Juckende Insektenstiche gehören leider genauso zum Sommer wie Blumen, Eiscreme und Sandalen. Eine Gruppe von Studenten aus Karlsruhe hat einen Stick entwickelt, der ans Smartphone angeschlossen wird und mit Hitze gegen Juckreiz und Schmerz vorgeht. Das Wirkprinzip ist medizinisch bestätigt. Jetzt ist das Start-up Kamedi, das für seine Idee als Landessieger Baden-Württemberg beim KfW Award Gründen ausgezeichnet wurde, auf Expansionskurs.
Kamedi entwickelt ein Smartphone-Gadget gegen Insektenstiche (KfW Bankengruppe/ntv).
Als Lukas Liedtke vor einigen Jahren Urlaub an der Ostsee machte, plagten ihn seine juckenden Mückenstiche. Eine Freundin konnte helfen. Sie zückte einen speziellen Wärmestift, der in Apotheken und Drogeriemärkten erhältlich ist. Er hat eine kleine Keramikplatte an seinem Ende und erhitzt die Einstichstelle kurz auf etwa 50 Grad. Das sorgt für Linderung.
Ein paar Monate später fand ein Ideenwettbewerb an Liedtkes Universität, demKarlsruher Institut für Technologie (KIT) statt. Der Maschinenbaustudent erinnerte sich an den überzeugenden Stichheiler, der seiner Meinung nach nur einen Nachteil hat: Er ist recht groß und batteriebetrieben, im Gegensatz zum Handy hat man ihn nicht immer dabei. Und so kam ihm die Idee, das Prinzip für ein Smartphone-Gadget zu nutzen und mit diesem Projekt am Wettbewerb teilzunehmen.
Komplexer als gedacht
Drei Kommilitonen konnte er für das Vorhaben gewinnen, das „technisch nicht allzu abgefahren schien“, erzählt Lukas Liedtke. Zusammen mit Armin Meyer, Stefan Hotz und Christof Reuter machte er sich an die Arbeit. Viele Aspekte mussten berücksichtigt werden, von der Leistung des Mobiltelefons über das Design des Sticks bis zu seiner Bedienbarkeit. Die Studenten verbrachten nun immer weniger Zeit in den Vorlesungen. Sie fuchsten sich in die vielen Details ihrer Idee ein.
In einem Dermatologieprofessor der Charité Berlin fanden sie einen interessierten Experten in allen Fragen rund um das Wirkprinzip. Dies ist bis heute nicht vollständig geklärt. Es wird davon ausgegangen, dass die kurze, hohe Erhitzung der Haut die Reizweiterleitung in den Nervenzellen blockiert und die Histaminausschüttung unterbindet. So schwillt der Stich weniger an, und er juckt nicht so stark.
Viele Stunden verbrachten die Gründer mit der Entwicklung und löteten die Bauteile unter dem Mikroskop zusammen.
Ein Prototyp folgt dem anderen
Bei den herkömmlichen Stichheilern gibt es zwei Einstellungen: drei oder fünf Sekunden Hitze. Ein Piepen zeigt das Ende der Anwendung an. Nun ist jeder Mensch unterschiedlich empfindlich, auch die Hautstelle ist entscheidend: Am Unterarm zwickt die hohe Temperatur mehr als an der Wade. Um Intensität und Länge der Behandlung individuell vom Smartphone aus anzupassen, gibt es deshalb eine App für den "heat_it"-Stick. Auch dies, die App-Entwicklung, war ein Bereich, in dem keiner der Tüftler Erfahrung hatte. Geholfen haben ihnen viel Enthusiasmus, Onlinekurse und der Grundsatz Learning by Doing.
Gleichzeitig bauten sie immer neue Prototypen. Im Sommer 2017 meldete das Team ein Patent auf den Stick an, den sie heat_it tauften. Nach dem Gewinn des anvisierten Hochschulwettbewerbs folgte ein Contest in Hongkong. Dort stellten die Studenten auf internationaler Bühne ihr Produkt vor und flogen als Pitchsieger nach Hause. Spätestens jetzt war allen klar, dass aus dem Studentenprojekt ein Unternehmen werden könnte.
Vom Studierendenprojekt zur GmbH
Lukas Liedtke erinnert sich: „Eigentlich hatte jeder von uns andere Pläne. In der Entwicklung arbeiten, als Berater oder promovieren. Doch dann gab es nicht nur viele Berichte in der Presse, sondern auch Anfragen von Menschen, die den Stick kaufen wollten – Erzieher aus Kindergärten, Outdoor-Fans und sogar jemand, der den Stick einem Härtetest in einem afrikanischen Land unterziehen wollte. Wir hatten ein gutes Produkt, der Markt war da, das Patent angemeldet. Was gab es da zu verlieren? Im schlechtesten Fall hätte man viel gearbeitet für wenig Outcome, aber ganz sicher viel gelernt.“
Nun beantragten die Studierenden das EXIST-Gründerstipendium. Mit den bewilligten 120.000 Euro war es möglich, sich in Vollzeit dem Vorhaben zu widmen und die Markteinführung vorzubereiten.
Ihr Mut wurde belohnt. Liedtke und seine Mitstreiter beantragten das EXIST-Gründerstipendium. Mit den bewilligten 120.000 Euro war es Ihnen möglich, sich in Vollzeit dem Vorhaben zu widmen und die Markteinführung vorzubereiten. Im Herbst 2018 gründeten sie die GmbH unter dem Namen Kamedi, der für Karlsruhe Medical Devices steht. Erste Investoren fand Kamedi über das Start-up-Programm Baden-Württemberg , die L-Bank stieg als Förderer ein. Business Angels, die das Start-up nicht nur mit Geld, sondern auch mit ihrer Erfahrung als Unternehmer unterstützten, kamen hinzu. Der Life Science Accelerator Baden-Württemberg nahm die Gründer auf und unterstützte sie auf dem weiteren Weg.
Die Zertfizierung als Medizinprodukt hat es in sich
KfW Award Gründen
Der KfW Award Gründen zeichnet in jedem Jahr 16 Landessieger und einen Bundessieger für ihre Geschäftsideen aus.
Mehr erfahrenDoch es lief nicht alles so rund. Um den heat_it auf den Markt zu bringen, gab es noch einige Hindernisse. Viele Stunden löteten die Erfinder die winzigen Bauteile auf den Chip im Inneren des Sticks, um die Technik zu optimieren. „Keine Raketentechnik, aber der Teufel steckt im Detail“, sagt Liedtke lachend.
Voraussetzung für den Verkauf war die Zertifizierung der Firma als Medizinprodukthersteller. Sie musste dafür ein ausgefeiltes Qualitätsmanagementsystem vorweisen, das jährlich vom TÜV überprüft wird. Die Prozesse sind komplex und die formalen Kriterien anspruchsvoll. So müssen für alle Teile die Lieferketten transparent sein und europäischen Standards entsprechen. Um dies zu gewährleisten, entschieden sich die Gründer für die eigene Herstellung am Karlsruher Firmensitz.
Mit der Zertifizierung betraten sie völlig neues Terrain. „Medizinprodukte unterliegen aus verständlichen Gründen unglaublich strengen Anforderungen. Aus heutiger Sicht waren wir vielleicht etwas blauäugig, dass wir uns das zugetraut haben. Gleichzeitig war das eine super Voraussetzung. Wüsste man vorher, was da alles auf einen zukommt, würde man es wahrscheinlich gar nicht machen“, erzählt Lukas Liedtke.
Mit dem "heat_it" auf Expansionskurs
Um die letzten Schritte vor der Markteinführung zu finanzieren, startete Kamedi eine Crowdfunding-Kampagne. Das Fundingziel wurde innerhalb von wenigen Stunden weit übertroffen. Die hohen Bestellzahlen waren ein weiterer Indikator, dass viele Menschen das Produkt überzeugte.
Im Juni 2020 startete der Verkauf für die Androidversion, im September folgte der Stick für Apple-Handys. Der "heat_it" kostet je nach Betriebssystem rund 30 bzw. 40 Euro und ist im eigenen Onlineshop, auf Amazon, in Elektronikmärkten und ADAC-Reisebüros erhältlich. Auf Wunsch bestellen ihn auch Apotheken.
„Wir haben verschiedene Patente in allen großen Ländern der Welt angemeldet, das soll uns auch die internationale Expansion ermöglichen. Zudem planen wir weitere Produkte, mit denen wir unser Portfolio erweitern wollen. Dabei hatten wir eine Gründung anfangs gar nicht geplant. Aber heute kann ich sagen: Es macht unglaublichen Spaß“, fasst Lukas Liedtke die letzten Jahre zusammen.
Auf KfW Stories veröffentlicht am 21. Januar 2021, aktualisiert am 19. Juli 2023
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