Handyhüllen aus dem 3D-Drucker und ein Gründungswettbewerb für Schüler – so startete QiTech. Heute vertreibt das Unternehmen Maschinen, die den 3D-Druck nachhaltiger machen. Für ihr Konzept wurden die jungen Gründer mit dem KfW Award Gründen ausgezeichnet.
Milan von dem Bussche fährt mit dem Fahrrad durch den weitläufigen Technologiepark in Darmstadt. Es gibt riesige Hallen mit Deckenkränen und reichlich Lagerplatz für die ansässigen etablierten Unternehmen. „Der Vibe hier stimmt“, findet er. Zusammen mit Simon Kolb ist er aus Oppenheim hergezogen und hat eine Produktionshalle gemietet. Im Sommer haben sie das Abitur bestanden und nun endlich mehr Zeit für ihr Unternehmen, das sie bisher neben der Schule geführt haben.
Milan erzählt: „Eigentlich hat alles mit Lego angefangen. Ein Freund hatte daraus ein Modell gebaut, dass Schokoflocken schmelzen und mit einer kleinen Düse auf ein Toastbrot „drucken“ konnte. Das klappte zwar nicht einwandfrei, aber die Technik hat uns begeistert.“ Sie begannen, mit einem einfachen 3D-Drucker Handyhüllen herzustellen. Dazu wird ein dünner Draht aus Kunststoff, das Filament, benötigt. Es wird im Drucker flüssig und trägt Schicht für Schicht auf, so entstehen die mit einer Design-Software programmierten Modelle.
Um die Handyhüllen günstiger und gleichzeitig umweltfreundlicher zu drucken, zerkleinerten sie den Ausschuss. Gleichzeitig sammelten sie Plastikverschlüsse von Flaschen und schredderten das Material. Alles kam nun in eine selbstgebautes Schmelzgerät, ein weiteres stellte daraus Filament her. Dies konnte genauso eingesetzt werden wie Neumaterial. Die Maschinen baute Milan aus gebrauchtem Material, manches fand er auf dem Schrottplatz. Der Schulhausmeister zeigte ihm das Schweißen und YouTube-Tutorials alles weitere.
Das Team, mittlerweile zu fünft, nahm mit ihrer Recycling-Idee am Wettbewerb Jugend gründet teil. Sie verbrachten nun viel Zeit in der Garage von Milans Eltern. „Die fanden gut, dass ich aufgeräumt und das Werkzeug so schön sortiert habe. Ansonsten haben sie uns einfach machen lassen. Ärger gab es nur, als ich den Küchenmixer zum Schreddern genommen habe oder heimlich den Motor von ihrem verstellbaren Bett ausgebaut habe“, erzählt er. Die Schüler nannten ihr Unternehmen QiTech, reichten einen Businessplan ein, präsentierten vor einer Jury – und gewannen. Der Preis: eine einwöchige Reise ins Silicon Valley.
Als ein halbes Jahr später die Pandemie alles lahmlegte, fuhr QiTech die Produktion hoch und fertigte aus dem selbst hergestellten Recycel-Filament Halterungen für Corona-Schutzvisiere. Sie wurden an ein Pflegeheim geliefert. Auch die örtliche Feuerwehr bestellte Halterungen – nun begann der Drei-Schicht-Betrieb. Die ganze Stadt sammelte Flaschendeckel als Ausgangsmaterial für das Filament und viele Teenager arbeiteten nicht nur wegen des guten Stundenlohns mit. Sie hatten dort so viel Gesellschaft wie nur wenige in Corona-Zeiten. Auch Simon Kolb war dabei und programmierte die komplexe Software für die Maschinen.
Als QiTech von einem leerstehenden Supermarkt erfuhr, der in einem Jahr abgerissen werden sollte, mieteten die Schüler die 2.000 Quadratmeter große Halle. Sie kauften gebrauchte Tische und einen Gabelstapler bei Ebay und hatten nun endlich genug Platz, um ihre entwickelten Flaschendeckelsortiermaschinen, Extruder, Winder und Wickler zu bauen. Doch auch der Spaß kam nicht zu kurz. Denn es ließ sich hervorragend mit Skateboards durch die Halle fahren. Feldbetten standen darin, ein Swimmingpool, ein Schlagzeug und sogar ein Flügel. „Eine wilde Zeit“ meint Simon und erzählt von Partys, die als Firmenveranstaltungen getarnt waren und auf der sich die ganze Stadt tummelte. Gleichzeitig trafen immer mehr Anfragen und Aufträge über Social Media ein; die Freunde schraubten und programmierten die Nächte durch, morgens quälten sie sich direkt aus der Halle in die Schule. Den nächsten Wettbewerb, Startup Teens, gewannen sie mit Bravour. Irgendwann dazwischen lernten sie fürs Abitur.
Im Herbst 2022 sind Milan und Simon mit der QiTech GmbH nach Darmstadt gezogen. Die beiden Geschäftsführer ergänzen sich hervorragend: Milan baut, Simon programmiert. Gemeinsam entwickeln sie die Systeme weiter. Auch an der Uni sind sie eingeschrieben, getreu ihrer Aufgabenteilung für Maschinenbau und Informatik. Wieviel Zeit tatsächlich für den Hörsaal bleibt, wird sich zeigen. Denn nun steht die Skalierung des Unternehmens an. Zu den Kunden gehören Labore und Forschungseinrichtungen oder Innovationsabteilungen etablierter Autohersteller. Bisher wurden 70 Maschinen in 14 Länder verkauft. Sie sind auch deshalb so begehrt, weil die Programmiercodes als Open Source-Software zur Verfügung stehen und damit für die eigenen Bedürfnisse angepasst werden können. Das Feedback der Käufer erlaubt QiTech wiederum eine ständige Optimierung.
Die Gründer haben viele Erfahrungen gesammelt, sind sehr gut vernetzt und erfolgreich. Bequem war ihr Weg aber nicht: Seit Jahren stecken sie sehr viel Zeit in das Vorhaben und haben auch nach der Schule keine Pause eingelegt. Sie bereuen es dennoch nicht. Milans Anliegen ist es, den 3D-Druck nachhaltiger zu machen. Und auch Simon weiß, was er will: „Was zum Anfassen! Die meisten jungen Gründer setzen rein digitale Ideen um. Würde ich eine Dating-App programmieren, könnte ich am Strand arbeiten und wäre vielleicht schon reich, aber Spaß hätte mir das nicht gemacht“, sagt er lachend.
QiTech ist erwachsen geworden, demnächst sollen Mitarbeitende eingestellt werden. Vielleicht gibt es bald wieder Firmenpartys – nur nicht in der frisch bezogenen Halle. Denn ihre Vorteile wissen die Gründer sehr zu schätzen: Weniger Ablenkung, saubere Klos und der Boden klebt nicht.
Auf KfW Stories veröffentlicht am 5. Dezember 2022
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 12: Nachhaltige Konsum- und Produktionsweisen
Die Menschheit lebt seit Langem über ihre ökologischen Verhältnisse. Dies gilt in besonderem Maße für die Industrieländer und die wachsenden Ober- und Mittelschichten in vielen Schwellenländern. Der Wandel zu einer Wirtschafts- und Lebensweise, die die natürlichen Grenzen unseres Planeten respektiert, kann nur gelingen, wenn wir unsere Konsumgewohnheiten und Produktionstechniken umstellen. Dazu sind international gültige Regeln für Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz wichtig. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
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