Mithilfe von Risikokapital entwickelte das deutsche Biotech-Start-up Rigontec einen Wirkstoff, der dem Immunsystem hilft, sich gegen Krebszellen zu wehren. Nach nur drei Jahren Entwicklungstätigkeit wurde es vom amerikanischen Pharmariesen Merck & Co. übernommen.
Es ist eine Entwicklung, von der alle Risikokapitalinvestoren träumen: Gestartet 2014 als Ausgründung der Universität Bonn, wurde das Biotech-Start-up Rigontec Ende 2017 mit hohem Gewinn an einen großen Konzern verkauft. In der Start-up-Branche wird dieser Vorgang als „Exit an einen Strategen“ bezeichnet. Neben einem Börsengang gehört der Verkauf an einen Strategen zu den begehrten Strategien der Eigentümer und Investoren.
Rigontec arbeitete auf dem momentan vielversprechendsten Feld der Krebsforschung, der Immuntherapie. Im Gegensatz zur Chemo- oder Strahlentherapie wird bei der Krebsimmuntherapie mit speziellen Wirkstoffen das Immunsystem des Patienten zum Kampf gegen die Krankheit mobilisiert. „Die Therapeutika wirken so, dass die Krebszellen sich selbst zum Ziel erklären“, erläutert Christian Schetter, der Geschäftsführer der Rigontec GmbH, der den Deal mit Merck & Co. erfolgreich verhandelte.
Die Krebsimmuntherapie ist zwar bereits seit Jahrzehnten bekannt und kann seit etwa zehn Jahren auch Erfolge vorweisen, doch erst vor wenigen Jahren verkündete das führende US-Forschungsmagazin „Science“ den „Breakthrough of the Year“ in dieser Sparte. Alle großen Pharmakonzerne suchen heute Immuntherapeutika für ihre Portfolios: Allein Merck & Co. lässt weltweit mehr als 550 Studien im Bereich der Immunonkologie laufen. Venture-Capital-Fonds halten deshalb Ausschau nach Start-ups, die auf diesem Gebiet forschen. „Unsere Investoren trieb aber auch die Motivation, die Forschung voranzubringen, die viele Menschenleben retten kann“, sagt Schetter, der Rigontec bei Merck in guten Händen sieht.
Zu den Investoren bei Rigontec gehörten Branchengrößen wie Forbion Capital Partners, Boehringer Ingelheim Venture Funds, High-Tech Gründerfonds (HTGF), NRW.BANK, MP Healthcare Venture Management, Sunstone Capital und Wellington Partners Life Sciences. Das Forbion-Engagement wurde von der KfW finanziell unterstützt, die in Venture-Capital-Fonds investiert, um den Technologiestandort Deutschland zu stärken. Auch beim HTGF ist die KfW neben dem Bundeswirtschaftsministerium der zweitgrößte öffentliche Geldgeber.
Zusammen stellten sie Rigontec knapp 30 Millionen Euro zur Verfügung, die vor allem in klinische Studien und Tests geflossen sind. Eine stolze Summe für ein deutsches Start-up: Hierzulande entwickelt sich der Markt langsam. Nun wurden die Investoren belohnt: Merck & Co. zahlte 115 Millionen Euro für das Unternehmen. Weitere 349 Millionen Euro sollen fließen, wenn Merck & Co. mit den Medikamenten von Rigontec bestimmte klinische und kommerzielle Ergebnisse erzielt.
Die endgültigen Resultate werden zwar erst im Laufe des Jahres 2019 vorliegen, aber der Exit ist bereits heute ein Riesenerfolg: „Der Verkauf von Rigontec ist ein Idealbeispiel für einen erfolgreichen Exit. Die Firma konnte innerhalb kürzester Zeit ihren Wert enorm steigern. Für die Investoren ist das – neben den hohen Gewinnen – eine Bestätigung dafür, dass sie mit ihrer Investitionsentscheidung richtig lagen“, sagt die stellvertretende Pressesprecherin der KfW Sonja Höpfner.
Schetter ist überzeugt, dass Rigontecs Technologie weltweit einzigartig ist. Dass das Unternehmen so schnell verkauft wird, hat der promovierte Molekularbiologe dennoch nicht erwartet. Dabei ist es nicht sein erster Erfolg. Zuvor war er sechs Jahre lang CEO der Fresenius Biotech GmbH. Das neue Arzneimittel gegen Krebs, das das Unternehmen auf den Markt brachte, erhielt sogar einen Preis. Unter der Regie von Schetter wurde die Biotech-Sparte von Fresenius erfolgreich verkauft. Davor gehörte er dem Führungsteam von Coley Pharmaceutical an – benannt nach dem Pionier der Krebsimmuntherapie William Coley. Die Firma gibt es heute nicht mehr: „Leider funktionierte unser Medikament in einer wichtigen Studie damals aus verschiedenen Gründen nicht.“ Die zehn Jahre Forschung waren aber nicht vergebens: Das Unternehmen wurde 2007 vom Pharmariesen Pfizer aufgekauft.
Die Firma Rigontec wurde nach RIG-I benannt, einem Rezeptor des Immunsystems. Dieser mobilisiert unsere Abwehrkräfte, sobald bestimmte Viren in unseren Körper eindringen. Die Gründer von Rigontec, zwei Professoren aus Bonn, fanden heraus, wie RIG-I die Viren identifiziert. „Der Rezeptor erkennt deren RNA, eine DNA-Kopie, die üblicherweise genetische Informationen in Proteine verwandelt“, so Schetter. RIG-I macht sich dabei die besonderen Merkmale der viralen RNA zunutze. Da der Rezeptor in allen Zelltypen vorhanden ist – auch in Krebszellen –, wollten die Wissenschaftler ihre Entdeckung zur Bekämpfung von Krebs nutzen und haben den Wirkstoff RGT100 entwickelt, der RIG-I aktiviert – und zwar als einzigen Immunrezeptor. Das minimiert die Nebenwirkungen der Therapie.
„Unser Wirkstoff imitiert die Virus-RNA. Anders als das Virus ist er aber nicht krankheitserregend“, erklärt Schetter. „Wenn man diese RNA in die Tumore einbringt, wird RIG-I sie erkennen und die Tumorzellen in den Zelltod treiben. Parallel dazu wird das Immunsystem des Patienten wie durch eine Software zum Kampf gegen die Tumorzellen programmiert.“
Mit dem Wirkstoff könnten verschiedene Tumorarten und auch deren Metastasen behandelt werden. Die Forscher haben bereits Daten, die zeigen, dass die neuen Therapeutika zusätzlich die Bildung eines Immungedächtnisses fördern, sodass Patienten auch langfristig gegen Neubildungen von Tumoren geschützt wären.
Auf KfW Stories veröffentlicht am 5. September 2017, aktualisiert am 7. Februar 2019.
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Gesundheit ist gleichzeitig Ziel, Voraussetzung und Ergebnis von nachhaltiger Entwicklung. Ihre Förderung ist ein Gebot der Menschlichkeit – sowohl in den Industrie- als auch in den Entwicklungsländern. Weltweit leben etwa 39 Prozent der Weltbevölkerung ohne Krankenversicherung, in einkommensarmen Ländern sind es sogar mehr als 90 Prozent. Immer noch sterben viele Menschen an Krankheiten, die bei richtiger Behandlung nicht tödlich verlaufen müssten oder mit Impfungen einfach zu verhindern wären. Mittels Stärkung der Gesundheitssysteme und insbesondere einer breiten Verfügbarkeit von Impfstoffen kann es uns gelingen, diese Krankheiten bis 2030 zurückzudrängen und sogar auszurotten. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
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