Mit Moos und IoT-Technologie zu sauberer Stadtluft – das haben sich die Gründer des Start-up-Unternehmens Green City Solutions mit ihrem Projekt CityTrees vorgenommen.
Es ist Mittwochvormittag, Studenten und Handwerker wuseln um den 78 Meter hohen Turm herum, der das knapp fünf Hektar große Areal überragt – den Berliner Gasometer. Der EUREF-Campus in Berlin-Schöneberg gilt als Blaupause einer smarten Zukunftsstadt, die Gebäude sind vernetzt und energetisch optimiert, man kann hier wohnen, forschen, studieren und arbeiten.
Auch Dénes Honus, der Geschäftsführer von Green City Solutions, hat hier seit dem vergangenen Jahr sein Büro: eine komplette Etage mit einem langen Flur, von dem mehrere Räume mit Glastüren abgehen. Die Wände sind frisch verputzt, auf dem Boden ist grauer Filzteppich verlegt, von der Sichtbeton-Decke hängen Kabel, denn die Gebäudetechnik wird zurzeit auf den allerneuesten Stand gebracht.
Dénes Honus ist 30 Jahre alt und hat im März 2014 mit seinen drei Freunden Peter Sänger, Victor Splittgerber und Zhengliang Wu in Dresden das Start-up Green City Solutions gegründet. Die vier haben sich dort während ihres Studiums gefunden, sie sind ein Expertenteam aus den Disziplinen Architektur, Maschinenbau, Informatik und Gartenbau beziehungsweise Biologie.
Green City Solutions hat sogenannte CityTrees entwickelt. Es handelt sich dabei um vier Meter hohe, vertikale Pflanzenwände mit Moos-Kulturen. Diese Moos-Displays ernähren sich von dreckiger Luft: Sie filtern CO₂, Stickoxide und Feinstaub und wandeln die Stoffe in eigene Biomasse um. Honus und seine Kollegen haben große Ambitionen: „Es geht uns darum, eines der größten Probleme anzugehen, das die Lebensqualität von Menschen in Städten bedroht: die Luftverschmutzung“, erklärt er.
Im Konferenzraum erzählt er von der Vision seines Start-ups und den Problemen, die verschmutzte Luft verursacht. Draußen scheint die Sonne, die Luft scheint sauber zu sein – doch: Ist sie das wirklich? „Nein, man kann die Verschmutzung meistens nicht sehen. Der Mensch hat kein Organ, um sie wahrzunehmen. Die Luftverschmutzung ist aber so hoch, dass sie die EU-Grenzwerte übersteigt. Und das nicht nur jenseits der Fensterscheiben“, sagt Dénes Honus und deutet hinter sich auf die Fenster, deren Oberlichter geöffnet sind, „sondern vermutlich auch hier drin.“
Weltweit atmen etwa 90 Prozent der Stadtbewohner jeden Tag verschmutzte Luft ein. Als Konsequenz kann man bereits heute jeden siebten Todesfall auf die Folgen von Luftverschmutzung zurückführen. Die zunehmende Urbanisierung wird das Problem weiter verschärfen.
„Den Städten geht die Luft aus – wir tun etwas dagegen“, so lautet das Motto von Green City Solutions. „Eigentlich ist es total absurd, dass unsere Atemluft nicht längst gefiltert wird. Beim Wasser haben wir uns daran gewöhnt, dass es sauber ist. Es gibt einen geschlossenen Kreislauf, schmutziges Wasser kommt über die Kanalisation in eine Kläranlage und wird aufbereitet. Warum sollte das bei Luft anders sein?“, fragt Honus rhetorisch und verweist auf die CityTrees.
Insgesamt wurden bereits über 50 Anlagen fest und temporär in aller Welt installiert. Unter anderem in Deutschland, Norwegen, Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden. „Wir haben auch eine erste Testeinheit in Hongkong, um zu schauen, wie es unter den dortigen klimatischen Bedingungen funktioniert, um irgendwann auch den asiatischen Markt adressieren zu können“, erklärt Honus.
Finanziert hat sich Green City Solutions zu Beginn vornehmlich aus eigenen Mitteln. Hinzu kamen ein Gründer-Stipendium und dann erste Verkäufe der CityTrees an Pilotkunden. Als größten Erfolg in der Finanzierungsphase nennt Dénes Honus das Investment der Coparion GmbH & Co. KG aus Köln. Coparion ist ein Co-Investitionsfonds der KfW und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Coparion beteiligt sich als eigene Gesellschaft an innovativen Start-ups und jungen Technologieunternehmen.
„Coparion als Investor in der letzten Finanzierungsrunde zu gewinnen, war ein tolles Statement! Coparion beziehungsweise die KfW haben ein hohes Marktstanding und große Expertise. Wir stehen in regem Austausch, treffen uns in Köln und Berlin, telefonieren viel – ein ganz starker Partner für uns“, sagt er. David Zimmer von Coparion ist überzeugt von Green City Solutions: „Das Start-up bietet eine einzigartige Technologie zur Reduktion von Feinstaub in Innenstädten. Weltweit ist keine andere Technologie bekannt, die praktisch einsetzbar ist. Hinzu kommt ein exzellentes, multidisziplinäres Team, das durch Eigenmittel und Preisgelder die CityTrees entwickelt hat und bereits den Markteintritt geschafft hat.“
Kunden von Green City Solutions sind im Moment vor allem Städte und Gemeinden, aber auch Unternehmen, zum Beispiel aus dem Immobiliensektor. „In Frankreich haben wir zum Beispiel einen Großkunden, der Businessparks baut und die CityTrees ins Gelände integriert, um dort saubere Luft mit anbieten zu können“, sagt Honus.
Die CityTrees filtern Stadtluft unabhängig von der Verschmutzungsquelle. Das Ziel ist, dass jeder der vertikalen Pflanzenfilter in Zukunft die lokale Luftverschmutzung in einem Umkreis von bis zu 50 Metern um etwa ein Drittel reduzieren kann. Sie sind mobil und flexibel im urbanen Raum aufstellbar, benötigen keine Bodenverankerung. Ein CityTree verfügt über die Umweltleistung von bis zu 275 Bäumen und kann etwa 240 Tonnen an CO₂-Äquivalenten aus Feinstaub und Ruß pro Jahr binden. Dabei ist er aber viel günstiger und benötigt nur wenige Quadratmeter Platz.
„Die Anschaffung eines CityTrees kostet 25.000 bis 50.000 Euro pro Anlage. 275 Bäume würden etwa eine Million Euro kosten – ohne Grund und Boden“, rechnet Honus vor und fügt hinzu: „Auch Unterhalt und Pflege sind deutlich preiswerter als bei entsprechend vielen Bäumen.“ Außerdem versorgen sich die CityTrees selbst mit Energie und Wasser durch angeschlossene Solarzellen und Regenwasserauffangsysteme. So benötigen sie auch nur wenige Stunden Wartungszeit pro Jahr. „Dabei sollen jedoch keine Bäume in der Stadt durch CityTrees ersetzt werden“, sagt Honus, „sondern sie sollen lediglich eine effiziente und gleichzeitig grüne Ergänzung sein, die das Problem der Luftverschmutzung aktiv angehen kann.“
Ein weiterer Vorteil der CityTrees ist, dass sie die natürlichen Fähigkeiten von Pflanzen mit moderner Internet-der-Dinge-Technologie verbinden: „Die CityTrees haben Sensoren, Hard- und Software sowie eine Cloud-Verbindung. Wir können die Moos-Kulturen dadurch hier vom Büro aus überwachen und sie automatisch gezielt mit dem versorgen, was sie brauchen, um möglichst viel Luftverschmutzung dauerhaft zu binden.“ Die Wasser- und Nährstoffversorgung geschieht dann ferngesteuert und automatisiert. In Echtzeit können die mittlerweile 25 Mitarbeiter von Green City Solutions sämtliche Informationen abrufen und zum Beispiel messen, wie viel Feinstaub ein CityTree schon gebunden hat. „Künftig wird man sehen können, wie sehr die Verschmutzung im Umkreis reduziert worden ist.“
Die CityTrees können darüber hinaus auch als Werbefläche und WLAN-Hotspot genutzt werden: „Wir bieten den Kunden auch an, auf der Oberfläche zu werben. Man kann Schriftzüge installieren oder Folien anbringen, um Inhalte zu kommunizieren.“ In Zukunft gebe es für Green City Solutions vor allem im digitalen Bereich Potenziale: „Wir erheben unheimlich viele Daten: über die Anlagen und ihre Performance, aber auch umwelt- und klimarelevante sowie Verkehrsdaten. Da wollen wir neue Geschäftsfelder erschließen.“
Es könnte CityTrees bald sogar im Miniformat geben, als Raumluftreiniger, und im Hinblick auf die handelsüblichen Luftfiltergeräte befindet Dénes Honus: „Momentan gibt es ja nur diese großen grauen Boxen, die keiner gern hat – die funktionieren nicht richtig, und alle zwei Wochen muss man den Filter wechseln. Da wollen wir irgendwann mehr bieten können.“
Perspektivisch gesehen wird das Problem Luftverschmutzung nicht so schnell von der Agenda verschwinden, davon ist Gründer Honus überzeugt und nennt als Beispiel die heutigen Schwellenländer, die stark unter dem Problem leiden. Auch in 50 Jahren rechnet er damit, dass es im urbanen Raum noch Kraftwerke geben wird, die Energie aus fossilen Brennstoffen gewinnen. „Nicht einmal Elektromobilität ist besonders förderlich, weil aktuell über 70 Prozent des Feinstaubs nicht aus dem Auspuff kommen, sondern vom Reifen- und Bremsabrieb verursacht werden. Solange Elektroautos also auch Reifen und Bremsen haben, wird das Problem des Feinstaubs auch in Zukunft akut sein“, weiß Honus. „Wir wollen Teil der Lösung sein, wenn nicht DIE Lösung, Menschen zu gesundem Leben in Städten zu verhelfen!“
Veröffentlicht auf KfW Stories am 10. Juli 2017
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 3: Gesundes Leben für alle
Gesundheit ist gleichzeitig Ziel, Voraussetzung und Ergebnis von nachhaltiger Entwicklung. Ihre Förderung ist ein Gebot der Menschlichkeit – sowohl in den Industrie- als auch in den Entwicklungsländern. Weltweit leben etwa 39 Prozent der Weltbevölkerung ohne Krankenversicherung, in einkommensarmen Ländern sind es sogar mehr als 90 Prozent. Immer noch sterben viele Menschen an Krankheiten, die bei richtiger Behandlung nicht tödlich verlaufen müssten oder mit Impfungen einfach zu verhindern wären. Mittels Stärkung der Gesundheitssysteme und insbesondere einer breiten Verfügbarkeit von Impfstoffen kann es uns gelingen, diese Krankheiten bis 2030 zurückzudrängen und sogar auszurotten. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
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