Das niedersächsische Start-up "Crafting Future" stemmt sich gegen die Müllflut. Es begleitet die Gastronomie bei der Umstellung von Einweg- auf Mehrwegverpackungen und bringt bald sein eigenes Sortiment aus biobasiertem Material auf den Markt.
Crafting Future
Landessieger Niedersachsen beim KfW Award Gründen 2021 (Quelle: KfW/n-tv)
Jedes Jahr gelangen acht Millionen Tonnen Müll in die Weltmeere. Die Weltbank hat ausgerechnet, dass die weltweiten Müllmengen von derzeit etwa zwei Milliarden Tonnen bis 2050 auf 3,4 Milliarden Tonnen ansteigen werden. In Europa wird aktuell ein knappes Drittel der Müllmengen wiederverwertet, nur neun Prozent sind es in den USA. Es sind Zahlen wie diese, die Can Lewandowski unter Strom setzten. Bereits 2017 waren sich der damalige BWL-Student in Hannover und sein Kommilitone Jan Patzer einig: „Lass uns jetzt einfach mal was machen!“
„Wir wollten von Anfang an Nachhaltigkeit mit Wirtschaftlichkeit verbinden“, sagt Lewandowski. „Wir wussten, dass wir die Hürden nur dann aus dem Weg räumen können, wenn wir beides zusammenbringen. Ihr Start-up Crafting Future für innovativ hergestelltes Mehrweggeschirr begann mit einem nach dem Mehrwegprinzip hergestellten Kaffeebecher. Lewandowski hatte viel in der Gastronomie gejobbt, die vielen To-Go-Pappbecher, die nach wenigen Minuten im Müll landeten, fand er nicht in Ordnung. Warum also nicht genau da eine nachhaltige Alternative schaffen? Das Pionierprodukt ließen die beiden Freunde nicht aus herkömmlichen Plastik herstellen, sondern aus Reishülsen. Den Anfang finanzierten sie auch mit einem Gründerkredit der KfW.
Seitdem hat sich einiges geändert. Lewandowski und Patzer merkten, dass das kompostierbare Material paradoxerweise ihrer Mission im Wege steht, die Müllmengen zu reduzieren. „Weil es kompostierbar ist, landet es zurecht im Biomüll, wird aber in den Verwertungsanlagen nicht als kompostierbar erkannt, sondern als falsch einsortiertes Plastik“, erklären sie. Der neue Ansatz: etwas zu schaffen, das man komplett in Kreisläufen binden kann. So entwickelten sie etwa das Rebowl-System, für das sie mit dem KfW Award Gründen 2021 ausgezeichnet wurden, ein Mehrwegsortiment für die Gastronomie, das drei Voraussetzungen erfüllt: Funktionalität, Haltbarkeit und Recycelfähigkeit am Ende einer langen Nutzung. Um das Projekt zügig auf die Gleise zu bekommen, verzichteten sie erst einmal auf den Aspekt der biobasierten Rohstoffe und verwendeten sogenanntes Monomaterial aus einem einzelnen klassischen Kunststoff, der jedoch ideal recycelt werden kann.
Die Produkte bringt das Team von Crafting Future bisher noch nicht in Eigenregie auf den Markt, sondern stemmt seine Mehrwegprojekte mit Kooperationspartnern. Etwa Recup, einem Unternehmen, das sein Engagement im Segment der Mehrwegpfandsysteme ausweiten wollte – von Kaffeebechern hin zu Behältnissen für Take-Away-Food. Crafting Future begleitet bei derartigen Transformationen den gesamten Entwicklungsprozess, weiß genau, wie man in großen Mengen Mehrwegschalen produzieren muss, die den Anforderungen der Gastronomie entsprechen – wie mindestens 500 Spülgänge zu überstehen.
Im Frühjahr 2022 soll der nächste Evolutionsschritt genommen werden. Dann bringt Crafting Future das erste eigene Produktportfolio auf Basis biobasierter Reststoffe heraus, das am Ende seiner Nutzungsdauer nicht auf den allgemeinen Recyclingmarkt wandert, sondern wieder zum Ursprung zurückkehrt und mit einem Partner in Eigenregie wiederverwertet wird. „Es liegt doch in unserer Verantwortung“, sagt Can Lewandowski. „Was wir rausgeben, wollen wir auch zurücknehmen.“
Grundstoff für das zukünftige Mehrweggeschirr wird Tallöl sein, ein Nebenprodukt der Zellstoffgewinnung. Das Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe in Hannover begleitet diese Innovation. Daraus soll ein breites Sortiment entstehen – mit klassischen Bowls, Bowls mit Trennsteg, Pizza-Behältern oder Sushi-Gefäßen. Neben der Gastronomie haben Lewandowski und sein Team auch den Lebensmitteleinzelhandel im Blick, der ebenfalls langsam anfängt, seine Mülllast zu reduzieren. Denkbar wären dort etwa pfandpflichtige Mehrwegbehälter für Nüsse, Nudeln oder Reis.
KfW Award Gründen
Der KfW Award Gründen zeichnet in jedem Jahr 16 Landessieger und einen Bundessieger für ihre Geschäftsideen aus.
Mehr erfahrenIn die Karten spielen dem Start-up aber auch die Änderungen des deutschen Verpackungsgesetzes. Nach dem Ende der Plastiktüte 2022 steht der nächste große Einschnitt bevor: Gastrobetriebe mit einer Ladenfläche von über 80 Quadratmetern und mehr als fünf Mitarbeitenden dürfen ab 2023 ihr Essen nicht mehr mit Einwegbehältnissen ausliefern. Große Player wie Cateringunternehmen, so Can Lewandowski, sind schon in die Gänge gekommen, bei den kleineren hapert es noch. „Viele sehen die Umstellung von Einweg auf Mehrweg noch als Bürde“, sagt der Gründer. „Das Gegenteil ist doch der Fall. Neben dem ökologischen Nutzen profitiert auch das Unternehmen. Man muss sich nur vorstellen, wie teuer ein Pizzakarton ist, mit dem die Margarita ausgeliefert wird. Das sind 40 Cent. Die wird man sich in Zukunft sparen können.“
Die Verschärfung der Gesetze zur Eindämmung der Müllflut in Deutschland und Europa sind für Can Lewandowski ein gutes Zeichen, aber sie reichten lange nicht aus. „Wir als Unternehmer machen weiter, schließen die Kreisläufe und wollen darin Vorbild sein.“
Auf KfW Stories veröffentlicht am 14. März 2022.
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