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Fischstäbchen 2.0

Fisch aus dem Bioreaktor statt Überfischung der Meere: Das Hamburger Start-up Bluu Seafood will mit gentechnikfreien Zellkulturen eine nachhaltige Antwort auf den Lebensmittelbedarf der Zukunft geben.

KfW Award Gründen

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Fischstäbchen sind ein beliebter Snack für Jung und Alt. Doch der immense Bedarf an lebendem Fisch für ihre Herstellung ist alles andere als nachhaltig.

Was wäre, wenn der Verzehr der frittierten Spezialitäten nicht zur Überfischung der Weltmeere beitragen würde? Oder Fischfrikadellen und Sashimi keine maritimen Meeresbewohner mehr bedrohten?

Bluu
(Quelle: KfW / n-tv)

Gruppenfoto der Bluu Mitarbeiter
Mitarbeitende

30 Mitarbeitende aus den Bereichen Meeresbiologie, Biomedizin, Biotechnologie und Pharmazie sind für das Biotechnologie-Start-up tätig.

Diese Vision verfolgt das Biotechnologie-Start-up Bluu Seafood aus Hamburg. Die Idee: Aus Stammzellen von Fischen wie Regenbogenforellen und Atlantik-Lachs soll ein nachhaltiges Lebensmittel entstehen, das in Geschmack und Nährstoffgehalt wild gefangenem Fisch in nichts nachsteht. Die Kulturen könnten dann Produkten wie Fischstäbchen beigemischt werden und so beispielsweise den Fang von Seelachs überflüssig machen.

„Der industrielle Fischfang stellt ein massives Natur- und Umweltproblem dar und zerstört maritime Lebensräume“, sagt Bluu-Marketingchef Cornelius Lahme. „Gleichzeitig brauchen wir Alternativen für eine wachsende Weltbevölkerung, die ernährt werden will. Und zwar mit Lebensmitteln, die schmecken, die die gleichen Nährstoffe liefern und keine Belastungen wie Mikroplastik und Schwermetalle aufweisen.“

Fisch aus dem Labor

Ein Fischbällchen von Blue Seafoods liegt auf einem Teller mit Stäbchen
Fischbällchen

Leckerei ohne Tierleid: Die Fischbällchen von Blue Seafoods kommen ohne Eingriffe in maritime Lebensräume aus.

Das Labor des Unternehmens ist eine Blaupause dafür, wie die Zucht der Zukunft aussehen könnte. In Bioreaktoren wachsen Millionen von Zellen heran - angetrieben von der natürlichen Zellteilung. Die Zellen schwimmen in einer roten Nährflüssigkeit, die sie genauso versorgen soll wie Fische im Wasser. Es herrschen Temperaturen und ein pH-Wert wie im Körper eines Fisches.

 Millionen Stammzellen lagern tiefgefroren im Stahlschrank
Tiefgefrorener Schatz

Millionen Stammzellen lagern im Stahlschrank

„Im Wesentlichen besteht das Nährmedium aus dem, was alle Lebewesen brauchen: Zucker, Vitamine und Mineralien“, erklärt Lahme. Die Herausforderung: durch ständiges Experimentieren den richtigen Mix für das optimale Wachstum der Zellen zu finden. Dabei will das Biotech- und Ernährungs-Start-up auf umstrittene Nährstoffe wie fötales Kälberserum verzichten (FBS). Noch wird das umstrittene Serum weltweit in der Zellkultivierung eingesetzt. FBS wird ungeborenen Kälbern entnommen, wobei der Tod der Tiere in Kauf genommen wird.

„Wir können schon ohne FBS arbeiten, setzen es aber derzeit noch in der Forschung ein. Langfristig werden wir darauf verzichten - schon allein aus ethischen Gründen. Wir können nicht auf der einen Seite sagen, dass wir Tierleid vermeiden wollen und auf der anderen Seite durch den Einsatz von FBS Tierleid verursachen“, sagt Cornelius Lahme.

Gentechnikfreie Zellkultivierung

Eine Mitarbeiterin im Labor mit Kolben der roten Nährlösung mit Fischzellen
Ozean in Rot:

In der Nährlösung finden die Fischzellen alle Stoffe, die sie zum Wachstum brauchen.

Nach acht bis neun Tagen haben sich die Zellkulturen in den großen Bioreaktoren so weit vermehrt, dass sie geerntet und weiterverarbeitet werden können - zum Beispiel zu Fischbällchen, einer der Produktideen des Start-ups.

Der wohl größte Schatz von Bluu Seafood befindet sich in einem abgedunkelten Nebenraum. Er lagert in einem Stahltank und in flüssigem Stickstoff bei minus 179 Grad Celsius. „Das ist unsere Zellbank“, sagt Lahme. Sie enthält die tiefgefrorenen Stammzellen. „Bei unseren Zelllinien handelt es sich von Natur aus um sogenannte immortale Zellen“, sagt Lahme. Das heißt, sie können sich ohne Qualitätsverlust immer wieder neu teilen. „Ein Einsatz der Gentechnik ist dafür nicht nötig.“ Da nach der Ernte immer Zellen übrigbleiben, die als Basis neuer Kulturen dienen, muss die Reserve im Stahltank in der Regel nie angerührt werden.

Ziel: wettbewerbsfähig im Supermarkt

Die Stammzellen von Forelle und Lachs teilen sich sichtbar unter dem Mikroskop
Kraftzellen

Die Stammzellen von Forelle und Lachs können sich ohne Qualitätsverlust teilen.

„Unsere Technologie der Zellkultivierung für den Fisch von morgen funktioniert,“ sagt der Bluu-Manager. „Angefangen haben wir mit Petrischalen. Jetzt sind wir bei Reaktoren mit 500 Liter Fassungsvermögen.“

Ziel ist es, die Produktion auf mehrere Tonnen hochzuskalieren. Die Kosten sollen so weit sinken, dass der Fisch aus dem Bioreaktor auch im Supermarkt konkurrenzfähig ist. Damit das mittelfristig gelingt, arbeiten derzeit 30 Frauen und Männer für das Unternehmen, das 2020 als Spin-off der Lübecker Fraunhofer-Einrichtung für Individualisierte und Zellbasierte Medizintechnik gegründet wurde. Sie stammen aus Fachrichtungen wie Meeresbiologie, Biomedizin, Biotechnologie und Pharmazie.

Auf KfW Stories veröffentlicht am 27. März 2025