Eisbär in der Arktis
Naturschutz

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Der schmelzende Lebensraum

Artenschutz-Expertin Sybille Klenzendorf setzt sich beim WWF unter anderem für den Schutz der Eisbären im Arktis-Programm ein. In diesem Interview beschreibt sie die aktuelle Bedrohung durch den Klimawandel.

Zur Person
Sybille Klenzendorf vom WWF

Sybille Klenzendorf ist Artenschutz-Expertin beim WWF. Ihre Leidenschaft gilt den Eisbären, für die sich sich im Arktis-Schutzprogramm stark macht.

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Frau Klenzendorf, kein Ort auf der Erde ist so stark vom Klimawandel betroffen, wie die Arktis. Wie wird sich der Lebensraum der Eisbären künftig verändern?

Wenn wir nicht ganz schnell die Klimaerwärmung stoppen, wird das Eis komplett schmelzen. Das ist traurig und wird für die Eisbären dramatische Folgen haben. Seit den 1980er-Jahren hat sich die durchschnittliche Temperatur in der Arktis pro Dekade um jeweils ein ganzes Grad erhöht. Das Sommer-Packeis ist seit dieser Zeit schon um zirka 40 Prozent geschrumpft. Die arktischen Sommer werden immer länger und die Winter immer kürzer. In einigen Gebieten ist die eisfreie Zeit im Vergleich zu den 80er-Jahren um sechs Wochen angestiegen. Das sind wirklich gravierende Veränderungen.

Und was bedeutet das für die Eisbären?

Sie werden dazu gezwungen, ihr Verhalten zu ändern. Normalerweise jagen Eisbären – vor allem im arktischen Winter – auf dem Packeis Robben, weil sich dort vor allem die Atemlöcher oder Bruthöhlen der Robben befinden. Im Sommer schmelzen große Teile des Eises und für die Eisbären beginnt die Fastenzeit. Dadurch, dass die Sommer immer länger werden, verlängert sich auch die Fastenzeit. Für ein oder zwei Wochen ist das kein Problem. Aber in vielen Regionen bleibt das Packeis mittlerweile zehn Wochen oder länger aus, in denen die Bären kaum etwas fressen können. Das macht es ihnen auch schwer, sich fortzupflanzen und den Nachwuchs zu versorgen.

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Welche Auswirkung hat das auf das Zusammenleben von Eisbär und Mensch?

Zum einen begegnen sie sich öfter, weil der Zeitraum, in dem Eisbären an Land sind, länger wird. Daher denken viele Menschen in Alaska, es gebe heute mehr Eisbären als früher. Hinzu kommt, dass sich Eisbären, die seit Monaten Hunger haben, natürlich anders verhalten als solche, die nur ein oder zwei Wochen fasten müssen: Sie nähern sich menschlichen Siedlungen, suchen auch Nahrung auf Müllhalden und sind auch eher bereit, Menschen anzugreifen, was immer häufiger vorkommt. Zudem sind viele der Bewohner dieser Regionen in Alaska noch Subsistenzjäger, die Wale, Robben und Karibus für den eigenen Bedarf jagen. Die Überreste dieser Tiere locken wiederum auch Eisbären an.

Wie unterstützt der WWF diese Kommunen?

In manchen Kommunen zäunen wir gemeinsam mit den Einheimischen die Müllhalden ein und beraten sie beim Umgang mit den Beuteresten. Oder wir besorgen Kühlschränke, in denen das Fleisch gelagert werden kann – denn die traditionellen Eiskeller schmelzen mittlerweile auch in den Sommermonaten.

Wie viele Eisbären gibt es denn derzeit überhaupt noch?

Durch wissenschaftliche Studien schätzen wir die Population auf 22.000 – 31.000 Tiere. Wenn wir den Eisbären jetzt nicht helfen, werden wir aber wohl mindestens ein Drittel davon bis zum Jahr 2050 verlieren.

Wie kann den Eisbären geholfen werden?

In erster Linie muss der Klimawandel begrenzt werden. Für arktische Spezies ist die globale Erwärmungsgrenze von deutlich unter zwei Grad Celsius, die im Pariser Klimaabkommen festgelegt wird, eine lebensentscheidende Grenze. Demzufolge muss alles dafür getan werden, dass vor allem auch Deutschland seiner Verantwortung nachkommt.

Was hat denn Deutschland mit den Eisbären zu tun?

Schließlich ist Deutschland einer der größten CO₂-Emittenten der Welt. Zwar gilt in Deutschland Energie aus Kohle als Auslaufmodell, aber sehr viele Kraftwerke sind noch in Betrieb. Ohne einen Kohleausstieg wird die Zwei-Grad-Grenze nicht zu halten sein. Demnach kann Deutschland durchaus eine ganze Menge tun.

Ist der Klimawandel in der Arktis inzwischen gut dokumentiert?
Die Welt droht in den nächsten Jahren ein ganzes Drittel ihrer Eisbären zu verlieren – schlicht weil ihnen der Lebensraum untern den Tatzen wegschmilzt. Die letzten drei Jahre waren jeweils Rekordjahre, mit noch nie zuvor gemessenen Spitzentemperaturen. Der Klimawandel ist real und er ist menschengemacht.

Auf KfW Stories veröffentlicht am: Mittwoch, 1. November 2017

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