Das badische Unternehmen Birkenmeier will für mehr Natur in den Städten sorgen, mit einem einfachen Trick: Die Naturfläche entsteht nicht horizontal auf dem Boden oder den Dächern, sondern vertikal – in den Wänden von Gebäuden.
Blühende Büsche in zehn Metern Höhe, Vögel und Eidechsen nisten in Wänden, das Regenwasser wird auf dem Weg von den Dächern nach unten automatisch gefiltert: Die 1.200 Quadratmeter große grüne Wand, die in Niederrimsingen kurz vor der französischen Grenze in Baden-Württemberg gerade entsteht, klingt ein wenig nach freundlicher Science-Fiction und hat das Zeug, nicht nur den Bau von Industriehallen nachhaltig zu verändern – im doppelten Wortsinn.
Die Wand ist Teil einer 10.000 Quadratmeter großen Werkshalle des Breisiger Unternehmens Birkenmeier Stein + Design, und gleichzeitig ein Pilotprojekt: Birkenmeier will zeigen, dass es gelingt, ökologische Relevanz und kostenbewusste Zweckmäßigkeit miteinander zu vereinen. Die Idee ist während des Baus der Halle immer weiter gereift, sagt Felix Birkenmeier, der das Unternehmen in dritter Generation leitet. Ursprünglich war die Wand nur für die eigene Halle gedacht. „Zuerst ging es darum, einen optischen Akzent zu setzen“, sagt Birkenmeier. „Mittlerweile haben wir aus diesem Prototypen ein serienreifes Produkt entwickelt.“
Das mittelständische Unternehmen Birkenmeier ist bekannt geworden mit der Produktion und Vermarktung von Betonprodukten zur Gestaltung von Außenbereichen: Beläge für Terrassen, Einfahrten, Gehwege und Straßen, außerdem Gestaltungselemente und Möbel für Eingangsbereiche, Schwimmbäder oder öffentliche Plätze, beispielsweise bei der Porsche-Arena oder dem Carl-Benz-Center in Stuttgart. Dabei hat der Firmeninhaber den Anspruch, „die Produkte stetig weiterzuentwickeln und beispielsweise mit Architekten auch individuelle Projekte auszuarbeiten“, so Birkenmeier.
So entstand auch die Wand nach einem gemeinsamen Entwurf des Architekten Adrian Birkenmeier und dem langjährigen Kooperationspartner Klaus Wegenast von der Firma flor-design. Die statisch autarke Grünwand besteht im Kern aus Stahlbeton-Fertigteilen. Im Erdreich, mit dem die Teile aufgefüllt sind, wachsen unterschiedliche Pflanzen, die wiederum Insekten, Vögeln und Kleintieren als Habitat dienen. Das Wasser des Daches läuft über die Wand ab und bewässert so die Pflanzen. Gleichzeitig wird es auf natürlichem Weg gefiltert, so dass es ohne Sickergruben direkt ablaufen kann und nicht mehr Flächen versiegelt werden müssen als unbedingt nötig – und bei der Entwässerung Gebühren einspart.
Die KfW fördert
Mit dem KfW-Programm 293 "Klimaschutzoffensive für den Mittelstand" werden Vorhaben zum Schutz der Umwelt unterstützt. Sie erhalten einen Kreditbetrag von bis zu 25 Mio. Euro und profitieren von einem direkten Klimazuschuss.
Mehr erfahrenBirkenmeier ist überzeugt, dass daraus langfristig ein Geschäftsmodell werden kann – nicht zuletzt durch die zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten und die gebündelten Vorteile. Statt für die Klimaneutralität eines Bauprojektes teure CO2-Maßnahmen als Ausgleich zu finanzieren, ist hier das Projekt selbst die Lösung. Die KfW ist bereits in einer frühen Phase eingestiegen und hat die Produktionshalle mit Photovoltaik-Anlage und Grünwand mit dem Programm 293, „Klimaschutzoffensive für den Mittelstand“, gefördert. „Laufzeit und Tilgungszeiträume konnten sehr gut auf unser Projekt angepasst werden, sagt Felix Birkenmeier. „Mit der Offensive wollen wir die Mittelständler unterstützen, die sich bereits jetzt mit ihren Investitionen auf den pariskompatiblen Pfad hin zu einer Transformation begeben“, sagt der Leiter der gewerblichen Umwelt- und Klimafinanzierung der KfW, Alexander Klein. "Der sehr günstige Zins, den die KfW anbietet, ist extrem attraktiv.“
Fördern - KfW-Ratgeber für Kunden
Klimaschutz
Zum MagazinDer Bau der Halle und der Grünwand wird durch verschiedene wissenschaftliche Monitorings begleitet, um zu untersuchen, in welchem Maße sich die Wand auf die Schutzgüter Klima, Boden, Wasser, Pflanzen, Tiere und Mensch auswirkt. Ziel ist die offizielle Anerkennung der Grünwand als ökologische Ausgleichsmaßnahme und eine Anrechnung von Ökopunkten auf dem Ökokonto, einer Art freiwilligem Sparbuch für Naturschutzmaßnahmen. Unternehmen können sich die Wand als Ausgleichsmaßnahme anrechnen lassen und erhalten leichter eine Baugenehmigung. Für die Anerkennung steht das Unternehmen in engem Kontakt mit der Unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts Breisgau Hochschwarzwald und dem Fachbereich Naturschutz und Landschaftspflege des Regierungspräsidiums Freiburg.
Um das Fassadensystem künftig zu vertreiben, haben Birkenmeier und Familie Wegenast von flor-design die Firma „ Grünwand.de“ gegründet. Die gemeinsame Vision: Der Mehraufwand für eine Grünwand soll durch die vielen Vorteile für den Bauherren, die Umwelt und die Stadtentwicklung schnell ausgeglichen werden. Bei der Verwendung des Bauaushubs beispielsweise wird deutlich, wie das alles miteinander zusammenhängt: „Man kann die Wand bepflanzt, fix und fertig ausliefern, oder wir können den Oberboden des Baugrundstückes in der Wand verwenden“, sagt Birkenmeier. „Diese über Jahrzehnte entstandenen Böden müssen normalerweise teuer abgefahren und entsorgt werden. Hier finden sie zumindest teilweise vor Ort Verwendung, was nicht nur ökonomisch sinnvoll ist, sondern auch vorteilhaft zum Erhalt und der Entwicklung der ortsüblichen Flora und Fauna beiträgt.“
Europäisches Unternehmen
Das Unternehmen Birkenmeier liegt drei Kilometer von der deutsch-französischen Grenze entfernt. Konsequent ist auch die Webseite auf Deutsch und Französisch. „Aufgrund der Nähe zur Grenze sind wir auch auf dem französischen Markt etabliert – wir verstehen uns als europäisches Unternehmen“, sagt Unternehmenschef Felix Birkenmeier. „Ein großer Teil der Mitarbeiter hat Französisch als Muttersprache, viele leben auch in Frankreich. Wir sind intern und extern zweisprachig. Und leben französische und deutsche Kultur.“
Mehr erfahrenAuch bei der Städteplanung bringt die Grünwand Vorteile. Mit jeder einzelnen Wand, aber auch im Verbund mit anderen Grünwänden können Industriegebiete ohne hohen Flächenverbrauch grüner werden. Die Aufheizung der Städte kann so ein Stück weit vermindert werden – und Gewerbe und Industriegebiete können wieder zu Lebensräumen für mehr Flora und Fauna werden.
Pflanzliche Lösungen, so Birkenmeier, gibt es für jede Himmelsrichtung und jeden Breitengrad. Der Bauherr kann dekorative Effekte erzielen oder sich für ganzjährige Pflanzen entscheiden. Die Wand hält auch Hartholze, so dass mit der Zeit regelrechte Gebüsche aus der Wand ragen können, die Vögeln als Nistplatz dienen. Gesteine und Altholz können zur Heimat für Eidechsen und andere Kleintiere werden. „Die Wassermanagement muss immer über eine Bewässerungsanlage ergänzt werden, um auch trockene Perioden zu überbrücken“, sagt Birkenmeier. „Mit einer Zisternenlösung käme man bei unserem Prototyp mit dem gesammelten Regenwasser leicht durchs Jahr.“
Die Bepflanzung sorgt für Schatten an der Fassade und ein angenehmeres Klima im Außenbereich, aber auch im Inneren der Halle. Der gleiche Effekt würde auch mit einer Dachbegrünung erreicht – die ist aber statisch sehr viel anspruchsvoller und teurer. So lässt sich das Dach wie beim Prototypen noch für eine Photovoltaik-Anlage nutzen. Und die Pflege der bepflanzten Wand, versichert Birkenmeier, sei weniger aufwendig als die Pflege einer Glasfassade. Die ersten Kunden haben sich schon gemeldet. „Wir haben Interesse von etablierten Unternehmen aus dem Bau von Hallen- und Logistikzentren“, sagt Birkenmeier. Wichtig sei, so der Firmenchef: „Unser System sollte in einer frühen Planungsphase berücksichtigt werden. Eine Nachrüstung ist sehr teuer oder nicht möglich.“ So musste Birkenmeier bereits einige Anfragen ablehnen, weil Planungen zu weit fortgeschritten waren.
Auf KfW Stories veröffentlicht am 16. April 2022.
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 12: Nachhaltige Konsum- und Produktionsweisen
Die Menschheit lebt seit Langem über ihre ökologischen Verhältnisse. Dies gilt in besonderem Maße für die Industrieländer und die wachsenden Ober- und Mittelschichten in vielen Schwellenländern. Der Wandel zu einer Wirtschafts- und Lebensweise, die die natürlichen Grenzen unseres Planeten respektiert, kann nur gelingen, wenn wir unsere Konsumgewohnheiten und Produktionstechniken umstellen. Dazu sind international gültige Regeln für Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz wichtig. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
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