Angelique Songco hat eine Mission. Als Leiterin des Parkamts des Tubbataha Reefs Natural Park in der philippinischen Sulusee setzt sie sich für den Schutz von Korallenriffen ein. Dafür hat die KfW Stiftung Songco mit dem KfW-Bernhard-Grzimek-Preis 2019 für Biodiversität ausgezeichnet. Wir stellen Ihnen die charismatische Preisträgerin in ihrem Einsatzgebiet vor: dem „Korallendreieck“, jener Region im Indopazifik mit der weltweit größten marinen Biodiversität.
Die Preisträgerin
Angelique Songco spricht über ihre Mission (KfW Bankengruppe/Medienkontor/Ines Possemeyer).
Wie ein gestrandetes Raumschiff steht inmitten der philippinischen Sulusee eine kleine weiße Kapsel, aufgebockt auf einer Sandbank: die einsamste Rangerstation der Welt. Mehr als 100 Kilometer von der nächsten Insel entfernt, bewachen hier neun Männer den Tubbataha Reefs Natural Park, das größte Meeresschutzgebiet der Philippinen und UNESCO-Weltnaturerbe.
Wenn sich im April die raue See legt, kommt Parkleiterin Angelique Songco zu Besuch: Die charismatische Mittfünfzigerin leitet das Parkamt seit 2001 und hat die Rangerstation einst mit aufgebaut. „Für mich ist sie wie ein Zuhause“, sagt sie.
Die Überfahrt von ihrem Amtssitz in der 150 Kilometer entfernten Hafenstadt Puerto Princesa auf der Insel Palawan dauert mit einem gecharterten Fischerboot zwölf Stunden, doch regelmäßige Besuche sind ihr wichtig: „Ich möchte mich vergewissern, dass es den Männern und den Riffen gut geht.“
Es ist eine ungewöhnliche Männer-WG, die zwei Monate auf der 90 Quadratmeter kleinen Station verbringt: Die Abgesandten vom Park, der Küstenwache, Marine und der Verwaltung der nächstgelegenen Insel Cagayancillo teilen sich einen Schlafsaal, gewinnen Süßwasser aus Regen, erzeugen mit einem kleinen Rotor Strom, ziehen Kräuter – und patrouillieren mit einem Schnellboot auf einem Gebiet von der Fläche Berlins.
Bernhard Grzimek
Umweltschutzaktivist Prof. Dr. Bernhard Grzimek (1909-1987) war Direktor des Frankfurter Zoos und langjähriger Präsident der Frankfurter Zoologischen Gesellschaft. Der Dokumentarfilm „Serengeti darf nicht sterben“ von Bernhard Grzimek und seinem Sohn Michael wurde international mit Preisen gewürdigt.
Das Tubbataha-Riff ist ein mariner Schatz
Unter der Wasseroberfläche verbirgt sich ein mariner Schatz: 10.000 Hektar Korallenriffe, verteilt auf zwei Atolle. Mehr als 600 Fischspezies kommen hier vor, darunter 23 Hai- und Rochenarten. Auch 60 Prozent aller Korallenarten finden sich hier – schließlich zählt Tubbataha zum „Korallendreieck“, jener Region im Indopazifik mit der weltweit größten marinen Biodiversität.
Das macht Tubbataha zu einer wichtigen Kinderstube für Fische, die von hier hinaus in die Sulusee ziehen, in ein Meer, das Lebensgrundlage für Millionen Filipinos ist.
Die Philippinen bestehen aus mehr als 7.000 Inseln. Die Fischereiwirtschaft zählt zu den international bedeutendsten. Dabei ernährt der Großteil des Fangs die eigene Bevölkerung. Derzeit zählt sie 105 Millionen Menschen, bis 2050 dürften weitere 40 Millionen hinzukommen.
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Die Ranger im Tubbataha-Riff Nationalpark leben mehr als 100 Kilometer von der nächsten Insel entfernt auf der Rangerstation. Insgesamt neun Männer sorgen für den Schutz der Korallenriffe.
Riffwächter schützen Tubbataha erfolgreich
Doch den Fischbeständen geht es schon heute schlecht. Große Trawler haben kleinen Fischern die Lebensgrundlage geraubt, die Riffe entlang der Küsten sind vielerorts in einem erschreckenden Zustand: zerstört von Sedimenteinträgen, von Cyanid- und Dynamitfischerei.
Als die Zerstörung in den 1980er-Jahren auch auf das abgelegene Tubbataha übergriff, wurden die Riffe unter Schutz gestellt. „Wenn die Ranger nicht hier wären, hätten wir Tubbataha längst verloren“, ist Songco überzeugt. Die bewaffneten Riffwächter haben bisher 530 illegale Fischer verhaftet. Inzwischen gibt es kaum noch Festnahmen – die hohen Strafen von drei bis sechs Jahren Gefängnis haben sich herumgesprochen. Der Erfolg ist auch wissenschaftlich messbar: Im Vergleich zu den ersten Erhebungen vor mehr als 20 Jahren haben Zahl und Größe vieler Rifffische zugenommen; die Korallen sind in einem besseren Zustand.
Doch wegen des Schutzstatus verloren die rund 6.000 Bewohner der 130 Kilometer nordöstlich gelegenen Insel Cagayancillo ihre Lebensgrundlage: Sie waren einst jedes Jahr für mehrere Wochen nach Tubbataha gesegelt, um zu fischen, Schildkröten zu jagen und auf den zwei winzigen Inseln der Atolle Schildkröten- und Vogeleier zu sammeln. Die Parkverwaltung unterstützt ihre Gemeinden seither finanziell, investiert in Infrastruktur, vergibt Mikrokredite und berät beim Aufbau alternativer Einkommensquellen wie Landwirtschaft und Tourismus. Inzwischen leben mehr als zwei Drittel der „Cagayanons“ von Seegrasfarmen, und mithilfe kleiner mariner Schutzgebiete haben sie das Fischvorkommen vor ihrer eigenen Küste erhöht.
Grzimek-Preis
Der Schutz von Klima und Umwelt ist eines der vier Tätigkeitsfelder der KfW Stiftung. Mit ihren Projekten möchte die Stiftung das Thema Biodiversität, das zu den großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit zählt, in das öffentliche Bewusstsein rücken und auf die Notwendigkeit des Artenschutzes hinweisen. Der international renommierte KfW-Bernhard-Grzimek-Preis wird alle zwei Jahre an herausragende Persönlichkeiten oder Organisationen verliehen, die sich mit ihrer Kreativität und Innovationskraft in besonderer Weise für die Erhaltung der Artenvielfalt einsetzen. Die KfW Stiftung würdigt hiermit gleichzeitig das Lebenswerk des Frankfurter Zoodirektors und Naturschützers Prof. Bernhard Grzimek.
Tubbataha-Riff ist bei Tauchern beliebt
Statt illegaler Fischer zieht Tubbataha nun Touristen an: Die Riffe zählen zu den spektakulärsten Tauchplätzen der Welt. Binnen weniger Jahre hat sich die Zahl der Besucher auf derzeit 3.000 pro Saison verdoppelt, jeder zahlt eine Parkgebühr von rund 85 Euro. Mit diesen Einnahmen kann Songco, selbst passionierte Taucherin, gut die Hälfte ihrer Kosten abdecken. Ein festes Budget hat der Park bis heute nicht, sie muss immer wieder neue Mittel eintreiben. Dennoch sieht sie die wachsende Zahl von Liveaboard-Tauchbooten mit Sorge: „Nicht alle Parkbesucher gehen achtsam mit den Riffen um“, beobachtet sie. „Ich fürchte, wir werden ihre Zahl eines Tages beschränken müssen.“ Derzeit plant sie eine Belastbarkeitsstudie.
Eine andere Bedrohung konnte sie bereits abwenden: internationale Schifffahrt durch das Schutzgebiet. Die Seekarten sind ungenau, immer wieder sind große Schiffe auf die Riffe aufgelaufen und haben dabei allein in den letzten Jahren Tausende Quadratmeter Korallen zerstört. 2017 hat die Internationale Seeschifffahrtsorganisation Tubbataha als erste Particularly Sensitive Sea Area (PSSA) Südostasiens anerkannt: als ökologisch besonders sensibles Meeresgebiet. Nun gilt: Durchfahrt verboten.
Auch ein neuer Leuchtturm markiert neuerdings das südliche Atoll. Er steht auf einer Insel, kleiner als ein Fußballfeld und Brutplatz für Black Noddies, eine Seeschwalbenart, die nur hier vorkommt. Auf einem weiteren Eiland im Nordatoll nisten vor allem Rot- und Blaufußtölpel. Seit Tubbataha geschützt ist, hat sich die Zahl der Seevögel auf 30.000 verdoppelt.
„Dieser kostbare Ort muss geschützt werden, für die Filipinos und für den Rest der Welt.“
Den Antrag für den Leuchtturm hatte Songco vor 21 Jahren gestellt. „Endlich hat die Küstenwache meinen Traum wahr werden lassen“, sagt sie und hofft, dass sie für einen anderen Traum nicht ganz so viel Geduld braucht: den Bau einer neuen Rangerstation. Die Pläne liegen schon seit einigen Jahren bereit. Zahlreiche Taifune haben die 20 Jahre alte Station gezeichnet: Die Wände sind rissig, das Holz ist verwittert. Angelique Songco sitzt auf der Veranda und blickt über das türkisfarbene Meer. Eine Schildkröte reckt ihren Kopf aus dem klaren Wasser, ein Ammenhai zieht vorbei. „Dieser kostbare Ort muss geschützt werden, für die Filipinos und für den Rest der Welt“, sagt sie. Und fügt lächelnd hinzu: „Das ist kein Job, sondern eine Mission.“ Ihre Mission.
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 13: Klimawandel sofort bekämpfen
Wassermangel, Dürre, Wirbelstürme und Überschwemmungen sind nur einige der vielen Folgen des globalen Klimawandels und Ursache für Migration. Derzeit sind etwa 20 Millionen Menschen gezwungen, infolge klimabedingter Ereignisse ihre Heimat zu verlassen. Der Klimawandel stoppt nicht an Ländergrenzen, und seine Auswirkungen beschränken sich nicht auf einzelne Politikfelder, Wirtschaftszweige oder soziale Gruppen. Auch die internationalen Bemühungen zur Eindämmung des Klimawandels müssen die zahlreichen Wechselwirkungen berücksichtigen, die sich zwischen diesen Bereichen ergeben. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
Auf KfW Stories veröffentlicht am: Donnerstag, 19. September 2019
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