Futtermittel für Tiere sind mit Proteinen angereichert. Diese werden meist aus importierten Sojabohnen oder Fischmehl gewonnen und haben keine gute Ökobilanz. madebymade führt die Alternative schon im Firmennamen – das Start-up hat eine Anlage entwickelt, in der Futterproteine regional und nachhaltig aus Maden hergestellt werden. Dafür wurde madebymade als Landessieger Sachsen beim KfW Award Gründen ausgezeichnet.
Wie madebymade auf der Basis von Insekten ein nachhaltiges Protein erzeugt (KfW Bankengruppe/n-tv).
Kalter Winternebel hängt schwer über den Feldern im kleinen Pegau bei Leipzig. Schweine und Hühner, selbst die Hofkatzen sind im Stall. Um das Unternehmen zu finden, das ihr Futter nachhaltiger machen kann, ist warme Kleidung und Ortskenntnis nötig. An einer großen Scheune weist ein kleines Schild auf madebymade hin, das Unternehmen von Jonas Finck und Kai Hempel. Hinter dem Tor riecht es sonderbar, es erinnert an fauliges Obst in der heimischen Biotonne. Dr. Jonas Finck hat gerade seine Herde kontrolliert – Millionen von Fliegen. Einige sitzen noch auf seinem Kittel: „Wir züchten hier die Schwarze Soldatenfliege. Ihre Verpaarungsstuben sind ausrangierte, von uns ausgebaute Frachtcontainer. Sie werden mit der Abwärme der benachbarten Biogasanlage beheizt“, beginnt der Biologe zu erläutern.
Die Fliegen leben ungefähr zwei Wochen, Nahrung benötigen sie in dieser Zeit nicht. Der Container ist nur ein Bestandteil einer modularen Anlage. In deren Mitte befindet sich ein Lockstoff mit speziellen Eiablageflächen. „Dahinein legt jedes Weibchen ungefähr 500 Eier, die wir täglich ernten“, führt Finck weiter aus. Nach zwei bis vier Tagen schlüpfen aus diesen Eiern die Tiere in einem weiteren speziellen Container. „Und danach bringen wir die Junglarven an unseren Hauptstandort“, erklärt Finck. „Dort werden sie gemästet, anschließend geerntet und zu Proteinen und Fetten weiterverarbeitet.“ Zusätzlich, quasi als Nebenprodukt, entsteht bei der Mast der Tiere auch ein nachhaltiger Dünger. Fünf Prozent der fertigen Larven kommen zurück in die Reproduktion, werden zu Fliegen und legen wieder Eier. Ein neuer Lebenszyklus der schlanken Soldatenfliegen kann beginnen.
Zu gut für die Tonne
Ein paar Kilometer weiter befindet sich die Mast. In großen Edelstahlwannen wimmelt es von Maden. Sie sind anspruchslos in ihrer Ernährung, dabei ist der vegetarische Speiseplan überaus vielfältig. Heute sind es Karotten, nicht mehr zu verkaufende Orangen und welker Blumenkohl, für morgen ist eine Lieferung beinahe abgelaufener Tiefkühlpommes angekündigt. Gegessen wird, was auf den Tisch kommt – und das sind ausschließlich organische Reststoffe aus der Region.
Für deren Erzeuger ist die Madenmast eine willkommene Möglichkeit, ihren Ausschuss oder die nicht verkaufsfähigen Produkte sinnvoll zu verwerten. An Nachschub fehlt es nicht. Etwa 18 Tonnen in der Woche werden angeliefert. Geplant ist, die Produktion so weit zu erhöhen, dass dieselbe Menge zukünftig nicht mehr wöchentlich, sondern an nur einem Tag zugeführt wird. So könnte madebymade täglich fünf Tonnen lebende Larven erzeugen.
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Im recycelten Frachtcontainer, der ein Modul der Anlage darstellt, legen die Fliegen ihre Eier ab.
KfW Award Gründen
Der KfW Award Gründen 2020 zeichnete im November 16 Landessieger und einen Bundessieger für ihre Geschäftsideen aus. Außerdem wurden zwei Sonderpreise vergeben. Bewerbungen für den neuen Wettbewerb können ab 1. April 2021 eingereicht werden.
Mehr erfahrenWachsender Bedarf an Proteinen
Die gelblichen Larven scheinen sich auf dem Substrat in den großen Mastwannen wohlzufühlen – wie die sprichwörtliche Made im Speck. Geschäftsführer Kai Hempel weiß, wie wertvoll sie sind: „Nutztiere wie Schweine, Hühner oder Forellen haben traditionell einen Teil ihres Proteinbedarfs durch das Fressen von Insekten gedeckt. Wir stellen diese Proteine aus Maden her, das passt zur Nahrungskette der Tiere und hat eine hohe Qualität“, sagt er.
Für das Mastfutter in der Nutztierhaltung sind Proteine besonders wichtig. Doch die Futtermittel auf Basis von Fischmehl oder Soja sind umstritten. Soja stammt zum Großteil aus den USA, Brasilien und Argentinien. Weil der Bedarf weltweit wächst, werden dort immer mehr Wald- und Savannenflächen in Ackerland umgewandelt. Fischmehl wird aus Beifang und Fischresten großer Trawlerflotten gewonnen, die zur Überfischung der Meere beitragen. Deshalb gilt Nahrung auf Insektenbasis als ressourcenschonende Alternative, nicht nur für Landnutztiere wie Schweine und Hühner. Auch Aquakulturen können das proteinreiche Insektenfutter zur Aufzucht von Fischen einsetzen.
Vielseitige Produkte aus Larven
Nach zwei Wochen haben die Maden eine beachtliche Größe von etwa zwei Zentimetern erreicht. Sie bestehen nun vor allem aus Fett und Proteinen und können verarbeitet werden. Dazu werden sie zunächst getrocknet und dann in einer für diese Zwecke angepassten Anlage gepresst. Das reichhaltige Larvenmehl wird schon jetzt in Aquakulturen und als Zusatz im Haustierfutter verwendet, auch Zoos beziehen es. Doch als Ergänzung im Rinder-, Schweine- oder Hühnerfutter gibt es in der EU bislang keine Zulassung. Denn Insektenprotein gehört in die Gruppe der tierischen Eiweiße und darf deshalb dem Nutztierfutter nicht beigemischt werden – eine Vorsichtsmaßnahme als Folge der BSE-Krise, die durch unzureichend erhitztes Tiermehl im Kraftfutter ausgelöst wurde. Geflügelzüchter wie Wiesenhof setzen sich bereits für die Neubewertung ein.
Aus den getrockneten Larven, die auch reich an wertvollen Fettsäuren sind, presst madebymade auch ein dickflüssiges Öl. Diese Lipide können ebenfalls der Haustiernahrung zugesetzt werden oder als alternative Schmiermittel dienen. Der Kot der Larven, Fraß genannt, ebenso wie die Häutungsreste eignen sich bestens als extrahiertes Pulver für die Düngung von Pflanzen. Den Dünger vertreibt madebymade bereits neben seinen Futtermitteln.
Das Unternehmen verfolgt ein klares Ziel: „Wir konnten mit unserer Anlage zeigen, dass die heimische und günstige Produktion von Proteinen möglich ist. Das wollen wir in den nächsten Jahren skalieren und vier weitere Anlagen aufbauen“, so Hempel. Mehrere Zielgruppen könnten davon profitieren: Entsorger, die ihre Reststoffe nicht mehr unterpflügen oder in Biogasanlagen vergären möchten. Nutztierhalter, die Proteine selbst herstellen möchten. „Und natürlich Kunden aus der Tierfutterproduktion“, ergänzt Kai Hempel die Einsatzmöglichkeiten.
Entscheidendes Alleinstellungsmerkmal des Unternehmens ist der modulare Aufbau der gesamten Anlage. Sie kann überall betrieben werden und passt sich flexibel den in der Region anfallenden Reststoffen an. Es liegen bereits zahlreiche Anfragen vor, denn die Anfangsinvestitionen sind gegenüber den zuverlässigen Erträgen relativ gering.
Gründung in der Garage
Noch vor einigen Jahren hätten sich die Gründer nicht träumen lassen, einmal Millionen von Maden ihr Eigen nennen zu können. Gestartet ist ihre Zucht geradezu konspirativ, in einer gemieteten Garage, in der sie zuerst eine Heizung einbauten. In Katzentoiletten wuchsen die Larven heran. Im Winter fiel auf, dass Schnee auf dem Dach immer schmolz. Das rief die Polizei auf den Plan: Sie kündigte eine Durchsuchung an. „In einer Nacht-und-Nebel-Aktion haben wir alles ausgeräumt und eine Möbelwerkstatt eingerichtet, in der es doch etwas komisch roch. Wir haben ja nichts Illegales gemacht, aber ob uns jemand eine Garage für eine groß angelegte Fliegenzucht vermietet hätte, bezweifle ich“, erinnert sich Kai Hempel lachend.
Wichtig war dieser Versuch für den Beweis, dass ihre Idee nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Praxis funktioniert. Mit den Ergebnissen und ihrem daraus resultierenden Konzept überzeugten sie Investoren, die HypoVereinsbank und die Sächsische Förderbank. Der Gewinn des Ideenwettbewerbs Agrar und Ernährung war ein weiterer Meilenstein für das Start-up. Und auch wenn es noch ein langer Weg bis zur Revolution der gesamten Futtermittelbranche ist: Im kleinen Pegau brummt das Geschäft schon jetzt.
Auf KfW Stories veröffentlicht am 26. Januar 2021.
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