Algen im Glas
Gründen

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Das schlägt Wellen

Ein Superfood, das weder Acker oder Dünger braucht und sogar das Klima schützt? Algen! In den veganen Fischalternativen von Wunderfish sorgen sie für guten Geschmack. Doch das Start-up, das beim Unternehmenswettbewerb der KfW mit einem Sonderpreis ausgezeichnet wurde, hat noch mehr mit ihnen vor: eine Revolution auf allen Tellern.

KfW Award Gründen

Der KfW Award Gründen zeichnet in jedem Jahr 16 Landessieger und einen Bundessieger für ihre Geschäftsideen aus.

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Algen sind für kleine Fische und Krustentiere ein sicheres Zuhause. Sie verstecken sich darin, um in Ruhe heranzuwachsen. Gleichzeitig bieten sie ihnen Nahrung. Ob Fische auch die unterschiedlichen Geschmacksrichtungen der Algen wahrnehmen? „Zitronen-, Pfeffer- oder sogar Trüffelaromen können darin stecken“, berichtet Deniz Ficicioglu, Gründerin des Start-ups Wunderfish. Sie lernt noch immer Neues über die Meerespflanzen. „Es gibt über 30.000 Arten und viele sind noch nicht erforscht. Auf das Potenzial von Algen bin ich gestoßen, weil ich mich als Innovationsmanagerin mit der Ernährung der Zukunft auseinandergesetzt habe. Seitdem lassen sie mich nicht mehr los“, sagt sie. Ihre Faszination mündete nach einigen Jahren intensiver Forschungsarbeit 2020 in der Gründung eines eigenen Unternehmens.

Wunderfish
(Quelle: KfW / n-tv)

Gruppenfoto des Wunderfis-Teams mit Produkten
Yummy!

Gemeinsam ist dem Team die Begeisterung für Algen und ihr enormes Pozential für Ernährung und Klima.

Wunderfish aus Berlin vertreibt unter der Marke BettaF!sh einen Thunfisch- und Räucherlachsersatz, der online und in vielen Supermärkten erhältlich ist. Diese Produkte sollen langfristig einen großen Teil der rund 13 Kilo Fisch oder Fischerzeugnisse ersetzen, die jede Person in Deutschland durchschnittlich pro Jahr isst. Für BettaF!sh wird kein Tier getötet, denn die Produkte bestehen aus regionalen Ackerbohnen- und Erbsenproteinen sowie einem Mix aus europäischen Algen. Diese verleihen ihnen den Geschmack, der dem Original sehr nahe kommt. „Wir verwenden hauptsächlich Braunalgen, die zum Beispiel in Norwegen an dicken Tauen einer Aquafarm wachsen. Nach fünf Monaten werden sie geerntet und weiterverarbeitet. Dabei bleiben Proteine, wertvolle Ballaststoffe und jede Menge Omega 3-Fettsäuren erhalten.“

Multitalente aus dem Wasser

zwei Forscher im Labor der wunderfish GmbH
Grüne Forschung

Europäische Braunalgen sind eine nachhaltige Ressource für zukünftige Lebensmittel

Algen sind nicht nur gesund, sondern fördern auch die Biodiversität und spielen eine entscheidende Rolle im CO₂-Kreislauf. Sie nehmen Kohlendioxid aus der Luft auf und binden es. Gleichzeitig setzen sie Sauerstoff frei. Aufgrund dieser Fähigkeit werden Algen auch als maritime grüne Lunge unseres Planeten bezeichnet. Ein weiterer Vorteil: Sie wachsen entschieden schneller als Landpflanzen und brauchen dafür nur Sonne und Salzwasser. Für das weltweite Klima sind Algen daher ein großer Gewinn. Werden sie gezieltals Nahrungsquelle angebaut, profitieren alle. „Rund 30 Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen stammen aus der Lebensmittelproduktion. Das ist ein riesiger Hebel, um etwas zu verändern. Wir könnten durch unser Essen Umwelt und Klima schützen, ohne auf Geschmack verzichten zu müssen“, sagt Ficicioglu. Die überfischten Meere könnten sich erholen und Fischereien auf Algenzucht umstellen, statt das Wenige aus dem Meer zu holen, was die größeren Flotten übriglassen.

Produkte von wunderfish
Ohne Tier, Soja oder Weizen

Unter der Marke BettaF!sh gibt es vegane Alternativen online und in vielen Supermärkten. Als nächstes sollen Restaurants und Kantinen erobert werden.

Je mehr Algen also auf unseren Tellern landen, desto besser – und sie können weit mehr als Fisch imitieren. In Eiscreme oder Frischkäse dienen sie bereits als Verdickungsmittel. Sie können auch Salz oder Zucker ersetzen, die häufig in großen Mengen in Fertigprodukten als Geschmacksverstärker eingesetzt werden. Wunderfish entwickelt derzeit ein Produkt aus Algen, das ebenfalls den Geschmack intensiviert, aber weder die Kalorien noch den Blutdruck in die Höhe treibt, wie es bei zu viel Salz der Fall ist. Künftig kann es zum Beispiel in Brot oder Wurst enthalten sein.

Algen aus Norwegen für die Produktsherstellung von wunderfish
Auf großer Fahrt

Ein Teil des Teams ist bei der Ernte der Braunalgen in Norwegen dabei gewesen.

Den Wandel anzustoßen, sei ein gehöriges Stück Arbeit, gibt Ficicioglu zu. „Haferdrinks oder vegane Wurst sind für viele heute selbstverständlich, aber das hat Jahre gedauert, denn Gewohnheiten ändern sich nicht von heute auf morgen. Auch die Lebensmittelindustrie ist nicht so agil. Für sie ist es wichtig, dass sich neue Produkte problemlos in ihre Abläufe einfügen, sich etwa mit den gleichen Maschinen verarbeiten lassen. Das macht den Markteintritt recht komplex.“
Die Gründerin ist stolz darauf, dass ihre Erzeugnisse nun überall im Großhandel gelistet sind. Jetzt laufen Gespräche mit Kantinen und Restaurants, die zum Beispiel eine vegane Thunfisch-Pizza anbieten möchten. Die Nachfrage ist längst vorhanden. „Für den Vertrieb ist es super, dass unser Team so divers aufgestellt ist und viel Expertise mitbringt – sei es als Lebensmitteltechnologin oder Koch. Algen-Fans sind wir natürlich alle“, verrät sie.

Female Entrepreneurship

zwei Gründerinnen der wunderfish GmbH
Impact gewinnt

Beim Unternehmenswettbewerb KfW Award Gründen wurde das Unternehmen 2024 mit dem Sonderpreis ausgezeichnet.

Neben Ausdauer braucht es Geld. Und hier sind Frauen im Nachteil, denn in ihre Unternehmen wird seltener investiert. Im Jahr 2023 gingen 87 Prozent des gesamten in Deutschland zur Verfügung gestellten Risikokapitals an Gründungen von Männern.

Wunderfish hat durch zwei erfolgreiche Finanzierungsrunden vorerst Zeit zum Wachsen, doch Deniz Ficicioglu fordert Gleichberechtigung: „Es gibt gezielte Investments in Gründungen von Frauen. Dafür bin ich sehr dankbar. Aber noch immer sind die Mehrzahl der Kapitalgeber Männer und sie investieren einfach häufiger in männliche Teams. Solange Gründerinnen nicht den gleichen Zugang zum Geld haben, sind die Chancen, mit einem Unternehmen durchzustarten, ungleich verteilt.“
So gerne Ficicioglu das Venture Capital-Ökosystem gleich mit verändern würde – im Moment konzentriert sie sich auf die Ernährung von morgen und die positiven Auswirkungen von Algen. Sie sagt: „Ich bin fest davon überzeugt, dass die Lebensmittelindustrie durch Algen nachhaltiger werden kann. An dieser Revolution arbeiten wir!“

Auf KfW Stories veröffentlicht am 27. Februar 2025