verantwortlich.

In zwei großen Tanks unweit des Turbinenhauses lagern 45.000 Tonnen Flüssigsalz. Die aus Natrium- und Kaliumnitrat bestehende Mischung aus dem Hause BASF speichert die am Tage produzierte Energie, die nicht sofort zur Stromerzeugung gebraucht wird, und gibt sie in den Abendstunden zur Stromerzeugung wieder ab.

Illustration Ouarzazate
Solarturm zwischen Betonpylonen
NOORo III

Mit 242 Metern ist es eines der höchsten Bauwerke Afrikas.

„Unsere neuen Solarkraftwerke können noch mehr“, sagt Bourquouquou. Vor allem der Solarturm, ein anderer Superlativ hier in der Gesteinswüste, nicht weit von dem Parabolspiegelmeer entfernt. Dahin geht es mit dem Auto, vorbei an den anderen drei Kraftwerken. Seit 2018 sind alle in Betrieb.

Der Wagen stoppt vor dem riesigen Turm. Mit 242 Metern ist es eines der höchsten Bauwerke Afrikas. Um ihn herum verteilen sich 7.400 Betonpylonen, auf denen je 180 Quadratmeter große Spiegel – Fachbegriff: Heliostaten – montiert sind. Sie reflektieren das Sonnenlicht auf die Spitze des Turms.

Diese Technologie schafft noch höhere Temperaturen als die der anderen Solarkraftwerke. Das Salz, das in der Turmspitze zirkuliert, erreicht mehr als 560 Grad Celsius. „Sieben Stunden lang produziert die Anlage nach Sonnenuntergang noch Strom“, berichtet Tarik Bourquouquou voller Stolz, „so viel wie kein Solarkraftwerk zuvor.“

Auch bei sensiblen Themen wie dem Wasserverbrauch geht das Land voran. Während das erste Kraftwerk noch einen klassischen Kühlturm besitzt, der den Wasserdampf nach dem Austritt aus der Turbine abkühlt und dafür noch Wasser benötigt, funktionieren die beiden neuen Anlagen NOORo II und III mit Trockenkühlung – weltweit ebenfalls wegweisend.

Veröffentlicht auf KfW Stories am 21. März 2017; aktualisiert am 29. September 2023.

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Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.