Das Solarunternehmen Enpal ist gerade Landessieger Berlin beim KfW-Award Gründen geworden. Enpal-Chef Mario Kohle über fossile Autokraten, die Vorteile geliehener Solaranlagen – und Enpal-Investor Leonardo DiCaprio.
Enpal
Landessieger Berlin beim KfW Award Gründen 2022 (Quelle: KfW/n-tv)
Die KfW hat Enpal kürzlich mit dem KfW Award Gründen ausgezeichnet. Und für die Financial Times sind Sie das wachstumsstärkste Energie-Unternehmen Europas – mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate der vergangenen drei Jahre von fast 400 Prozent. Branchenübergreifend liegen Sie auf Platz 5. Wie stolz machen Sie solche Auszeichnungen?
Mario Kohle: Als wir davon erfuhren, waren wir schon etwas stolz. Aber wenn wir morgens unter der Dusche stehen, dann denken wir über andere Dinge nach. Uns beschäftigt, wie wir unseren Kunden die bestmögliche Erfahrung und das bestmögliche Produkt bieten und wie wir eine tolle Firma bauen. In Wirklichkeit stehen wir erst ganz am Anfang: Noch merkt die Klimakrise kaum, dass es uns gibt. Wir hören erst auf, wenn wir die Erhitzung des Planeten gestoppt haben und uns komplett befreit haben vom Tropf der fossilen Energieimporte aus autoritären Staaten. Das heißt: 99 Prozent unseres Weges haben wir noch vor uns.
Ihr Geschäftsmodell beruht darauf, dass Sie Solaranlagen nicht zum Verkauf anbieten, sondern zur Vermietung, inklusive Wartung. Wie kamen Sie auf die Idee?
Fast alle Menschen wollen ihre eigene, saubere Energie selbst produzieren. Ich kenne kaum einen Hausbesitzer, der noch nicht über eine Solaranlage nachgedacht hat. Aber dann schnappt die Komplexitätsfalle zu: Sie müssen erst einmal einen vertrauenswürdigen Montagebetrieb finden, der sowohl Ware als auch die Handwerker hat – allein das ist in Zeiten von leeren Lagern, unsicheren Lieferketten und Fachkräftemangel schwer. Und die Passion für Wechselrichter und Kilowatt-Peak hält sich bei den meisten Leuten in Grenzen. Dann müssen Sie von Bank zu Bank laufen, damit die Ihnen einen Kredit gibt. Dann müssen Sie zum Notar, denn die Bank will natürlich im Grundbuch eingetragen werden, als Sicherheit für den Kredit. Und so geht es weiter.
Und mit Enpal wollen Sie das vereinfachen.
Solarenergie muss für den Kunden einfach sein. Daher kaufen wir direkt beim Hersteller ein, schulen unsere eigenen, fest angestellten Handwerker, kümmern uns selbst um günstige Finanzierungen und so weiter. Wir nehmen dem Kunden im Prinzip alles ab. Der Kunde bekommt seine Solaranlage, seinen Speicher und seine E-Auto-Ladestation für 0 Euro Anschaffungskosten und zahlt stattdessen eine feste monatliche Miete. Wir kümmern uns 20 Jahre lang um die Anlage, ersetzen kostenlos, wenn irgendwann mal was kaputt gehen sollte. Der Kunde hat volle Kostentransparenz – ein Rundum-sorglos-Paket.
Gegründet wurde Enpal im Jahr 2017 von Ihnen, Viktor Wingert und Jochen Ziervogel. Gibt es so etwas wie einen Gründungsmythos von Enpal, eine Initialzündung? Wie sich die Gründer zusammenfanden und auf die Idee zu Enpal kamen?
Ich hatte damals meine erste Firma nach langer Zeit verkauft. Während dieser Zeit merkte ich, dass ich ein ziemlicher Idealist bin. Mir macht es viel mehr Spaß, Unternehmer zu sein, wenn ich hinter dem, was ich tue, ein positives Ziel sehe. Für mich ist es ein Traum, eine Firma zu bauen, bei der ich Unternehmertum mit etwas verbinde, das der nächsten Generation hilft. Ich bin niemand, der alle drei Jahre zur nächsten Firma springt, weil da gerade die nächste Gelegenheit lauert. Enpal ist mein Lebenswerk. Da braucht man Weggefährten, die einen durch alle Höhen und Tiefen begleiten. Mit Jochen und Viktor sind das zwei meiner längsten und besten Freunde.
Auf Ihrer Website schreiben Sie: „Wollen wir weiter den großen Stromkonzernen unser Geld schenken, anstatt uns unabhängig von schmutziger Energie zu machen? Wollen wir der Zerstörung unseres Planeten weiter zusehen? Mit Enpal machen wir alle Hausbesitzer zu eigenen Produzenten grüner und günstiger Energie.“ Wie wichtig ist der David-gegen-Goliath-Mythos?
Wir müssen uns befreien von den fossilen Öl- und Gaskonzernen. Daran führt kein Weg vorbei. Die Energiewende ist doch längst kein Projekt einiger Ökos mehr, sondern fundamental für unsere Souveränität und Unabhängigkeit. Mit fossilen Energien werden wir immer erpressbar sein, wie wir gerade wieder im Ukraine-Konflikt sehen, und sind den steigenden Preisen für Strom, Wärme und Treibstoffe ausgeliefert.
Insgesamt haben Sie schon mehr als 800 Millionen Euro eingesammelt. Damit sind Sie Deutschlands erstes Green Tech Unicorn, werden also mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet. Neben Zalando haben die Sparkasse, IngDiba und die DKB bei Ihnen investiert. Sie haben auch prominente Einzelinvestoren wie Alexander Samwer. Aber wie haben Sie den Hollywoodstar Leonardo DiCaprio überzeugt, bei Ihnen einzusteigen?
Die Verbindung kommt über unseren Investor Princeville Climate Technology, einen auf Klimatechnologie spezialisierten Fonds aus Kalifornien, der unter anderem von Leonardo DiCaprio beraten wird. Er ist ja nicht nur Schauspieler, sondern schon seit vielen Jahren als Umweltaktivist bekannt.
Alexander Samwer bezeichnet Sie als „neuen, dezentralen Energieversorger“. Wie würden Sie selber das Geschäftsmodell von Enpal in drei Sätzen beschreiben?
Das kann ich sogar in drei Wörtern: grün, günstig, unabhängig. Und wenn Sie mir ein viertes Wort gestatten: cool. Was ich damit meine: Sechs Wochen nach Unterschrift kommen unsere Monteure und bauen Ihnen Ihre Solaranlage aufs Dach, Ihren Stromspeicher in den Keller und Ihre E-Auto-Ladestation in die Garage. Dazu bekommen Sie einen intelligenten Energiemanager, also eine Software, mit der Sie Ihre Energieflüsse im Blick behalten und steuern können. Das ist wie bei Tesla: Die Hardware bleibt die gleiche, aber die Software ist entscheidend. Denn die wird immer wieder erneuert und Sie bleiben immer am Zahn der Zeit, wenn die Politik neue Möglichkeiten erlaubt, um zum Beispiel Ihren Strom mit den Nachbarn zu teilen oder Ihre Speicherleistung ans Netz zu verkaufen.
Bei der Finanzierung gehen Sie in Vorleistung. Wie funktioniert das?
Als einzelner Hausbesitzer haben Sie bei den Banken oft nicht viel zu melden. Wir können dagegen mehrere Tausend Solaranlagen und Speicher zu einem Paket bündeln. Dazu kommt unser umfangreiches Qualitätsmanagement: Alle Schritte der Montage werden fotografiert, dokumentiert und geprüft. Das gibt uns viel Verhandlungsmacht, um kostengünstige Finanzierungen zu verhandeln. Wer über 15.000 Solaranlagen im Jahr errichtet, kann eben anders über ein Darlehen sprechen als jemand, der nur seine eigene private Solaranlage finanzieren möchte. Ein Teil unserer Darlehen kommt übrigens von der KfW.
Wie federn Sie die Risiken ab?
Das Gute für den Kunden ist, dass er sich um die Risiken nicht sorgen muss. Denn wir nehmen ihm alle Risiken ab. Heutzutage denkt man dabei vor allem an die Inflation. Um uns dagegen zu wappnen, verhandeln wir mit unseren Finanzierungspartnern zum Beispiel eine langfristige Zinsbindung. Solaranlagen sind ja kein schnell verbrauchtes Konsumgut, sondern eine wirtschaftlich sinnvolle Investition. Daher sind auch die Risiken gut im Zaum zu halten.
In Ihrer Werbung versprechen Sie den Kunden „Einfach Geld sparen“. Studien zeigen jedoch, dass der finanzielle Unterschied zwischen Haushalten mit gemieteter und gekaufter Solaranlage auf 30 Jahre gerechnet relativ gering ist. Wie unterscheiden sich Mieter von Solaranlagen von den Käufern?
Die Kosten für Strom, Wärme und Treibstoffe steigen und steigen – schon wegen der Inflation. Wenn dann noch ein Wirtschaftskrieg dazukommt, weil fossile Diktatoren uns erpressen, dann explodiert die Rechnung für Strom, Gas und Benzin. Wir haben Alarmstufe Rot bei Gas. Daher ist Solarenergie langfristig immer ein gutes Geschäft. Wenn Sie außerdem noch Ihr E-Auto mit günstigem Solarstrom vom eigenen Dach laden, dann sparen Sie normalerweise schon im ersten Jahr mehrere Hundert Euro. Auf 100 Kilometer zahlen Sie mit einem Benziner 13 bis 16 Euro, mit Netzstrom ungefähr sechs Euro, mit dem eigenen Solarstrom aber nur drei Euro. Für Ihre Ersparnis ist dabei nicht ausschlaggebend, ob Sie die Solaranlage mieten oder selbst kaufen und finanzieren. Die Miete ist nur einfacher, denn Sie haben alle Kosten im Blick und können in ihrer App bequem zusehen, wie Ihre Energie fließt.
Wie viele Kunden haben Sie, wie viele Anlagen haben Sie bereits installiert?
Als wir vor fünf Jahren als kleines Start-up angefangen haben, konnten wir im ganzen ersten Jahr nur 30 Kunden gewinnen. Heute sind es schon deutlich über tausend neue Kunden – und zwar jeden Monat! Wir wollen weiter wachsen und stellen daher am laufenden Band weitere Handwerker ein. Wenn Sie also dieses Interview lesen und handwerklich begabt sind: Bewerben Sie sich bitte bei uns!
Wie hat sich die Nachfrage nach Mietanlagen in den letzten zehn Jahren entwickelt? Geben die USA den Trend vor?
Der Trend zur Miete von Solaranlagen kommt tatsächlich aus den USA. Dort ist das Modell bereits weit verbreitet, wenngleich nicht alle Rahmenbedingungen gleich sind. Inzwischen hat sich die Miete von Solaranlagen auch in Deutschland fest im Markt etabliert, mit vielen seriösen Anbietern und großer Nachfrage. Wir hängen aber nicht am Mietmodell, komme was wolle. Wir werden bei Enpal immer das anbieten, was die Kunden wollen. Hauptsache, man macht sich unabhängig von fossiler Energie.
Was machen Sie besser als Ihre Mitbewerber, zum Beispiel DZ-4, Cello Solar, Klarsolar?
Jede Solaranlage ist eine gute Solaranlage, egal von wem sie kommt. Hauptsache, man macht sich unabhängig von fossiler Energie und steigenden Preisen. Ein paar Dinge machen wir aber schon besonders: Wir haben einen eigenen Einkauf direkt beim Hersteller, und wir bauen die meisten Anlagen selbst. Wir haben dafür unsere eigene Enpal-Montagefirma mit über 1.000 fest angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und unser eigenes Ausbildungszentrum. Außerdem tauschen wir selbst die Stromzähler noch am Tag der Montage aus, das heißt: Man ist nicht auf den Netzbetreiber angewiesen, damit der den Stromzähler wechselt. Manchen Netzbetreibern sind momentan die Stromzähler ausgegangen. Dann haben die Leute zwar schon ihre Solaranlage auf dem Dach, müssen aber dann monatelang warten, bis der Netzbetreiber endlich den Stromzähler tauschen kann. Bei Enpal spart man sich die Zeit und Nerven.
Sie arbeiten mit lokalen Handwerkern zusammen, bilden aber auch eigene Handwerker als Solar-Monteure aus. Kritiker werfen Ihnen vor, dass Sie auf lange Sicht die lokalen Betriebe verdrängen.
Überall fehlen die Fachkräfte. Wer heute Solar-Monteur oder Elektriker ist, der hat die nächsten 30 Jahre einen sicheren Job. Daher brauchen wir alle Hände an Bord, und wir setzen sowohl auf die Qualifizierung eigener Fachkräfte als auch auf die Zusammenarbeit mit Partnerbetrieben. Da ist kein Widerspruch. Unsere Handwerker sind die wahren Helden der Energiewende. Da ist nicht nur Fridays for Future, da ist Every Day for Future.
Wenn Sie die Entwicklung von Enpal in Kürze skizzieren: Wo ist das Unternehmen gestartet, wo stehen Sie jetzt, wo wollen Sie in zehn Jahren sein?
Wir haben einmal ganz klein angefangen. Für uns ist Ehrlichkeit wichtig: Wir haben den Kunden gesagt, dass wir noch ein junges Start-up sind und noch die ersten Schritte machen. Die Kunden schätzen es, wenn man ehrlich ist. So konnten wir schnell lernen. Inzwischen installieren wir jeden Monat weit über tausend Solaranlagen, in einem integrierten Komplettpaket mit Speicher, E-Auto-Ladestation, Ökostromtarif und unserem smarten Energiemanager. Wir schauen uns nun auch verstärkt den Wärmebereich an und wollen natürlich weiter wachsen. Unsere Vision ist, die Menschen zur größten Erneuerbaren Community in Europa zu verbinden.
Sie sind innerhalb von fünf Jahren zu einem bedeutenden Player im Markt geworden, mit mehr als 2.700 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, davon 1.000 in der Montage, und einem geschätzten Umsatz von bis zu 400 Millionen Euro im Jahr 2022. Was ist in Ihren Augen der wichtigste Faktor, dass Sie das so schnell geschafft haben?
Für mich entscheidend war die Idee des „First Principle Thinking“: Es geht darum, sich zu überlegen, wie etwas sein sollte – und nicht, wie es schon ist. Also nicht vom Status quo aus zu denken und überlegen, wie man das Bestehende ein klein wenig besser machen kann. Sondern sich zu fragen: Wie soll etwas idealerweise sein? Wie können wir ein Problem wirklich lösen? Dann sieht man die Schritte dahin viel klarer. Als ich verstanden hatte, wie gewaltig die Menschheitsaufgabe der Klimakrise ist, wollte ich eine Lösung für das möglichst klimaneutrale Zuhause schaffen, die aus Sicht der Menschen einfach besser, bequemer, günstiger ist als davor. Aus dieser Idee ist Enpal entstanden. Und dieser Grundsatz des Denkens vom Ende her hilft mir bis heute, um sich nicht im Klein-Klein zu verfangen. So sieht man den Wald und nicht nur die Bäume.
KfW Award Gründen
Der KfW Award Gründen zeichnet in jedem Jahr 16 Landessieger und einen Bundessieger für ihre Geschäftsideen aus.
Mehr erfahrenWelches war die wichtigste Entscheidung, die Sie auf dem Weg getroffen haben?
Es gibt manche Entscheidungen, die mir nicht leichtfielen, aber die sich im Nachhinein als richtige strategische Weichenstellungen herausgestellt haben. Wir haben früh begonnen, eine eigene Montagegesellschaft mit fest angestellten Handwerkern aufzubauen, mit denen wir inzwischen den Großteil unserer Anlagen errichten – neben unseren externen Partnern. Außerdem haben wir eine Niederlassung in China gegründet und kaufen direkt vor Ort ein, ohne Zwischenhändler. Beides hilft uns jetzt enorm, weil sonst überall die Leute und die Ware fehlen. Wir dagegen haben viele Handwerker bei uns, und die Lager sind voll.
Was haben Sie als nächste Schritte geplant?
Wir schauen uns gerade intensiv den Wärmesektor an. Bei Gas herrscht Alarmstufe Rot, da möchten wir möglichst bald helfen. Ansonsten wollen wir noch mehr Solaranlagen, Speicher und Ladestationen bauen als bisher und unsere Enpal App laufend verbessern. Außerdem wollen wir auch in anderen Ländern Fuß fassen. Klimaschutz ist ein Weltmarkt mit acht Milliarden Kunden.
Wie hat die KfW Sie finanziert, und wie hat Ihnen das geholfen? Wäre Ihr Unternehmen auch ohne diese Finanzierung so schnell gewachsen?
Die KfW hat uns bereits mit einem ihrer Durchleitungsprogramme, dem „Erneuerbare Energien – Standard“, im Rahmen einer Konsortialfinanzierung mit anderen Banken unterstützt. Umso mehr freuen wir uns, dass wir nun schon zum dritten Mal unseren Wareneinkauf und unser Working Capital mit dem „Venture Tech Growth Financing“-Programm der KfW und einer kommerziellen Bank finanzieren können. Das VTGF-Programm ist für uns ein wichtiger Wegbegleiter für unser starkes Wachstum. Wir fühlen uns geehrt, partnerschaftlich zusammen mit so renommierten und etablierten Finanzinstituten wie der KfW unsere Wachstumspläne umsetzen zu können, und freuen uns schon sehr auf weitere, zukünftige gemeinsame Projekte.
Auf KfW Stories veröffentlicht am 20. Oktober 2022
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