Agrarflächen in Äthiopien müssen immer mehr Menschen ernähren. Doch durch Rodung, Überweidung und Ackerbau auf ungeeigneten Standorten werden die Flächen dezimiert.
Um ihre Erträge zu retten, beteiligen sich viele äthiopische Bauern mit großem Einsatz an einem KfW-Projekt, das die nachhaltige Bewirtschaftung von Feldern und Weiden fördert und deren Bewässerung sichert.
Eine Begegnung hat Dirk Wenzel besonders beeindruckt. Das war im äthiopischen Hochland mit einem Bauern in einer ehemaligen Erosionsrinne. Eine Erosionsrinne ist wie eine Wunde in der Landschaft, häufig entstanden durch den Eingriff des Menschen. In ihr fließt der Regen oberflächlich ab, das Wasser versickert kaum und reißt fruchtbaren Boden mit sich. Sie hätten, berichtete der Bauer, einige größere Rinnen auf ihrem Land mit Baumaßnahmen stabilisiert, mit Bäumen, Hecken und Futtergräsern bepflanzt und danach die Viehzucht intensiviert.
„Da wir die Rinne jetzt gezielt nutzen und auf den umliegenden Ackerflächen die Erträge steigern konnten, ist unsere wirtschaftliche Lage sogar besser als vorher“, sagte der Bauer. Der KfW-Experte Wenzel hat sich in seinem Studium mit Hydrologie befasst, der Bauer aus Lume in der Region Oromia hat eine solche Ausbildung nicht. Doch er hat – auch mit Unterstützung von Wenzel – aus den Fehlern in der Vergangenheit gelernt und sich in die Bekämpfung der Erosion eingearbeitet. So kann er Wenzel detailliert erklären, wie man die einem Wassereinzugsgebiet zugrunde liegenden Probleme erkennt, wie man es schützt und auf diese Weise die Erträge auf den landwirtschaftlichen Flächen nicht nur erhält, sondern steigert.
Lume gehört zu den 33 Woredas (sie entsprechen etwa unseren Landkreisen), die die KfW im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bei der nachhaltigen Landbewirtschaftung unterstützt. Dazu kommen zehn Woredas, die die KfW inzwischen im Auftrag der EU betreut. Das Programm begann 2010 und ist Teil des staatlichen äthiopischen Sustainable Land Management Programme (SLMP).
Mit knapp 110 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ist Äthiopien das afrikanische Land mit der, nach Nigeria, zweitgrößten Bevölkerung, die weiterhin rasant wächst. 80 Prozent der Menschen leben auf dem Land, die meisten von einer Landwirtschaft auf Subsistenzniveau. Die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen müssen immer mehr Menschen ernähren, werden aber gleichzeitig von Rodung, Überweidung und Ackerbau auf ungeeigneten Standorten dezimiert. Die äthiopische Regierung schätzt, dass pro Jahr ungefähr 30.000 Hektar fruchtbarer Böden aufgrund von Erosion verloren gehen. „Wir wollen verhindern“, erläutert Thomas Wolf, zuständiger Projektmanager im Geschäftsbereich KfW Entwicklungsbank, „dass bisher ernährungssichere Gebiete abrutschen und den Bauernfamilien keine Lebensgrundlage mehr bieten.“ Wolf und Wenzel betreuen KfW-seitig das Vorhaben Nachhaltige Landbewirtschaftung Äthiopien, das von der Bundesregierung mit 60 Millionen und von der EU mit zehn Millionen Euro ausgestattet ist. Diesem Programm verdankt auch der Bauer aus Lume sein Wissen.
In Lume begannen wie überall die Probleme damit, dass Wald abgeholzt wurde, um Ackerland zu schaffen. „Wald aber“, sagt Wenzel, „ist das beste Medium für einen stabilen Wasserhaushalt. Er saugt Wasser auf wie ein Schwamm, speichert es und gibt es über einen längeren Zeitraum wieder ab.“ Der Rodung folgte die kurzfristige Übernutzung, dann die Bodenerosion. Um zu überleben, hielten die Bauern mehr Tiere, was zur Überweidung führte, oder sie waren gezwungen, Ackerbau in ungeeigneten Hanglagen oder in unmittelbarer Nähe der Wasserläufe zu betreiben. „Die Wirtschafts- und Lebensweise gerät zunehmend aus dem Gleichgewicht“, sagt Wenzel, deshalb sei die Bereitschaft der betroffenen Bauern hoch gewesen, bei dem Projekt mitzuarbeiten. Ein Wassereinzugsgebiet zu schützen und wiederherzustellen heißt: Terrassen errichten; Wälle und Sickergräben anlegen, die den Höhenlinien folgen und Wasser zurückhalten; mit Stützmauern das von Erosion geschädigte Gelände stabilisieren. Regen fließt dadurch nicht mehr sturzflutartig durch Erosionsrinnen ab, sondern füllt wieder die Grundwasserspeicher.
Eine verlässliche Versorgung mit sauberem Trinkwasser ist im äthiopischen Hochland nicht selbstverständlich. „Immer noch sieht man auf dem Land viele Kinder aus Viehtränken, Tümpeln oder Pfützen trinken“, sagt Wolf, „dabei wissen wir alle, dass sauberes Wasser eine wesentliche Voraussetzung für ein besseres Leben ist.“ Zu den vielen kleinen Einzelmaßnahmen des Programms gehört auch, Quelleneinfassungen und Handbrunnen zu bauen, an Orten, an denen das Wasser nach Jahren des Versiegens wieder fließt. Arbeiten wie diese übernehmen lokale Bauarbeiter. Sie stellen unter Anleitung von Ingenieuren auch Stützmauern, kleine Dämme, Wasserspeicher- und Rückhaltebecken her und legen Wege und Flussquerungen an. Ansonsten aber nehmen die Bauern die Erosionsbekämpfung zu großen Teilen selbst in die Hand.
Das Engagement und die Mobilisierung der örtlichen Bevölkerung und Verwaltung bilden die Basis des dreiphasigen Ansatzes des KfW-Vorhabens. Auf Gemeindeebene planen und entscheiden die Bauernfamilien gemeinsam mit den landwirtschaftlichen Beratern der Landkreisverwaltung, welche Wassereinzugsgebiete und Flächen wie behandelt beziehungsweise repariert werden sollen.
KfW Research
Äthiopien macht mit Reformen positiv auf sich aufmerksam. Eine aktuelle Studie von KfW Research nimmt die Entwicklungen im Land unter die Lupe.
Mehr erfahrenIn Phase zwei werden die Gemeindepläne umgesetzt und der Boden der bedrohten Areale mithilfe vieler Einzelmaßnahmen stabilisiert – dazu gehören auch gemeinschaftlich vereinbarte Weideverbote. Zum Schluss folgen die Bepflanzung und die Nutzung der Flächen. Traditionell wird im äthiopischen Hochland das „Nationalgetreide“ Teff angebaut, eine sehr robuste und genügsame Hirse, aber auch Kaffee, Weizen und Mais.
Neben Futterpflanzen für die Stallhaltung gehören Avocados ebenso zu den neu eingeführten Pflanzen wie Apfelbäume. Die Bienenzucht ist relativ erfolgreich. Der äthiopische Honig lässt sich nicht nur auf lokalen Märkten gut verkaufen, sondern wird auch in Europa geschätzt. Bei der Aufforstung erosionsgefährdeter Hänge und Bergkuppen setzt man vor allem auf einheimische Strauch- und Baumarten, die neben Früchten und Viehfutter auch gutes Bauholz liefern.
Neben der landwirtschaftlichen Produktionssteigerung fördert die KfW gemeinsam mit den örtlichen Partnern und der EU in der aktuellen Projektphase auch verstärkt den Erhalt der Biodiversität. Dabei sollen insbesondere die Anrainergemeinden der Nationalparks im Hochland wie die Simien Mountains und die Bale Mountains in ihrem Bemühen um eine bessere Landbewirtschaftung unterstützt werden. Gelingt die Stabilisierung der umliegenden Wassereinzugsgebiete, dann geraten vor allem Viehhalter mit ihren Tieren nicht mehr in Versuchung, auf der Suche nach Weideland in die Nationalparks zu drängen, die der Wasserversorgung ganzer Landesteile dienen.
Für den Erfolg des KfW-Programms Nachhaltige Landbewirtschaftung Äthiopien ist nach der Erfahrung von Wolf und Wenzel auch die lange Laufzeit entscheidend. „Was 20 Jahre degradiert ist, kann man nicht in drei Jahren reparieren“, sagt Wenzel. Man sehe erste Erfolge zwar bereits nach dem ersten Jahr, sagt Wolf, „aber eine dauerhafte Stabilisierung erfordert meist fünf Jahre und mehr“. Dann erst zeige sich, „dass die Landbewirtschaftung wirklich nachhaltig ist“.
Auf KfW Stories veröffentlicht am: Mittwoch, 20. März 2019
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 6: Wasser und Sanitärversorgung für alle
Ohne Wasser kein Leben! Wir benötigen es als Trinkwasser, aber auch in der Landwirtschaft, um Nahrungsmittel zu produzieren. Die Vereinten Nationen haben daher 2008 den Zugang zu sauberem Trinkwasser als Menschenrecht anerkannt. Dennoch müssen 748 Millionen Menschen noch immer ohne sauberes Trinkwasser auskommen. Nach Schätzungen sterben deswegen an einem einzigen Tag weltweit 5.000 Kinder. 2,5 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sanitärer Grundversorgung. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
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