Im norwegischen Svalbard sichert Crop Trust wertvolles Saatgut aus aller Welt. Die Samen lagern bei minus 18 Grad in einer riesigen unterirdischen Kammer. Für die Ernährung der Menschheit in Zeiten des fortschreitenden Klimawandels ein lebenswichtiges Vorhaben.
Das Bauwerk erinnert an Science-Fiction. Hier würden verfolgte Rebellen vor dunklen Mächten Zuflucht suchen. Wie ein Keil steckt das Portal zu einem dunklen Tresorraum im eisigen Berghang. Dicke Betonwände und eine Stahltür sichern das Versprechen auf eine fruchtbare Zukunft vor der unwirtlichen Umwelt. Hier in Svalbard, wie das nordische Archipel Spitzbergen in der norwegischen Heimatsprache heißt, bewahrt die Menschheit einen kaum bekannten Schatz. Er lagert tief unter der Erde und könnte für unser aller Überleben einen enormen Wert besitzen.
Als im Februar 2020 eine internationale Delegation zum Global Seed Vault, dem globalen Saatguttresor, reiste, machte allein schon die Szenerie Eindruck und sicherte mediales Interesse. Experten aus aller Welt kamen nach Svalbard, um die Einlagerung von weiteren 60.000 Saatgutproben zu zelebrieren. Seit 2008 werden in Svalbard Samen von Genbanken aus der ganzen Welt eingelagert, um Kopien von ihrer Saatgutvielfalt zu erhalten. Mit Ghana (Oktober 2023) haben mittlerweile über 100 Genbanken aus 74 Ländern Duplikate ihrer Saatgutsammlungen im Tresor hinterlegt. Diese Vielfalt ist notwendig, um die Agrar- und Ernährungssysteme an ein sich rasch veränderndes Klima und andere ökologische Herausforderungen anzupassen.
Nun lagern die Samen von über 1,2 Millionen Nutzpflanzensorten bei minus 18 Grad in einer unterirdischen Kammer am Ende eines 130 Meter langen Tunnels. Der Saatguttresor sichert einerseits die Vielfalt unserer Kulturpflanzen, andererseits hat er einen hohen symbolischen Wert für ein schwieriges weltweites Bemühen. „Er ist nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Dr. Stefan Schmitz, Exekutivdirektor des in Bonn ansässigen Global Crop Diversity Trust, kurz Crop Trust genannt.
Mitten im Eis der Arktis in Norwegen liegt der Tresor Svalbard Global Seed Vault.
BMZ und KfW fördern den Treuhandfonds Crop Trust
Das Bild vom Eisberg passt nicht nur klimatisch. Der Tresor in Norwegen ist zwar sehr bedeutsam, aber die Arbeit des Crop Trust erstreckt sich auf viele Gegenden der Welt und findet unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit statt. „Es geht um den Aufbau eines globalen Systems, um die Vielfalt des Saatguts keimfähig zu erhalten und für künftige Anpflanzung und Züchtungen zu verwahren“, erklärt Stefan Schmitz. Seine Organisation Crop Trust entstand 2004 aus der Erkenntnis, dass für die Finanzierung des Erhalts der Vielfalt von Kulturpflanzen keine einzelstaatlichen Lösungen oder Abkommen zwischen zwei Staaten taugen. „Wir haben es mit einem globalen öffentlichen Gut im engeren Sinne zu tun“, argumentiert der studierte Geograf, „und deshalb arbeiten wir auch an einem weltweiten Austausch und an der Sicherung des genetischen Materials.“
Während auf der Welt viel von einer Krise der internationalen Zusammenarbeit zu lesen ist, knüpfen der Crop Trust und seine Partner in Ländern aller Kontinente ein immer engeres Netz, um die künftige Ernährung der Menschheit zu sichern. Der Crop Trust, ein multilateraler Treuhandfonds, organisiert für diesen Zweck die internationale Unterstützung. In Deutschland haben das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und die KfW bislang über 100 Millionen Euro für den Crop Trust bereitgestellt, mehr als die Hälfte in Form von Zuschüssen aus Mitteln des Bundeshaushalts sowie 50 Millionen als Förderkredit der KfW.
Svalbard Saatgutbank
Virtuelle Tour
Mehr erfahrenWenn man mit Michael Wehinger von der KfW spricht, kommt man schnell vom Geld auf die Emotionen. Der für den Crop Trust zuständige Abteilungsleiter war im Februar ebenfalls dabei, als die neuen Saatgutproben in Svalbard eingelagert wurden. „Das ist sehr beeindruckend und bringt automatisch Gedanken auf, was der Klimawandel für uns alle bedeuten wird.“ Vor deutschen Supermarktregalen mag das noch anders sein, da sind die Konsumenten überversorgt mit frischen Erzeugnissen von Feldern und Plantagen aus aller Welt. „Aber wenn wir genauer hinschauen, sehen wir nur noch sehr wenige Arten, egal von welcher Pflanze“, argumentiert Wehinger. „Das muss uns Sorgen bereiten.“
An vielen Orten auf der Welt ist der Klimawandel und sind pestizidresistente Schädlinge und Pflanzenkrankheiten bereits so weit vorgestoßen, dass Monokulturen mit den immer gleichen Saaten nicht mehr funktionieren. Hier setzen die Experten auf Biodiversität und auch neu gezüchtete, eher lokal verwendbare Sorten. Um dahin zu gelangen, ist die Arbeit der Saatgutbewahrer von höchstem Wert. Für widerstandsfähige Pflanzen reicht es eben nicht aus, zwei Sorten zu kreuzen. Die Forschung muss vielmehr auf ganze Arsenale von Genen zurückgreifen können.
Die Saatgutbank als Sicherungskopie für globale Partner
Der Crop Trust unterstützt mit seiner Arbeit jene Institute, die sich regional oder auch in einzelnen Staaten um den Erhalt der Biodiversität von Nutzpflanzen kümmern. Die Organisation hilft beim Austausch der Informationen, beim Verbreiten von Wissen, beim Erhalten von Genbanken im globalen Süden. Etwa 300 Millionen Dollar Kapital hatte der Crop Trust zum Jahreswechsel unter seiner Verwaltung. Ein gutes Polster, sagt Stefan Schmitz, um gerade in ärmeren Ländern etwas zu bewirken und auch akuten Wirtschaftskrisen zu trotzen, etwa durch die Corona-Pandemie. „Diese Arbeit dürfen wir nicht unterbrechen.“
Das gilt für die Kühlung der Anlagen in nationalen Saatgutbanken in Südostasien ebenso wie für den Betontunnel in Svalbard. Dort ist man in den vergangenen Jahren zur „Sicherheitskopie“ für die anderen globalen Partner geworden, erklärt Schmitz. Der Ort, unterhalten und überwacht von den norwegischen Behörden, biete Sicherheit wie keine andere Zuflucht auf Erden. Er ist seismisch stabil, von der Natur gekühlt, kaum zu erreichen und technisch gesichert. Für die Partner in der Welt bietet er eine beruhigende Option. Allerdings musste das Gebäude selbst schon an die Auswirkungen des Klimawandels angepasst werden. Infolge warmer Sommer war der Permafrostboden in den Jahren seit dem ursprünglichen Bau nicht mehr wie erwartet komplett gefroren, Wasser ist in den Eingangstunnel eingetreten. „Das Saatgut selbst war nie in Gefahr, aber das musste korrigiert werden“, sagt Schmitz. Der Tunnel ist jetzt wasserdicht, die Kühlanlage in ein eigenes Gebäude umgesetzt worden – diese Anpassungen sollen zumindest für einige Jahrzehnte genügen. Einmal bot der norwegische Tresor bereits die Rettung. Infolge des Bürgerkriegs in Syrien hatte das internationale Zentrum für Agrarforschung in Trockengebieten (ICARDA) den Zugang zu seiner Saatgutbank in Aleppo verloren. Mit den Saaten aus dem Tresor in Svalbard konnten die Sorten von 2015 bis 2019 in Marokko und Libanon neu hinterlegt werden.
Dank einer neuen deutschen Finanzierung über die KfW kann der Crop Trust nun seine Arbeit um eine wichtige Dimension erweitern. Kooperierte das Team bislang vor allem mit internationalen Agrarforschungsinstituten hinsichtlich langfristiger Unterstützung, so widmet es sich nun auch der längerfristigen Zusammenarbeit mit einzelnen nationalen Saatgutbanken in Entwicklungsländern. Das Projekt Seeds for Resilience (Saaten für Widerstandsfähigkeit) soll dort Lücken schließen. Dabei geht es nicht nur um international einheitliche Qualitätsstandards bei der Saatgutvermehrung und -einlagerung. „Wir wollen dabei helfen, die nationalen Saatgutbanken krisenfest zu machen und ihren Betrieb langfristig sicherzustellen“, erklärt KfW-Experte Wehinger. Die Mittel kommen aus der BMZ-Sonderinitiative "Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme". Um dieses Ziel der gut ernährten Welt trotz des Klimawandels zu erreichen, ist internationale Zusammenarbeit von größter Bedeutung: beim Teilen von Informationen, beim Erhalt der lokalen Infrastruktur von Saatgutbanken – und beim Sichern von Hunderttausenden Sorten auf einem eisigen Archipel im Arktischen Ozean.
Auf KfW Stories veröffentlicht am 19. Mai 2020, aktualisiert am 8. Dezember 2023.
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 2: Ernährung sichern
Noch immer hungern 795 Millionen Menschen, zwei Milliarden Menschen sind mangelernährt. Hunger ist nicht nur das größte Gesundheitsrisiko, sondern auch eines der größten Entwicklungshemmnisse. Er trägt zu Flucht und Vertreibung bei, fördert Perspektivlosigkeit und Gewalt. Es werden heute genügend Nahrungsmittel auf der Welt produziert, um allen Menschen eine ausreichende Ernährung zu sichern. Allerdings haben aufgrund von mangelnder Infrastruktur, Handelsbarrieren und bewaffneten Konflikten nicht alle Menschen den gleichen Zugang zu Nahrung. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
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