Im südlichen Afrika pflegen fünf Staaten das größte grenzüberschreitende Naturschutzgebiet der Erde – trotz aller politischer Unterschiede. Einer der Auslöser dafür waren Elefanten. Zu viele Elefanten.
Wasser so weit das Auge reicht. Das Einbaum-Boot ersetzt über weite Strecken den Jeep. Der Fahrer steuert es mit einem langen Paddel durch die Kanäle, die die sattgrüne Graslandschaft durchziehen. Am Ufer ist plötzlich eine Horde Elefanten zu sehen. Junge Bullen toben miteinander, die älteren beobachten das Treiben des Nachwuchses. Dann geht der Blick zum Himmel, wo ein Fischreiher geräuschlos vorbeizieht. „Wer das sieht, bekommt eine Gänsehaut”, sagt Dr. Ralph Kadel vom Geschäftsbereich Entwicklungsbank der KfW. 1995 war er zum ersten Mal im Auftrag der Förderbank in dem Gebiet unterwegs, in dem später die Kavango-Zambezi Transfrontier Conservation Area (KaZa) entstehen sollte. „Dort vergisst man alles, was man in Europa je über Zeit gelernt hat.”
Der Ort, den Kadel beschreibt, liegt im größten grenzüberschreitenden Naturpark der Erde. Mit 520.000 Quadratkilometern ist das Gebiet etwa so groß wie Frankreich und Großbritannien zusammen. Die KfW unterstützt im Auftrag der Bundesregierung das Projekt seit 2004 als Hauptfinanzierer.
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(KfW / Thomas Schuch)
Im Jahr 2006 beschließen die Staatschefs der Länder Angola, Botswana, Namibia, Sambia und Simbabwe die Einrichtung eines gemeinsamen Naturschutzgebiets. 2011 wird darüber ein offizielles Abkommen unterschrieben. Im März 2012 folgt die offizielle Einweihung des KaZa Sekretariats. Einer der Hauptgründe für das Mega-Projekt: die Elefanten. In Botswana leben zu viele der Dickhäuter auf engem Raum. Die Artenvielfalt und die Menschen dort leiden unter dem massiven Appetit der grauen Vegetarier. In Angola hingegen würde man sich über ein paar mehr der Tiere freuen. Denn Elefanten sind Sympathieträger. Sie wirken wie Magneten auf Touristen.
KaZa umfasst 36 Nationalparks und drei Weltnaturerbestätten wie etwa das Okavango-Delta und die Tsodilo Hills in Botswana oder die Victoria-Fälle in Sambia und Simbabwe. Der Megapark soll die Wildreservate durch Korridore miteinander zu einem zusammenhängenden Naturraum verbinden und so Tier-Wanderungen auch in ehemalige Verbreitungsgebiete ermöglichen. Durch das Öffnen von Veterinärzäunen am Caprivi-Streifen werden die natürlichen Korridore wiederhergestellt. Der Lebensraum der Elefanten wird erweitert. Menschen und viele andere Tiere profitieren davon. 50 Amphibien-, 128 Reptilien- und knapp 200 Säugetierarten leben jetzt in dem gigantischen Naturschutzgebiet.
Neben Naturschutz und dem Erhalten von Wildtieren soll vor allem der Tourismus gefördert werden, um die wirtschaftliche Entwicklung in der Region anzukurbeln. Die Idee: Arbeitsplätze für Einheimische schaffen, dadurch die Armut bekämpfen und gleichzeitig die Beziehungen zwischen den beteiligten Ländern verbessern. Als Faustregel gilt: Etwa acht neue Touristen schaffen einen Arbeitsplatz. Politisch müssen sich die Nachbarländer in vielerlei Hinsicht einig werden, etwa bei Grenzzäunen, Naturschutzbestimmungen oder dem Umgang mit Wilderen. Das soll zu einem friedlichen Umgang miteinander beitragen.
Die KfW fördert das Projekt im Auftrag der Bundesregierung mit insgesamt 41 Millionen Euro. „KaZa ist ein sehr ehrgeiziges und vielversprechendes Programm, das sich in allen Bereichen gut entwickelt”, sagt der KfW-Projektmanager Nils Meyer. Bis die Ziele erreicht sind, könne es aber noch rund zwei Jahrzehnte dauern, schätzt er. Laut Meyer ist in den ersten Jahren viel Geld in den Aufbau regionaler Organisationen geflossen. Nun, in der dritten Projekt-Phase, sollen zum Beispiel die Landnutzungsplanung, des Management und der Erhalt der Schutzgebiete, die Reduzierung von Mensch-Wildtierkonflikten und Projekte wie standortgerechter Landbau oder Ökotourismus stärker gefördert werden. Dies schließt auch eine Reihe von Maßnahmen ein als Antwort auf die sozialen, ökonomischen und ökologischen Folgen der Covid-19-Pandemie.
Mehr als ein Ausflugsort
Welche Rolle KaZa für die ganze Region spielt, erläutern Experten in unserem Video (KfW Bankengruppe/Thomas Schuch).
Elefanten sind ein großer Tourismusmagnet und hatten dennoch nicht überall einen guten Ruf: 2011 konstatierte Botswanas Umweltminister Kitso Mokaila, sein Land habe mit 150.000 Tieren einen der größten Bestände Afrikas und von ihnen gehe eine Gefahr für Umwelt und Landwirtschaft aus. Dabei hätten die hungrigen Elefanten Botswana wohl allzu gern den Rücken gekehrt. Doch die Grenzzäune zwischen den Nachbarstaaten versperrten ihre traditionellen Migrationsrouten.
Seit KaZa eröffnet wurde, können immer mehr Elefanten und andere Tierarten wieder auf Wanderschaft gehen – ohne von Barrieren, die von Menschen errichtet wurden, behindert zu werden. Botswanas Problem wandert ab. Und die KaZa-Parks in Sambia und Angola werden durch die einwandernden Herden wieder attraktiver für Touristen.
Den Antrag auf Unterstützung durch die KfW Entwicklungsbank hat das Sekretariat für Regionale Entwicklung und Zusammenarbeit im Südlichen Afrika (SADC) für alle fünf Mitgliedsländer gestellt. „Es ist ein wunderbares Signal aus Afrika, dass es den fünf Staatschefs gelungen ist, gemeinsam einen völkerrechtsverbindlichen Staatsvertrag auf den Weg zu bringen”, sagt Kadel.
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Wildwechsel erwünscht
Der Megapark KaZa verbindet 36 Wildreservate in fünf Anrainerstaaten. Ein großer Vorteil gerade für die Wildtiere, die auf Nahrungssuche weite Strecken zurücklegen. Willkürliche Grenzen, die bisweilen noch aus Kolonialzeiten stammen, behindern sie nun nicht mehr.
Denn so vielfältig sie landschaftlich sind, so verschieden sind auch die politischen Voraussetzungen in den Staaten. In Angola etwa hat der 27 Jahre andauernde Bürgerkrieg deutliche Spuren hinterlassen. Bis vor kurzem noch verteidigte Staatspräsident José Eduardo dos Santos seine langjährige Macht – ebenso wie Simbabwes Staatsoberhaupt Robert Mugabe mit seinem autokratischen Regierungsstil.
Demgegenüber verfügt Botswana über ein funktionierendes demokratisches System. Auch die Präsidialdemokratie Namibias gilt unter den KaZa-Mitgliedstaaten als modern. Namibia hat in Zusammenarbeit mit dem WWF einen besonders innovativen Naturschutzansatz entwickelt, der die Gemeinden um die Nationalparks an den Tourismuseinnahmen beteiligt. Dieser Ansatz soll auf die anderen KaZa-Länder übertragen werden.
„Eine der großen Herausforderungen bei einem solchen Projekt ist es, dass einige Partner fortgeschritten sind und andere noch massive Probleme zu überwinden haben”, sagt Nils Meyer, der 2014 als Projektmanager die Nachfolge Ralph Kadels bei der KfW Entwicklungsbank angetreten hat. „Wir unterstützen die Staaten dabei, sich partnerschaftlich auszutauschen und voneinander lernen.”
Heute koordiniert das KaZa-Sekretariat im Norden Botswanas die Zusammenarbeit mit der KfW und anderen Gebern. Aktuell in Arbeit: Die Förderbank unterstützt das KaZa-Sekretariat und die Partnerländer, ein grenzübergreifendes Visum für das KaZa-Gebiet zu schaffen, das für alle fünf Länder gültig ist. Das würde Touristen eine Reise in die KaZa-Region erleichtern. Doch das ist kein leichtes Unterfangen wie die Pilotmaßnahme für Sambia und Simbabwe gezeigt hat. Enorm sind die Hürden zwischen den Nachbarländern und zwischen den zuständigen Behörden und Interessengruppen, so dass es einen langen Atem braucht.
Für Sambia und Simbabwe ist es inzwischen gelungen, ein gemeinsames Visum komplett in den Routinebetrieb zu überführen. Botswana und Namibia zeigen Interesse und Bereitschaft, sich auf ein gemeinsames Visum einzulassen. Aber dazu sind noch viele Fragen und Details zu klären, Widerstände zu überwinden und Genehmigungen einzuholen. „Bei einem so großen Projekt wie KaZa muss man in Etappen vorgehen. Es läuft nicht gradlinig, Hürden und Rückschläge gehören immer wieder dazu”, sagt Meyer. Ob und wann ein Visum für alle Länder geschaffen wird, lässt sich nicht sagen.
Die Einreise nach Botswana und Namibia ist derzeit ohnehin unkompliziert: Bei der Grenzkontrolle erhält man in beiden Ländern einen kostenlosen Einreisestempel in den Reisepass, der 90 Tage lang gültig ist. Für eine Reise nach Simbabwe, Sambia und Angola hingegen muss man bei der jeweiligen Botschaft ein Visum beantragen und sollte entsprechend Zeit dafür einplanen. Die Kosten für ein 30 Tage lang gültiges Visum liegen momentan bei 30 bis 80 Euro für Simbabwe und Sambia, je nachdem, wie oft man ein- und ausreisen möchte. Ein Tagesvisum zwischen den beiden Ländern ist derzeit für knapp 20 Euro zu haben, etwa, wenn man einen Ausflug von den Victoria Falls (Simbabwe) nach Livingstone (Sambia) machen möchte. Für ein Angola-Visum muss man allerdings mehr bezahlen, die Botschaft verlangt neben einem Nachweis über eine Gelbfieber-Impfung 150 Euro.
Auch die Bedingungen, unter denen die Menschen in der KaZa-Region leben und arbeiten, wollen die Beschäftigten des Programms verbessern. Manche von ihnen sind bereits seit Jahrzehnten in den Nationalparks und Reservaten tätig, die im KaZa-Gebiet liegen. Angemessene Unterkünfte für das Parkpersonal, sauberes Wasser, Fahrzeuge und Pistenstraßen – an alledem fehlte es, bevor das grenzübergreifende Naturpark-Netzwerk entstehen konnte. „Vor allem das verbesserte Transportnetz lässt uns heute deutlich effektiver arbeiten”, lobt Kekelwa Lubasi die Veränderungen seit der Eröffnung von KaZa. Gemeinsam mit ihrem Team arbeitet sie im Sioma Ngwezi National Park in Sambia, heute ebenfalls Teil von KaZa. Sind Lubasi und ihre Kollegen auf Patrouille, können sie nun mit dem Headquarter kommunizieren. Bei Problemen sind sie in dem 5.000 Quadratkilometer großen Parkabschnitt nicht mehr auf sich allein gestellt.
Besonders überzeugt hat Lubasi der Ansatz, die Menschen vor Ort in den Naturschutz einzubinden und ihnen damit neue Jobchancen zu eröffnen. „Damit uns die Bevölkerung im nachhaltigen Umgang mit den Tieren unterstützt, muss sie noch besser verstehen, wie sie selbst von den lokalen Umweltressourcen profitieren kann”, sagt ihr Kollege Likando Imangolwa. Deshalb informieren sogenannte Village Scouts die Anwohner über den Wert der natürlichen Schätze, die direkt vor der Haustür so selbstverständlich wirken. Je mehr Menschen sich von KaZa überzeugen lassen, desto verantwortungsvoller werden sie ihre Umgebung nutzen und vom Tourismus profitieren.
Um den Park bei umweltbewussten Besuchern aus dem Ausland bekannt zu machen, unterstützt die KfW KaZa auch bei der Entwicklung einer Marke und zeigt etwa bei der Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin Präsenz. „Viele Reiseveranstalter, für die KaZa ein immer beliebteres Ziel wird, legen Wert darauf, den Touristen auch die Zivilbevölkerung vorzustellen”, sagt Teamleiter Carsten Sandhop. Da kommt zum Beispiel Rangerin Lubasi ins Spiel. Als Guide führt sie Besuchergruppen durch ihren Park.
Die KfW Bankengruppe schreibt die Ausbildung des Fachpersonals groß – ein Gewinn für die Menschen vor Ort, wie das Beispiel von Likando Imangolwa zeigt: Als einer von zwei Parkmitarbeitern erhielt er die Chance, sich am Southern African Wildlife College zur Führungskraft im Bereich „Biodiversität und grenzübergreifender Naturschutz” ausbilden zu lassen. „Diese Erfahrung hat meine Einstellung zur Natur verändert”, sagt der Ranger. „Die Pyramide des Lebens kann nur dann weiter stabil stehen, wenn wir respektvoll mit unserer Umwelt umgehen. Als Naturschützer sind wir eine Minderheit, deren Aufgabe es ist, die Welt von dieser Wahrheit zu überzeugen.
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 8: Nachhaltiges Wirtschaftswachstum und menschenwürdige Arbeit für alle
Das Wirtschaftswachstum vergangener Jahrzehnte vollzog sich auf Kosten natürlicher Ressourcen und des Weltklimas und stößt längst an ökologische Grenzen. Es bräuchte mehrere Planeten Erde, um allen Menschen ein Leben zu ermöglichen, wie es heute in Deutschland selbstverständlich ist. Eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung bringt soziale, ökologische und wirtschaftliche Entwicklungsziele in Einklang. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
Veröffentlicht auf KfW Stories am 17. März 2017, aktualisiert am 27. Oktober 2021.
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