Viele Länder Afrikas kämpfen mit den Folgen von Klimawandel und globaler Erwärmung: Dürren nehmen zu.
Eine neuartige Versicherung gegen Dürrefolgen hat ihre Bewährungsprobe bestanden.
Für Goodall Gondwe, Malawis Minister für Finanzen, Wirtschaftsplanung und Entwicklung, war der 14. November 2016 ein wichtiger Tag. Die African Risk Capacity, eine Initiative der Afrikanischen Union zum Schutz gegen Klimakatastrophen, kündigte die Zahlung von 8,1 Millionen US-Dollar an das südostafrikanische Land an. Für Malawi, das zu den ärmsten Staaten der Welt zählt und mit den Folgen einer Dürre zu kämpfen hatte, war das eine Entscheidung von großer Tragweite. Der Regierung sei es nun möglich, „Millionen von betroffenen Haushalten“ zu helfen.
Für Afrika ist das neu: Ein Land ist bei einer Dürre nicht mehr allein auf die Mildtätigkeit und Solidarität internationaler Hilfsorganisationen und befreundeter Staaten angewiesen, sondern erwirbt sich mit der Zahlung einer Versicherungsprämie einen Anspruch auf Leistungen im Katastrophenfall. Für Alagie Federa, Direktor für Enwicklungsplanung im Ministerium für Finanzen und Wirtschaft in Gambia, hat die Gründung der ARC Agency im Jahr 2012 und der ARC Insurance Company im Jahr darauf daher auch eine historische Dimension: Afrikanische Staaten würden Dürren nunmehr proaktiv statt ausschließlich reaktiv begegnen.
Bislang profitierten Malawi, Senegal, Mauretanien und Niger von Auszahlungen der neuen Versicherung. Insgesamt mehr als 34 Millionen US-Dollar flossen an die Versicherungsnehmer. Je nach Notfallplan, der zwischen ARC-Vertretern und nationalen Regierungen rechtzeitig vor Katastrophen abgestimmt wird, erhalten die Menschen Nahrungsmittel, aber auch Futter für die Tiere oder Bargeld, um sich selbst mit dem Nötigsten versorgen zu können. Schätzungen zufolge konnten bereits 2,1 Millionen Menschen unterstützt und mehr als 500.000 Tiere gerettet werden.
Entwicklungsländer leiden besonders unter den Folgen von Klimawandel und globaler Erwärmung. Extremwetterereignisse wie Dürren zwingen sie häufiger zum Handeln als die Industrieländer auf der nördlichen Halbkugel. Wegen ihrer geringen Wirtschaftskraft und fehlender Ressourcen sind sie dabei auf Unterstützung angewiesen. Deshalb hat der Geschäftsbereich KfW Entwicklungsbank gemeinsam mit dem britischen Department for International Development, der ARC Agency und einigen afrikanischen Ländern die weltweit erste Dürreversicherung auf den Weg gebracht. „Der politische Wille in den häufig von Dürren betroffenen Ländern war da“, sagt Marc Engelhardt, Abteilungsleiter Entwicklungs- und Sektorpolitik in der KfW Entwicklungsbank. „Es fehlten nur die notwendigen Strukturen und die Anschubfinanzierung.“
AFD
Die Agence Française de Développement (AFD) ist die französische Entwicklungsbank und ein wichtiger Partner der KfW in der Finanziellen Zusammenarbeit. Bis 2019 konnten bereits mehr als 100 gemeinsame Projekte realisiert werden. Beide Banken gehören zum Netzwerk der Entwicklungsbanken IDFC.
Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat die KfW 92,2 Millionen Euro für den Aufbau der Versicherung bereitgestellt. 20 Jahre lang will sie sich in dem Projekt engagieren, sich danach aber zurückziehen. Spätestens dann soll die afrikanische Assekuranz über genug Kapital verfügen und ohne internationale Hilfe funktionieren. Auch andere Länder beteiligen sich inzwischen am Projekt, darunter die französische Entwicklungsbank Agence Française de Développement (AFD) .
Unter einer extremen Dürre leidet vor allem die ländliche Bevölkerung. Innerhalb weniger Monate sind die Vorräte von Kleinbauern aufgebraucht, dann müssen sie ihr Vieh notschlachten und ihre Besitztümer verkaufen. Die Dürreversicherung soll das verhindern, indem sie die bisherigen Formen der Dürrenothilfe ergänzt. Sie dient dazu, die kritischen Monate zu überbrücken, bis die internationale Nothilfe eintrifft.
Zwei Satelliten im All messen kontinuierlich, wie viel Regen in einzelnen Landstrichen fällt. Schneller als bisher können damit Ernte- und Futterausfälle vorausgesagt werden. Hinzu kommen die von den Ländern entwickelten Notfallpläne, die bereits vorab Verantwortlichkeiten und die Verwendung der Versicherungsleistung klar regeln. „Während die klassische Nothilfe in der Regel erst sieben bis neun Monate nach Dürreeintritt anläuft, kann die ARC Insurance Company in der Regel deutlich früher reagieren und der Bevölkerung schnell helfen“, so Engelhardt. Die Folgeschäden einer Dürre können dadurch erheblich verringert werden.
„Wir haben in den ersten Jahren schon viele gute Erfahrungen mit dem Mechanismus gemacht“, sagt Susanne Feser, Projektmanagerin in der Task Force Versicherung der KfW Entwicklungsbank. „Die Erkenntnisse der ersten Jahre werden uns helfen, künftig noch bessere Wirkungen zu erzielen. Das bedeutet aber nicht, dass immer alles perfekt geklappt hat.“ In Malawi etwa war die ARC zunächst davon ausgegangen, dass gar nicht so viele Menschen von einer Dürre betroffen sein würden. Vor Ort war nicht aufgefallen, dass viele Bauern in diesem Jahr eine andere Maissorte angebaut hatten. So waren falsche Angaben in das Risikomodell der Versicherung eingeflossen. ARC-Vorstandschef Dr. Lars Thunell kündigte Konsequenzen an: „Der Fall von Malawi hat gezeigt, dass eine erhöhte Aufmerksamkeit bei der Validierung der nationalen Daten für das Modell erforderlich ist. Die Fähigkeit des Modells, die Realität zu repräsentieren, hängt von der Genauigkeit der zugrundeliegenden Annahmen und Daten ab.“
Die ARC arbeitet deshalb kontinuierlich an der Verbesserung des Versicherungsangebots. Im aktuellen Versicherungsjahr 2017/18 wird ein Versicherungsabschluss beispielsweise erstmals an zwei Stichtagen möglich sein. Dies ermöglicht die Verwendung aktuellerer Daten und Annahmen im Versicherungsmodell.
Noch muss die ARC Werbung für die Versicherung machen. Für das aktuelle Versicherungsjahrwird mit bis zu sieben Vertragsabschlüssen gerechnet, das wären bestenfalls so viele Versicherte wie schon im zweiten Jahr nach dem Start. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zunächst muss nicht jedes afrikanische Land Dürren fürchten, und nicht minder wichtig: Versicherungen gelten in afrikanischen Staaten oft noch als Luxusprodukte. Viele wirtschaftlich schwache Länder tun sich nicht leicht damit, die Prämie aufzubringen. Und schließlich überlegt sich ein jeder Politiker sehr genau, ob er sein Land gegen eine Katastrophe versichert, die womöglich gar nicht eintritt, statt das Geld direkt an Bedürftige zu verteilen.
Quelle
Dieser Artikel ist erschienen in CHANCEN Frühjahr/Sommer 2015 „Wärme“. Der Text wurde im September 2017 komplett überarbeitet.
Zur AusgabeIm Katastrophenfall freilich wäre jeder Dollar zuvor gut investiert gewesen: Seit das Angebot besteht, wurden ungefähr 53 Millionen US-Dollar an Versicherungsprämien gezahlt; dieser Betrag hätte im Zuge von Dürren einen Versicherungsschutz von mehr als 400 Millionen US-Dollar geboten. Indem die ARC sich rückversichert, gibt sie einen Teil der Risiken an den internationalen Versicherungsmarkt weiter. Privates Risikokapital wird somit zur Absicherung der Dürrerisiken afrikanischer Staaten zur Verfügung gestellt.
Damit die Versicherung weitere Kunden gewinnt, arbeitet die ARC laut KfW-Projektmanagerin Feser an neuen Produkten. Eine Erweiterung des Schutzes gegen die Folgen von Zyklonen und Hochwasser sei im Gespräch. Außerdem werde gemeinsam mit der African Development Bank darüber diskutiert, ob und gegebenenfalls wie weniger leistungsstarke Länder bei der Zahlung der Versicherungsprämie unterstützt werden könnten. Zusätzlich sollen mit der Einführung eines sogenannten Replica-Konzepts bereits 2018 weitere Anreize für die Vorsorge aus eigenen Mitteln gesetzt werden: Schließt ein Staat eine Dürreversicherung ab, schließt eine internationale Nothilfeorganisation eine weitere Versicherung zugunsten des Landes ab. Im Falle einer Dürrekatastrophe kann die Hilfsorganisation aus den Versicherungsauszahlungen, die an sie fließen, zusätzliche Nothilfe leisten. Insgesamt wären die Versicherungsleistungen signifikant höher.
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 2: Ernährung sichern
Noch immer hungern 795 Millionen Menschen, zwei Milliarden Menschen sind mangelernährt. Hunger ist nicht nur das größte Gesundheitsrisiko, sondern auch eines der größten Entwicklungshemmnisse. Er trägt zu Flucht und Vertreibung bei, fördert Perspektivlosigkeit und Gewalt. Es werden heute genügend Nahrungsmittel auf der Welt produziert, um allen Menschen eine ausreichende Ernährung zu sichern. Allerdings haben aufgrund von mangelnder Infrastruktur, Handelsbarrieren und bewaffneten Konflikten nicht alle Menschen den gleichen Zugang zu Nahrung. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
Auf KfW Stories veröffentlicht am: 21. März 2017, aktualisiert am 7. September 2017.
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