Straßenverkehr
Klimaschutzziele

Klimaschutzziele

Viel Luft nach oben

Der Wiederaufbau der Wirtschaft nach Corona und die Bekämpfung der Klimakrise müssen Hand in Hand gehen. Um das deutsche Klimaschutzziel zu erreichen, müssen vernachlässigte CO₂-Einsparpotenziale gehoben werden. Vor allem im Verkehrssektor ist das nötig. Und selbst im innovativen Gebäudebereich ist noch mehr drin.

Zur Person
Dr. Fritzi Köhler-Geib

Dr. Fritzi Köhler-Geib ist seit Ende 2019 die neue Chefvolkswirtin der KfW. Davor war sie elf Jahre bei der Weltbank in Washington beschäftigt und dort zuletzt ebenfalls als Chefvolkswirtin für Zentralamerika zuständig. Ausgebildet wurde Köhler-Geib an Universitäten in Paris, Michigan, St. Gallen, Barcelona und München

Es wird ernst beim Klimaschutz. Die EU plant eine Verschärfung ihrer Klimaziele im Rahmen des European Green Deal, und die Bundesregierung hat Ende 2019 als weltweit erste Regierung ihr nationales Klimaschutzziel verbindlich in einem Gesetz festgeschrieben. Gleichzeitig ist die Weltwirtschaft aufgrund der Corona-Pandemie unverhofft in eine tiefe Krise gerutscht. Auch in Deutschland ist es trotz umfangreicher Hilfsmaßnahmen zu substanziellen Einkommenseinbußen und zu einer erhöhten Verschuldung in weiten Teilen der Volkswirtschaft gekommen. In dieser Situation gilt es nun umso mehr, die Erreichung der Klimaneutralität im Blick zu behalten. Der Wiederaufbau der Wirtschaft und die Bekämpfung der Klimakrise müssen Hand in Hand gehen.

Zur Erreichung der Ziele bis 2030 muss die jährliche Treibhausgasreduktion künftig mehr als doppelt so hoch sein wie zwischen 2006 und 2018. Was das bedeutet, lässt sich anhand der Sektoren Gebäude und Verkehr gut veranschaulichen, die trotz unterschiedlicher bisheriger Entwicklung beide vor großen Aufgaben stehen.

Nach vorläufigen Zahlen für 2019 hat der Gebäudesektor bereits 42 Prozent seiner Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 eingespart. Allerdings sollen die Ausstöße bis 2030 noch einmal um 43 Prozent sinken. Damit das Ziel erreicht werden kann, müssen mehr Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen erfolgen, auch bei Nichtwohngebäuden: Sie stellen zwar nur jedes siebte Gebäude, verantworten aber über ein Drittel der Energie und sogar fast die Hälfte aller Treibhausgasemissionen im Gebäudebereich.

Aufgrund des eher höheren Energieverbrauchs und der vorhandenen Anlagentechnik bei Nichtwohngebäuden können oft große Einsparungen mit wenig Aufwand realisiert werden. Die erforderlichen Investitionen liegen allerdings in der Regel nicht im Kerngeschäft der Eigentümer, und die Erwartungen an Amortisationsdauer und Rendite der Energieeffizienzmaßnahmen sind im derzeitigen Umfeld ungünstig. Zudem sind die Maßnahmen häufig mit hohen Transaktionskosten für Planung und Umsetzung verbunden.

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Damit Eigentümer von Nichtwohngebäuden das Thema Energieeffizienz angehen, müssen also Anreize gesetzt werden. Die im Klimaschutzpaket der Bundesregierung vorgesehene CO₂-Bepreisung leistet einen Beitrag. Auch flankierende Förderungen, die die Vielfalt der Nichtwohngebäude berücksichtigen, erforderliche Investitionen unterstützen und das Angebot für Energieberatung stärken, können dazu beitragen, die Hemmnisse für mehr Energieeffizienz zu überwinden. Eine noch größere Anstrengung zur Erreichung der Klimaziele ist im Verkehrssektor erforderlich. Heute liegen die Emissionen etwa auf dem Niveau von 1990. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Effizienzgewinne in der Antriebstechnik durch stärker motorisierte und schwerere Fahrzeuge sowie höhere Verkehrsleistung kompensiert wurden – ein Trend, der derzeit ungebrochen scheint: Bis 2030 soll der Personenverkehr um zehn Prozent, der Güterverkehr sogar um 40 Prozent gegenüber 2010 ansteigen.

„Klimaschutz wird dann funktionieren, wenn wir zeigen können, dass er wirtschaftlich ist.“

Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW

Wie kann der Verkehrssektor seine Klimaziele erreichen? Einen guten Ansatz bietet die Elektromobilität, die eine effiziente Einbindung erneuerbarer Energien ermöglicht und bisher in Deutschland nur wenig genutzt wird. Die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität geht von bis zu zehn Millionen Elektroautos im Jahr 2030 aus und sieht hierdurch 30 Prozent der erforderlichen Einsparungen abgedeckt. Selbst beim heutigen Strommix liefern Elektroautos nach etwa 80.000 Kilometern einen Klimavorteil. Wenn sie mit grünem Strom betrieben werden, was gemäß KfW-Energiewendebarometer in Deutschland größtenteils der Fall ist, dann beginnt der Klimavorteil viel früher. 2019 wurde mit 42,6 Prozent ein neuer Rekordanteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch gemessen, was der Elektromobilität weiteren Rückenwind verleiht. Insbesondere im Güter-, Schiffs- und Flugverkehr sind zudem strombasierte Energieträger erforderlich wie grüner Wasserstoff.

Die Umstellung auf alternative Antriebe ist jedoch nur ein erster Schritt. Insgesamt werden Verhaltensänderungen notwendig sein. Dabei ist relevant, dass Anreize richtig gesetzt werden, dass der öffentliche Verkehr attraktiver gestaltet wird und auch innovative Ansätze wie die Versteigerung von Zeitfenstern zur Fahrt in Innenstädte zur Stauvermeidung in Erwägung gezogen werden. Klimaschutz wird dann funktionieren, wenn wir über schnelle und konkrete Lösungen zeigen können, dass er wirtschaftlich ist. Eine ambitionierte Klimaschutzpolitik mit entsprechenden Anreizen für die erforderlichen Investitionen eröffnet zudem neue Märkte, trägt zur Modernisierung der Volkswirtschaft bei und stärkt dadurch ihre Krisen- und Zukunftsfestigkeit.

Auf KfW Stories veröffentlicht am 1. Oktober 2020.