Der Kaukasus beherbergt einen riesigen ökologischen Schatz. Damit das so bleibt, engagiert sich die KfW seit 30 Jahren in Georgien. Die dortigen Schutzgebiete wachsen, der Tourismus zieht an – eine Erfolgsgeschichte.
Europas Balkon
Wie Arten in Georgiens Nationalparks geschützt werden (KfW Bankengruppe/Thomas Schuch/Alia Begisheva).
Otar Tsamalaidse steuert sein Auto durch unwegsames Gelände. Im Allradmodus, beinahe Standgas, rumpelt der Geländewagen im Kazbegi-Nationalpark über Felsbrocken, groß wie Medizinbälle. Irgendwann aber muss auch Tsamalaidse passen. Es geht immer weiter hoch, bis schließlich nur noch sehr erfahrene Bergsteiger mit Eis, Fels und Höhen über 5.000 Meter zurechtkommen. Den Gipfel des Kasbek nennt man in den Dörfern rundum „die Königin“. Bei den Menschen ist „die Königin“ präsent wie eine Person. „Die Königin ist traurig, weil du nicht artig warst“, sagt man den Kindern, wenn der Berg von Wolken verhangen ist. Und wenn die Felsen und Eisfelder in der Sonne leuchten, heißt es: „Die Königin lächelt, weil sie dich liebt.“
Tsamalaidse ist der Chefranger im Georgischen Nationalpark Kazbegi, und er legt großen Wert darauf, dass die Natur rund um den Berg Kasbek so bleibt, wie sie ist. Denn hier sind nach den Regeln der Weltnaturschutzunion IUCN, denen auch der Kazbegi-Park unterliegt, dem technischen Fortschritt enge Grenzen gesetzt. Nationalparks sind „Schutzgebiete, die umfangreiche Naturräume mitsamt den vorkommenden Arten und Ökosystemen langfristig schützen sollen“, so heißt das beim IUCN. Deshalb bekämpft Tsamalaidse mit zwölf Kollegen die Wilderei, hilft Bergwanderern auf den richtigen Weg und stoppt immer wieder seinen Geländewagen, um von eben diesen Touristen liegen gelassene Plastikflaschen in Müllsäcke zu stopfen.
Die KfW war dabei, als in Georgien vor gut zehn Jahren eine Reihe von Naturschutzgebieten eingerichtet wurde. Zusammen mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und der Naturschutzorganisation WWF betrachtet die KfW das Schutzgebiet Kazbegi als wertvollen Teil der Ökoregion Kaukasus mit den Staaten Georgien, Armenien und Aserbaidschan, die eine einzigartige Schnittmenge der Fauna und Flora Asiens, Europas, ja sogar des Nahen Ostens und Nordafrikas aufweist. Sie zählt zu den 25 Regionen mit der höchsten biologischen Vielfalt weltweit. 6.500 Pflanzenarten, 400 verschiedene Vögel, 150 Säugetiere, 150 Fischarten und 80 verschiedene Reptilien – ein ebenso seltener wie schützenswerter Schatz. Zehn Prozent der Fläche der Ökoregion Kaukasus sind gesetzlich geschützt, in Georgien soll auf Drängen auch der KfW der Anteil erheblich ausgeweitet werden. Seit über 20 Jahren kümmern sich die Deutschen mit Geld und gutem Rat um den Naturschutz besonders Georgiens, und es ist sichtbar, wie erfolgreich das Engagement schon war. „Es ist beeindruckend, dass in Georgien so ambitioniert Naturschutz angestrebt wird“, sagt Frank Mörschel, der zuständige Projektmanager im Geschäftsbereich KfW Entwicklungsbank. „Wir müssen aber dabei helfen, die Schutzgebiete später auch effektiv zu managen.“
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Die Hüter der Wildnis
Nationalparkchef Otar Tsamalaidse (hinten) bekämpft gemeinsam mit seinem Ranger Vladimir Valishvili die Wilderei im Kazbegi-Nationalpark, weist Wanderern den Weg und sorgt für Sauberkeit in der Region.
Um diese Hilfen und den Unterhalt der Schutzgebiete finanzieren zu können, wurde der Caucasus Nature Fund (CNF) gegründet, eine deutsche Organisation, die die langfristige Finanzierung der Schutzgebiete in der Region gewährleisten soll. 17 verschiedene Schutzgebiete werden so in der Region versorgt, und zum zehnjährigen Bestehen des CNF im Juni 2018 sagte sein Präsident David Morrison: „Diese Gebiete zählen zum Wertvollsten auf dem gesamten eurasischen Kontinent.“
Nur noch Kleingewerbe, traditionelle Landwirtschaft und nachhaltiger Tourismus sind dort erlaubt. Und so prägen auch an den Abhängen des Kasbek übergroße Rucksäcke die Szene, die Backpacker sprechen georgisch, französisch, hebräisch, englisch, deutsch, im 1.300-Seelen-Dorf Stepanzminda reiht sich ein Café ans nächste, kaum ein Wohnhaus, das nicht ein paar Zimmer vermietet. 1.700 Meter liegt Stepanzminda schon hoch, und über allem thront der 5.047 hohe Kasbek wie das Matterhorn über Zermatt. Nur dass der Kaukasusgipfel Kasbek rund 600 Meter höher ist als das Matterhorn und sogar noch gut 200 Meter höher als der Montblanc, der höchste Alpengipfel.
Ist hier noch Europa oder schon Asien? Für Geografen ist die Sache klar. Georgien liegt in Asien, zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer. Aber die Menschen verstehen sich als Europäer, sie haben eine uralte Sprache und eine eigene, uralte Schrift und eine größere Zahl von Rebsorten als etwa Frankreich.
Im Kazbegi-Nationalpark zeigt sich beispielhaft, was alles schützenswert ist. Hochalpine Blumenwiesen, fischreiche Bäche, Wälder, Gletscher am Kasbek. Steinadler kreisen, in den Wäldern verbergen sich Braunbären, Wölfe und Luchse, auf den meist steilen Hängen äsen Gämsen und Steinböcke, und vor zwei Jahren erst wurde oben in den Bergen ein kaukasischer Leopard beobachtet, eine der schönsten, seltensten und fast ausgestorben geglaubten Arten. Ein Leopard, wer hätte das gedacht. Sofort haben Nationalpark-Ranger überall Fotofallen aufgestellt. Mit Erfolg! Zuletzt allerdings wurde das Tier nicht wieder gesehen. Es mag nach Russland hinübergewandert sein, in einem der benachbarten riesigen Nationalparks verschwunden – wer weiß. Vor allem wenn Tiere wie der Leopard von einem Schutzgebiet zum anderen wandern können, ergibt das Konzept Sinn. Isolierte Populationen leiden bald unter Inzucht, deshalb sollen Korridore her, die nicht nur nationale Parks verbinden, sondern auch Grenzen zu Nachbarländern überschreiten.
BMZ, WWF und die KfW haben deshalb das Programm Ecoregional Corridor Fund gegründet, das in den nächsten zehn Jahren Schutzgebiete mit Korridoren verbinden und so den genetischen Austausch der Arten gewährleisten soll. Dabei ist mitunter viel Überzeugungsarbeit bei der einheimischen Bevölkerung notwendig, wenn durch den Naturschutz auch große Räuber wie Bären und Wölfe angelockt werden.
Genauso war es, als in Georgien in den vergangenen Jahren die einzelnen Nationalparks eingerichtet wurden. „Die Bevölkerung war anfangs sogar aggressiv eingestellt gegen die Parkprojekte“, sagt Nationalparkchef Tsamalaidse. Verständlich, denn Wölfe zum Beispiel, reißen häufig Nutzvieh wie Rinder und Pferde. Und niemand entschädigt die Viehzüchter dafür. Tsamalaidse: „Traditionell ist man es hier gewöhnt, dass etwa zehn Prozent der Herden an die Raubtiere fallen. Aber jetzt, wo beinahe jeder auf irgendeine Weise vom Nationalparktourismus profitiert, hat sich die Stimmung gegenüber dem Naturschutz gedreht.“
Dazu hat auch die KfW-Unterstützung für das Kleingewerbe im Bereich der Schutzgebiete beigetragen. So hat der Kleinbauer Giorgi Janukaschwili aus dem Dörfchen Sno dank der Finanzierung aus Deutschland zehn Bienenvölker anschaffen können, deren Honig er nun an Hotels verkauft. Auch die Holzschnitzer Bizina Snoveli und Mindia Gudusauri profitieren. Sie fertigen in ihrem kleinen Betrieb Möbel, sakrale Skulpturen und mythische Symbole. Manchmal auch nur Kitsch. Die KfW hat ihnen einen Satz Maschinen finanziert, die sie selbst nicht hätten bezahlen können. Im Gegenzug unterrichten sie einmal pro Woche eine Klasse Nachwuchsschnitzer. Und sie umarmen aus Dankbarkeit jeden Deutschen, der ihr Atelier betritt.
Der Kazbegi-Nationalpark umfasst 78.000 Hektar. Er ist drei Mal so groß wie der Nationalpark Bayerischer Wald, und der Anteil geschützter Flächen in Georgien beträgt 9,4 Prozent der Landesfläche. In Deutschland sind es lediglich 0,6 Prozent.
Im Kaukasus ist Optimismus erlaubt. Und so hat Otar Tsamalaidse schon mal fünf neue Rangerstellen beantragt. Die „Königin“ wird das sicher mit einem Lächeln quittieren.
Auf KfW Stories veröffentlicht am 16. August 2018, aktualisiert am 10. Mai 2023.
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 8: Nachhaltiges Wirtschaftswachstum und menschenwürdige Arbeit für alle
Das Wirtschaftswachstum vergangener Jahrzehnte vollzog sich auf Kosten natürlicher Ressourcen und des Weltklimas und stößt längst an ökologische Grenzen. Es bräuchte mehrere Planeten Erde, um allen Menschen ein Leben zu ermöglichen, wie es heute in Deutschland selbstverständlich ist. Eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung bringt soziale, ökologische und wirtschaftliche Entwicklungsziele in Einklang. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
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