Die Herstellung von Papier verbraucht viel Energie, Holz und Wasser. Uwe D'Agnone hat eine Alternative entwickelt, die diese Ressourcen im Sinne der Kreislaufwirtschaft schont: Sein Unternehmen Creapaper macht aus Gras Papier und Pappe – mit durchschlagendem Erfolg. Große Versandunternehmen setzen das Produkt schon jetzt als Verpackungsmaterial ein.
Video: Seit der Gründung von Creapaper hat sich viel in dem Unternehmen getan. Ein Ortsbesuch (KfW Bankengruppe/n-tv).
Das Stück Papier, mit dem alles begann, hat Uwe D’Agnone aufbewahrt. Es ist recht dick, es ist wellig, man entdeckt kleine grüne Krümel darin. Dieser Papierbogen, hergestellt auf einem traditionellen Papierschöpfsieb, war der erste Versuch, aus einer Idee ein neues Produkt zu machen. Er war das erste Stück Graspapier, das der Geschäftsmann, zusammen mit einem Papiermacher aus Rheinbach, hergestellt hat. Acht Jahre ist das jetzt her. Mit der Papierqualität von heute nicht mehr zu vergleichen – so groß sind die Fortschritte.
„Ich stelle mir gerne selbst Aufgaben, ich bin ein Tüftler“, sagt der 56-Jährige. Gelernt hat Uwe D’Agnone Industriekaufmann in einer Tiefdruckerei mit Standorten in Mönchengladbach und Düsseldorf. 1990 hat er sich in Hennef, etwa 20 Kilometer von Bonn entfernt, selbstständig gemacht. Creapaper heißt seine Firma, mehr als 50 Festangestellte arbeiten mittlerweile für ihn. D’Agnone stellt für Kunden wie die Drogeriekette dm, den Lebensmittelproduzenten Danone oder die Umweltschutzorganisation Greenpeace Werbemittel aus Saatgut und biologisch abbaubarem Papier her. Zum Beispiel den „Kräutergarten“: Aus einer schlichten Pappschachtel wachsen Basilikum, Thymian, Kresse und Thai-Basilikum – man muss sie nicht erst in einen Topf oder ein Beet pflanzen.
In den vergangenen Jahren ist aber ein weiteres Produkt, das zweite Standbein von Creapaper, immer mehr in den Vordergrund gerückt: das sogenannte Graspapier. Uwe D’Agnone will nicht weniger erreichen, als eine nachhaltigere Alternative zum Papier, das aus Holz hergestellt wird, zu etablieren.
Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde das Verschwinden des Papiers prophezeit. E-Books und Tablets waren zum Siegeszug angetreten, das Schlagwort vom „papierlosen Büro“ machte die Runde. Tatsächlich wird heute spürbar weniger Papier verbraucht, um Magazine, Zeitungen oder Bücher zu drucken. Trotzdem steigt der Pro-Kopf-Verbrauch seit Jahren kräftig an. Das liegt vor allem am enormen Boom des Onlinehandels. Denn natürlich müssen all die Produkte, die in großer Zahl im Internet gekauft werden, auch verpackt werden. Die Entwicklung ist rasant: Mehr als zehn Millionen Pakete werden pro Tag in Deutschland verschickt, allein in den vergangenen zwei Jahren hat sich die Zahl ungefähr verdoppelt. Papier und Karton dürften also noch lange gebraucht werden.
Aber Uwe D’Agnone geht es nicht allein darum, den Nachschub an klassischem Papier sicherzustellen. „Vor einigen Jahren habe ich in einem Artikel gelesen, dass in Ländern wie Indonesien jedes Jahr Waldflächen abgeholzt werden, die so groß sind wie die Schweiz. Mein Gedanke war: Dagegen muss man etwas unternehmen“, sagt er. Mit Papier hat der Geschäftsmann seit vielen Jahren zu tun. Also begann er auszuprobieren, aus welchen Rohstoffen man es anstelle von Holz noch herstellen könnte – und landete, nach einigen Versuchen mit diversen Faserstoffen, schließlich bei Gras beziehungsweise Heu.
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Visionär
Uwe D’Agnone, Unternehmer aus Hennef in Nordrhein-Westfalen, will den Papiermarkt umkrempeln – mit Graspapier.
Erste Schritte: Vom Dummy zum Realbetrieb
Nach den ersten Versuchen mit dem Rheinbacher Papiermacher fand D’Agnone eine Papierfabrik in der Eifel, die sich bereit erklärte, die Herstellung von Papier, das zu einem Großteil aus Gras besteht, auf einer ihrer Maschinen zu testen. Das Ergebnis überzeugte und stachelte den Unternehmer zu weiteren Experimenten an. Mit der Papiertechnischen Stiftung im sächsischen Heidenau erprobte er diverse Rezepturen seines Graspapiers. Welche Faser eignet sich für welches Papier? Wie hoch kann der Grasanteil sein? Wie viel Holz muss es trotzdem noch enthalten? Und er nahm Kontakt zur Universität Bonn auf, vereinbarte eine Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern vom Forschungsbereich Nachwachsende Rohstoffe der Landwirtschaftlichen Fakultät. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt förderte das Projekt. Der junge Bonner Forscher Martin Höller widmete der Entwicklung von Graspapier seine Diplomarbeit.
Damit aus Heu tatsächlich Papier werden kann, muss es zunächst getrocknet und gemahlen werden. Danach wird es – auch, um es besser transportieren zu können – zu Pellets verarbeitet. Eine Zeit lang hat das ein Unternehmen aus dem Münsterland erledigt, mittlerweile hat Creapaper in Düren aber seine eigene Anlage zur Pelletherstellung in Betrieb genommen. Optisch erinnert das zu Pellets gepresste Heu an Tierfutter. In der Papierfabrik werden die Pellets in Wasser aufgelöst und können dann weiterverarbeitet werden. D’Agnone sagt, dass sein Graspapier wahrscheinlich bei 90 Prozent oder mehr aller heute üblichen Papierprodukte verwendet werden kann. Nur Transparentpapier sei damit nicht herzustellen. Das Kartonpapier, das er aktuell produziert, hat einen Grasfaseranteil von etwa 50 Prozent. Der Rest ist Altpapier oder Frischfaser aus Holz. „Wir arbeiten aber daran, den Grasanteil weiter zu erhöhen“, sagt D’Agnone.
„Mit meinem Graspapier habe ich die Möglichkeit, wirklich etwas zu bewegen.“
Was macht sein Produkt zum besseren Papier? „Im Vergleich zum klassischen Papier werden bei der Herstellung des Rohstoffs für Graspapier etwa 75 Prozent der CO₂-Emissionen eingespart“, behauptet der Unternehmer. „Die Ökobilanz ist um ein Vielfaches besser.“ Uwe D’Agnone zählt stolz die Vorteile seines Graspapiers auf. Wenn er eine Tonne seiner Pellets herstelle, dann kämen dabei gerade einmal zwei Liter Wasser zum Einsatz. Wolle man aus Holz eine Tonne Zellstoff herstellen, den man für die Papierproduktion benötigt, dann müssten dabei etwa 6.000 Liter Wasser eingesetzt werden. Ganz ähnlich falle die Energiebilanz aus: Rund 6.000 Kilowatt Strom würden bei der Gewinnung von einer Tonne Zellstoff aus Holz verbraucht, bei einer entsprechenden Menge Gras-Pellets komme man mit 137 Kilowatt aus. Und: Bei der Herstellung der Pellets könne – anders als bei der Zellstoffgewinnung aus Holz – auf chemische Zusatzstoffe verzichtet werden. Außerdem wären die Transportwege von Holz, das zu Zellstoff verarbeitet in den Papierfabriken zum Einsatz kommt, oft sehr weit. D’Agnone produziert seine Pellets dagegen möglichst nah an den Fabriken. Sein Ziel ist es, dass das Heu für sein Graspapier in Zukunft in weniger als 50 Kilometern Entfernung zu der jeweiligen Fabrik verarbeitet wird.
Ein Großauftrag bringt Creapaper voran
Mit seinem Unternehmen begreift sich D’Agnone als Teil der sogenannten Kreislaufwirtschaft, die daran arbeitet, so zu produzieren, dass die Stoffe in der Natur nicht aufgebraucht, sondern geschont werden. „Die Hauptverantwortung, dass wir jetzt den Hebel umlegen, liegt tatsächlich bei der Wirtschaft“, sagt er. „In einem so mächtigen Wirtschaftszweig wie der Papierindustrie sind Alternativen, die ressourcenschonend und emissionsarm sind, unbedingt gefragt. Mit Grasfasern im Papier haben wir einen Hebel gefunden, um wirklich etwas zu bewirken. Dank dieser Methode können wir Bäume erhalten, die ja eine noch weitaus wichtigere Aufgabe haben, als uns nur Holz zu liefern.“ Das sei es, was ihn motiviert.
Am Anfang war es für den Unternehmer schwer, Papierfabrikanten davon zu überzeugen, seine Gras-Pellets zu verarbeiten. Die Sorge der Betreiber, dass das Gras ihren Geräten schaden könnte, war enorm. Erst eine Zusammenarbeit mit dem Otto-Versand ermöglichte D’Agnone einen ersten Großauftrag. Für das Versandhaus sollte er einen Schuhkarton herstellen. Mit dem lukrativen Auftrag im Rücken konnte er einen Papierhersteller als Partner gewinnen. Heute sind es europaweit insgesamt 26 Papierfabriken in fünf Ländern, die mit Creapaper zusammenarbeiten. Seit Längerem schon arbeitet D’Agnone mit der Supermarktkette Rewe zusammen. Creapaper stellt die Pappkartons her, in denen der Konzern seine Bio-Äpfel verkauft. Doch der Geschäftsmann will mit seinem Graspapier auch international expandieren. Auch den Getränkehersteller Coca-Cola konnte er vor einiger Zeit als Kunden gewinnen. Und er hat seine Produktpalette erweitert. Creapaper produziert nun auch Becher und Trinkhalme. 2020 sollen Toilettenpapier und Küchenrollen aus Graspapier dazukommen.
Anerkennung für sein Projekt, das die Papierherstellung nachhaltiger machen soll, hat der Unternehmer reichlich erhalten: Beim Unternehmenswettbewerb KfW Award Gründen 2017 wurde Creapaper erst zum Landessieger Nordrhein-Westfalen gekürt und erhielt anschließend in Berlin auch die Auszeichnung als Bundessieger des KfW Award Gründen 2017. Über den deutschen Wagniskapitalgeber eCapital ist die KfW an Creapaper beteiligt. „Die Motivation, die man aus solchen Preisen zieht, ist unglaublich, weil man merkt, dass Menschen es wertschätzen, was man macht“, sagte D’Agnone bei der Preisverleihung. Weitere Auszeichnungen folgten: der dritte Platz beim Gründerpreis NRW 2018 und der Ludwig Mittelstandspreis 2018 in der Kategorie Nachhaltigkeit. Außerdem war Creapaper einer von sieben Preisträgern beim Deutschen Innovationspreis für Klima und Umwelt 2018.
Mit Blick auf die Wachstumskurven im Bereich Verpackungen sieht Uwe D’Agnone seine Suche nach einer umweltfreundlicheren Alternative zum klassischen Papier aus Holz auch „als Lebensaufgabe“. „Mit meinem Graspapier habe ich die Möglichkeit, wirklich etwas zu bewegen“, sagt er.
Auf KfW Stories veröffentlicht am 13. Oktober 2017, zuletzt aktualisiert am 2. Dezember 2020.
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 9: Widerstandsfähige Infrastruktur und nachhaltige Industrialisierung
Eine nicht vorhandene oder marode Infrastruktur hemmt die Wirtschaftlichkeit und fördert so die Armut. Beim Aufbau der Infrastruktur sollte der Aspekt der Nachhaltigkeit im Vordergrund stehen, zum Beispiel mit der Förderung von umweltfreundlichen Verkehrsmitteln. Auch Fabriken und Industriestätten sollten nach ökologischen Gesichtspunkten nachhaltig produzieren, um eine unnötige Umweltbelastung zu vermeiden. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
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