Für Tausende Bauern rund um Bangalore, der Hauptstadt des indischen Bundesstaates Karnataka, heißt die Alternative zum umweltschädlichen Verbrennen von Pflanzenabfall: gewinnbringend verkaufen. Das deutsche Unternehmen Bio-Lutions zahlt für ihre ungenutzten Agrarabfälle und produziert aus dem Rohstoff Geschirr und Verpackungsmaterial. Die DEG unterstützt das Start-up.
Kurian Mathew steht in der nagelneuen Fertigungshalle an einer Ausfallstraße Bangalores und sagt: „Es fühlt sich gut an, der eigenen Tochter erzählen zu können: Meine Arbeit ist ökologisch, und man verdient noch Geld damit.“ Mathew, 43, ist einer der Leiter der indischen Produktionsstätte der Hamburger Firma Bio-Lutions. Er greift in einen weißen Sack, holt eine Handvoll brauner Fasern heraus und lässt sie durch seine Finger rieseln. Der Rohstoff kommt aus dem Sammelzentrum, das 15 Kilometer von der Fabrik entfernt liegt. Dort werden die angelieferten Pflanzenreste gesäubert, gehäckselt, getrocknet und in Säcke abgefüllt. An Nachschub herrscht kein Mangel, die Gegend rund um die Hightech-Metropole Bangalore ist Agrarland.
Nachdem die Pilotanlage von Bio-Lutions, 2017 in Betrieb genommen, ihren Test bestanden hatte, ermöglichte die DEG, ein Tochterunternehmen der KfW, dem deutschen Start-up mit einer Finazierung über 500.000 Euro die Aufnahme der Serienproduktion von Tellern und Schachteln aus nachwachsenden Rohstoffen. Die Mittel stammen aus dem Programm Up-Scaling, mit dem die DEG innovative Mittelständler in Deutschland und der Welt fördert. „Mit der Investition in Bangalore wird eine wettbewerbsfähige Alternative zu Plastik auf den Markt gebracht und armen Bauern zu einem zusätzlichen Einkommen verholfen“, sagt Alexander Feltes, Analyst und Kundenbetreuer von der DEG.
„Alle denken, das ist so eine einfache Technologie, warum hat sich das nicht schon früher jemand ausgedacht?“, sagt Mathew. Dabei tüftelten Eduardo Gordillo, Gründer von Bio-Lutions, und die Brandenburger Firma Zelfo Technology mehrere Jahre an der Entwicklung ihres Verfahrens. Es sollte ein nachhaltiger Rohstoff entwickelt werden, der ohne chemische Zusätze auskommt, sich zur Massenproduktion eignet und preislich mit Plastik und Papier oder Pappe konkurrieren kann.
Weder Mathew noch der gebürtige Kolumbianer Gordillo, der vor Jahren nach Deutschland zog, kommen aus der Recyclingbranche. Beide sind Architekten und Produktdesigner. Kennengelernt haben sie sich vor einigen Jahren in China. Der Dokumentarfilm „Plastic Planet“ habe ihn auf seine Öko- und Geschäftsidee gebracht, sagt Gordillo, 52, der nichts weniger will, als „die Welt der Verpackung grundlegend zu verändern“.
Mathew steht vor einem Bassin in der sauberen Halle, durch die der Lärm der unentwegt arbeitenden Pressen dröhnt. Nachdem die Pflanzenfasern aufgespalten und zu einem klebrigen Brei vermischt wurden, fällt dieser in den großen, wassergefüllten Bottich. Ein mechanischer Rechen zieht durch die Masse, die einen sehr hohen Wasseranteil hat, und es entsteht ein Gemisch ähnlich wie bei der Papierherstellung. Von hier läuft es durch ein Rohr in Pressen, die die Produkte in ihre Form bringen.
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Produktionsprozess der Bio-Lutions-Verpackungen
Schritt 1
Die Idee der kompostierbaren Verpackungen ist ein natürlicher Kreislauf: Die Pflanzenreste werden zu Fasern verarbeitet, aus denen Verpackungen hergestellt werden. Diese können am Ende als Biomüll kompostiert oder auch nahezu CO₂-neutral verbrannt werden.
Weg mit dem Plastikmüll!
Die KfW Bankengruppe hat Mitte Oktober 2018 gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank und der französischen Entwicklungsbank Agence Française de Développement die Clean Oceans Initiative gestartet. Die Partner stellen zunächst zwei Milliarden Euro bereit, um die Verschmutzung der Weltmeere zu reduzieren.
Mehr erfahrenUnter hohem Druck entstehen braune Teller und Schalen. Ein Arbeiter löst sie aus den Formen, ein anderer entgratet sie. Die Prozesse könnten auch vollautomatisch ablaufen, aber so schafft man Jobs. 20 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen derzeit am Standort Bangalore. Rund vier Tonnen Pflanzenreste pro Tag verarbeitet Bio-Lutions derzeit. Die Zahl der Pressen soll aber bereits im laufenden Jahr von acht auf zwölf erhöht werden. Bisher beliefert Bio-Lutions unter anderem die Supermarktkette Bigbasket, die Obst und Gemüse auf den zu 100 Prozent abbaubaren Pappen anbietet. Krankenhäuser ordern bei Bio-Lutions Einwegschalen für medizinische Bestecke. Die Produkte können auch beschichtet werden, um sie wasser-, öl- oder fettabweisend zu machen.
Noch beschränkt sich das Geschäft auf Indien, aber schon jetzt berichtet Mathew von „vielen Anfragen aus Europa“. Auch auf der Produktebene denkt man über Expansion nach und überlegt, recycelbares Einwegbesteck und Verpackungsmaterialien zu produzieren und damit einen für das Unternehmen ganz neuen Absatzmarkt zu erschließen. Für die Produktion von Besteck müssten Spritzgussmaschinen den dünnflüssigen Faserbrei in Form bringen.
Selbst bei der Verarbeitung von Abfall fällt Abfall an. Bio-Lutions muss einmal im Monat das Wasser, das wieder und wieder gereinigt wird und zurück in die Faseraufbereitung fließt, entsorgen. Mathew verlässt die Fabrikhalle und führt durch einen Garten vor der Hallenfront. Dort wachsen keine Blumen, sondern Nutzpflanzen: Blumenkohl, Papaya, Chili, Maniok in Reih und Glied. Was zwischen den Pflanzen liegt, sieht aus wie Packpapierfetzen, sind aber Faserüberbleibsel. Das Abwasser aus der Verarbeitung von Pflanzenresten lässt Pflanzen wachsen. So was nennt man Kreislaufwirtschaft.
Auf KfW Stories veröffentlicht am: Montag, 14. Januar 2019
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 1: Armut beenden
Rund elf Prozent der Weltbevölkerung leben in extremer Armut. Im Jahr 2015 waren es etwa 836 Millionen Menschen. Sie mussten mit weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag auskommen. Die Weltgemeinschaft hat es sich zum Ziel gesetzt, die extreme Armut bis 2030 komplett zu beenden. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
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