Im Januar 2020 übernahm Tim-Alexander Karußeit das Messebau-Unternehmen Hoffmann aus Sehnde in Niedersachsen. Wenige Wochen später stand er vor dem Nichts – die Corona-Pandemie brachte die gesamte Branche zum Erliegen. In Rekordzeit erfanden er und sein Team die Firma neu. Dafür wurden sie beim KfW Award Gründen mit dem Sonderpreis „Mutmacher“ ausgezeichnet.
Video: Wie das Messebauunternehmen Hoffmann sich aufgrund der Coronakrise neu aufstellt (KfW Bankengruppe/n-tv).
Nicht immer muss das Rad neu erfunden werden. Auch die Übernahme als Nachfolger ist eine gute Möglichkeit, zu gründen. Das dachte sich auch Diplom-Kaufmann Tim-Alexander Karußeit. Seit dem Studium war er als Unternehmer tätig und begann, nach einer Firma zu suchen, die er weiterentwickeln konnte. Dabei konzentrierte er sich auf den Messebau. „Eine abwechslungsreiche Arbeit im krisensicheren Umfeld, mit vielen Stammkunden und wiederkehrenden Umsätzen. Und mein Herz hat immer für das Handwerk geschlagen, das ist meine Leidenschaft“, sagt er.
Die Suche nach dem richtigen Unternehmen
Fast drei Jahre lang konzentrierte er sich ganz darauf und lebte von Rücklagen. Mehrmals wollte er aufgeben. Dann kam er über die nexxt-change-Börse in Kontakt mit Andree Hoffmann, geschäftsführendem Gesellschafter in zweiter Generation der Hoffmann Dienstleistungen für die werbende Wirtschaft GmbH. Die beiden Männer in ähnlichem Alter verstanden sich auf Anhieb. Das Unternehmen mit angeschlossener Tischlerei und einem 35-köpfigen Team war gut aufgestellt, die Auftragsbücher waren voll. „Trotzdem sind die Verhandlungen nicht einfach, schließlich gibt es viele Interessen, und bei einem profitablen Unternehmen geht es ja auch um einen entsprechenden Preis“, berichtet Karußeit. Die Finanzierung verteilte sich auf mehrere Institutionen. Neben Fördermitteln der KfW kamen Landesfördermittel aus Niedersachsen und ein Kredit der Hausbank zum Einsatz.
Ende 2019 wurde Karußeit Inhaber des Unternehmens. In enger Zusammenarbeit mit dem scheidenden Geschäftsführer arbeitete er sich ein und bereitete mithilfe einer Kommunikationstrainerin seine Antrittsrede vor. Nur ganz wenige waren eingeweiht, dass große Veränderungen bevorstanden.
Im Januar 2020 fand das traditionelle Frühstück zum Jahresauftakt mit dem gesamten Team statt. „Da haben wir die Bombe platzen lassen. Erst mal herrschte Sprachlosigkeit, essen wollte niemand mehr. Die Firma war ja ganz auf den charismatischen Geschäftsführer ausgerichtet, viele hatten eine sehr enge Bindung zu ihm. Ich habe allen versprochen, dass sich am Geschäftsmodell nichts ändern wird und ich mich vor allem um den Ausbau des Messebaugeschäfts und die Digitalisierung des Unternehmens kümmern werde.“
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Wenn Veranstaltungen nicht möglich sind, müssen neue Wege gefunden werden.
Die Pandemie legt alles lahm
Doch im Februar breitete sich das Coronavirus über alle Kontinente aus. Schulen, Freizeiteinrichtungen und Restaurants schlossen. Großveranstaltungen waren nicht mehr möglich. Im Stundentakt sagten Kunden ihre Teilnahme an geplanten Messen ab und forderten ihr Geld zurück.
Tim-Alexander Karußeit stand wenige Wochen nach dem Start vor dem Nichts. Durch den Kauf war er hoch verschuldet. Er war gezwungen, das Unternehmen von heute auf morgen ohne den früheren Geschäftsführer, der ihm für die erste Zeit als Berater zur Seite stehen sollte, zu leiten und Kurzarbeit einzuführen.
Dass in schlechten Zeiten trotzdem Chancen stecken können, bewiesen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Corona-Pandemie erinnerte an die Flüchtlingskrise. Damals wollten sie Turnhallen mit Raum-in-Raum-Lösungen ausstatten, um in kurzer Zeit viele Menschen unterbringen zu können. Ohne Karußeit einzuweihen, wurde eine Zeichnung erstellt, wie ein provisorisches Krankenhaus mit Messewänden gestaltet werden könnte.
KfW Award Gründen
Der KfW Award Gründen 2020 zeichnete im November 16 Landessieger und einen Bundessieger für ihre Geschäftsideen aus. Außerdem wurden zwei Sonderpreise vergeben. Bewerbungen für den neuen Wettbewerb können ab 1. April 2021 eingereicht werden.
Mehr Informationen„Einfach machen, statt den Kopf in den Sand zu stecken. Das hat mir gefallen“, sagt Karußeit. Nun folgten eine harte Vertriebsarbeit und viele Termine, in denen für das Konzept geworben wurde. Die ersten Corona-Ambulanzen in der Vulkaneifel wurden gebaut, und es folgte die Region Hannover mit dem Bau eines Behelfskrankenhauses in einer Messehalle. Um 460 Plätze zu errichten, wurden rund zweieinhalb Kilometer Messewände verbaut. Hoffmann hat eine eigene Tischlerei mit hochwertiger technischer Ausstattung, sodass alles selbst hergestellt werden konnte. Dazu kam ein Teil des Personals aus der Kurzarbeit zurück. Sogar in Nachtschichten wurde gearbeitet, und Mitarbeiter aus der Verwaltung unterstützten die Produktion. Etwas tun zu können, schweißte das Team zusammen. Auch Karußeit war nun ein Teil davon. Er verließ seinen Schreibtisch und fuhr Lkw.
„Mich hat das emotional wirklich gepackt. Der Gründer hatte mir ein super Team versprochen. Wie großartig es ist, habe ich aber erst in der Krise gemerkt. Das heißt nicht, dass alles reibungslos läuft, es ist ganz viel Kommunikation notwendig. Gerade bei der Kurzarbeit geht es ja an das eigene Portemonnaie, und das ist heikel. Aber wir hatten keine Alternative. Mir ist viel Vertrauen entgegengebracht worden, und dafür bin ich sehr dankbar.“
Neue Ideen sind gefragt
Im April war das Behelfskrankenhaus fertig. „Dann habe ich in den Nachrichten gesehen, dass ein Unternehmen in Holland faltbare Container für Besuche in Seniorenwohnheimen aufgestellt hat. Ich sagte mir, das können wir auch und sogar besser!“, erinnert sich Karußeit. Er schrieb Pflegeeinrichtungen in ganz Deutschland an, um mobile Raumsysteme anzubieten. Als die ersten Aufträge eintrafen, arbeiteten einige Mitarbeiter die Wochenenden durch.
Trotzdem war der Sommer 2020 die schlechteste Zeit in der Firmengeschichte. Durch einen KfW Unternehmerkredit wurde die schwierige Situation etwas abgemildert, doch um langfristig erfolgreich zu sein, musste Karußeit umdenken.
Er startete eine Umfrage: Welche Berufe sind im Team vertreten? Und er war überrascht, dass es viele Mitarbeiter gab, die ausgebildete Dachdecker oder Ladenbauer waren. Damit konnte er auch Aufträge ausführen, die diese Kenntnisse verlangten. Er bot Renovierungen, Mauer-Entfeuchtungen und den Innenausbau für private Kunden an, schulte Mitarbeiter oder setzte sie an anderen Stellen ein. Und glaubte fest an den Erfolg.
„Natürlich hat das auch für Unruhe gesorgt. Der Messebau ist die Leidenschaft der Mitarbeiter, da herrscht eine besondere Stimmung. Man fährt mit dem Sprinter in die riesige Halle, macht laute Musik an und baut auf, der direkte Kundenkontakt läuft über die Projektleitung. Das ist ein völlig anderes Arbeiten, als mit einem Privatkunden zusammen in der Küche zu stehen.“
Mit viel Energie konnte das Unternehmen eine neue Sparte etablieren, und jetzt nähert es sich langsam wieder der Vollbeschäftigung. Sobald Großveranstaltungen wieder möglich sind, werden die Mitarbeiter auch wieder im Messebau tätig sein. Das hat der Geschäftsführer ihnen bereits fest zugesagt.
„Mein Ziel war, als Messebauer zu wachsen. Nun haben wir gleich zwei Bereiche, in denen wir uns entwickeln können. Alles ist anders gekommen. Geholfen hat mir, dass ich aus meinen bisherigen Start-ups krisenerprobt bin und mich nicht so leicht entmutigen lasse“, sagt Karußeit. Derzeit baut das Unternehmen mobile Impfzentren auf – und trägt so auch einen Teil dazu bei, das Virus einzudämmen.
Veröffentlicht auf KfW Stories am 10. Dezember 2020.
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