Ein Mobilfunkmast an der Küste von Guinea. Im Vordergrund ist das Meer.
Guinea

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Alles auf Empfang

Das libanesische Unternehmen IPT PowerTech rüstet in Afrika Mobilfunktürme mit moderner Solar- und Speichertechnik aus. Die KfW-Tochter DEG fördert das Engagement. Auf der guineischen Insel Tamara hat das neue Netz den Alltag verändert – und sogar schon Leben gerettet.

Frau telefoniert in Guinea

Auf Tamara hat der solarbetriebene Funkmast die Kommunikation entscheidend verbessert.

Alles, was es brauchte, um den neuen Mobilfunkmast auf Tamara mit Solartechnik auszurüsten, passte auf zwei Pirogen, schmale Holzkähne mit Außenborder. Drei Stunden tuckerten die Boote mit den 42 Solarpanels, den 48 Batterien, dem Schaltschrank und jeder Menge Schrauben, Kabel und weiterer Einzelteile durch die seichten Wellen des Atlantiks. Vier Männer erledigten den Job auf der bewaldeten Südwestseite der Insel in drei Tagen. Das war im April vergangenen Jahres. Seitdem hat das gut zwanzig Kilometer vor der Küste Guineas gelegene Tamara überall Mobilfunkempfang.

Jetzt ist Marc Chedid, Roll-out-Manager beim libanesischen Energieausrüster IPT PowerTech, wieder dort, um nach der Anlage zu sehen. Etwa 20 der 2.000 Bewohner empfangen ihn an dem kleinen Anleger. Darunter auch der 63-jährige Lausana Bissiri Soumah, Anstreicher, Fischer, Kleinbauer, das Mobiltelefon wie ein Werkzeug immer in der Hand. „Jahrelang hatten wir keinen Empfang, nun sind wir in der Zukunft angekommen. Darüber sind wir sehr, sehr glücklich.“ Soumah hat zwei Ehefrauen, eine davon lebt mit fünf seiner Kinder in der Hauptstadt Conakry. Früher haben er und seine Frau sich alle drei Tage unterhalten. Jetzt reden sie täglich. „Sogar wenn ich im Bett liege, kann ich jetzt noch mit ihr telefonieren!“ Früher, sagt er, habe er manchmal sogar Boten beauftragt, um wichtige Nachrichten zu Familienmitgliedern zu bringen, die außerhalb der 1,6-Millionen-Metropole im Landesinnern wohnten.

Die neue private Kommunikation ist das eine, von der IPT-Mann Chedid berichtet, bessere Einkommensmöglichkeiten und Gesundheitsversorgung sind das andere. Seit einem Jahr können nun die Fischer und Bauern von der Insel bei ihren Geschäftspartnern auf dem Festland telefonisch abfragen, wie viel Ware benötigt wird, und auch direkt einen Preis aushandeln. Bisher war da viel dem Zufall überlassen, und man fuhr auf gut Glück auf die Märkte. Und wenn es heute auf der Insel zu einem schwereren Unfall mit Verletzten kommt, können bei den Ärzten in der Hauptstadt sofort die richtigen Medikamente und Blutkonserven bestellt werden. Weil das in der Vergangenheit manchmal nicht klar war und Rettungsboote auf Verdacht mit falschen Blutkonserven losfuhren, starben sogar Menschen.

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Umstieg auf solarbetriebene Stromversorgung

Auch der Tourismus profitiert von dem 30 Meter hohen Turm samt Funkanlage für 2G- und 3G-Frequenzen, einem 1.320-Watt-Solarstromgenerator und Speicherkapazitäten, die einen dreitägigen Blackout überbrücken können. Urlauber auf der Nachbarinsel hatten sich früher immer wieder über mangelnden Handyempfang beschwert. Der Mobilfunkanbieter Orange schloss die Lücke und beauftragte die Experten von IPT PowerTech mit der Stromversorgung. „Wir betreuen allein in Guinea rund 430 Standorte, die rein solarbetrieben sind, die anderen 350 verfügen über Hybridlösungen aus Solar- und Dieselbetrieb, weitere 900 über nicht solare Hybridformen“, erklärt Marc Chedid. „Wir streben aber an, überall dort von den Dieselaggregaten auf Solarstrom umzustellen, wo es möglich ist. Wir wollen bessere Umweltkennzahlen erreichen.“

Marc Chedid
„Wir wollen bessere Umweltkennzahlen erreichen.“

Marc Chedid, Roll-out-Manager bei IPT PowerTech

Chedids Arbeitgeber sitzt in Beirut. Die IPT PowerTech Group investiert von dort seit 1993 in dezentrale und nachhaltige Energielösungen für Mobilfunkunternehmen in elf Ländern Afrikas und dem Nahen Osten – und kommt dabei auf über 30.000 Mobilfunkmasten. Diese liefen (und laufen) in vielen Entwicklungsländern abseits der öffentlichen Stromversorgung noch mit Dieselgeneratoren. IPT kauft die altertümlichen Anlagen auf, rüstet sie auf Solarversorgung und moderne Batteriespeicher um und verkauft den erzeugten Strom an die Mobilfunkanbieter. 4.500 Masten funktionieren schon nach diesem Prinzip, allein 1.750 in Guinea. Für über 1.000 weitere hat die KfW-Tochter DEG ein Darlehen in Höhe von über 22 Millionen Euro bereitgestellt. 2.000 zusätzliche Jobs sollen dadurch entstehen. Ziel von IPT ist, insgesamt mindestens 40 Prozent der bisher benötigten Energie einzusparen und 115.000 Tonnen CO₂-Emissionen zu vermeiden. „Mit IPT begleiten wir ein Unternehmen bei der nachhaltigen Weiterentwicklung seines Erfolg versprechenden Geschäftsmodells“, sagt DEG-Geschäftsführerin Monika Beck. „Uns freut natürlich auch, dass künftig Speichermedien aus deutscher Produktion an den Mobilfunkmasten zum Einsatz kommen.“

Während die Batterien in Deutschland hergestellt werden, liefert Frankreich die Batterieboxen, die Funktürme kommen aus Tunesien, die Kabel aus dem Libanon, die Solarpanels aus China, die Schaltkästen aus IPT-Fabriken in Rumänien, die Stahlstrukturen aus Portugal, die Router aus Litauen und Ersatzteile aus Guinea. Das Wartungspersonal ist ortsansässig. „Wir integrieren Komponenten aus aller Welt, um für jeden Standort eine passende Lösung zu bieten“, sagt Marc Chedid, „aber uns ist es wichtig, mehr als 98 Prozent des benötigten Personals in Guinea zu rekrutieren.“

Wir finanzieren

Die KfW-Tochter DEG finanziert zahlreiche unternehmerische Investitionen in Schwellen- und Entwicklungsländern.

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Bislang ist Tamara Island eine verträumte Insel gewesen, auf der das eine Auto, die acht Motorräder und die vier Fahrräder gegen die vielen Schafe und Ziegen klar in der Minderheit waren. Bislang verdiente ein Fischer durchschnittlich 50 Dollar im Monat, und niemand auf der Insel konnte sich ein Smartphone leisten. Bislang hat man den Wandel der Lebensqualität in kleinen Schritten gemessen und bestritt die neue Kommunikation mit normalen Handys. Bislang. Die neuen Bedingungen lassen die Menschen von Tamara hoffen, dass alles nun ein wenig schneller und verlässlicher geht.

Nach ihren Entwicklungswünschen gefragt, sehnen sie sich zuerst die Verbesserung der medizinischen Versorgung herbei. Und dann, ja, ein Shop des Mobilfunkanbieters Orange direkt auf der Insel wäre schon schön, sagt der 49-jährige Demba Camaka, der am Anleger sein Fischernetz flickt und das Handy dabei nicht loslässt. Zwar hat man nun Empfang auf Tamara, muss zum Aufladen des Guthabens aber immer noch nach Conakry übersetzen.

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Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.

Auf KfW Stories veröffentlicht am 24. September 2020.