Dank der alten Schleusen von IJmuiden können Seeschiffe bis nach Amsterdam fahren. Doch die größten der neuen Schiffsgeneration passten hier nicht mehr durch. Mit Hilfe der KfW IPEX-Bank wurde eine gigantische neue Schleuse für Ozeanriesen gebaut und am 26. Januar 2022 feierlich vom niederländischen König Willem eröffnet.
Vorsichtig navigiert der Lotse die „ Gracious Ace“ in die Schleuse. Zentimeter für Zentimeter schiebt sich der 199 Meter lange und 32 Meter breite Autotransporter vor das Panorama der Stadt IJmuiden. Für die Frauen und Männer in den Baucontainern des Konsortiums OpenIJ, die in der Nähe der Schleuse stehen, ist der Anblick haushoher Bordwände vor den Fenstern ihrer Büros alltäglich geworden. Sie arbeiten dort daran, dass schon im Jahr 2022 Schiffe problemlos den Hafen von Amsterdam anlaufen können, die doppelt so groß sind wie die „ Gracious Ace“.
IJmuiden liegt an der Mündung des 27 Kilometer langen Nordseekanals, der Amsterdam mit dem Meer verbindet. Hier lässt die niederländische Regierung die größte Schleuse der Welt bauen: 500 Meter lang, 70 Meter breit, 18 Meter tief. Sie ist 100 Meter länger, 20 Meter breiter und drei Meter tiefer als die Nordschleuse, in die gerade der Schlepper Pollux den Autotransporter bugsiert. Aber schon diese hatte im Jahr ihrer Fertigstellung, 1929, als „größte Schleuse der Welt“ Schlagzeilen gemacht.
„Die Schleuse muss immer schiffbar sein, auch bei Niedrigwasser“, erklärt Jaap Blokland, Projektdirektor für Technik, Beschaffung und Bauleitung bei OpenIJ, eine der Vorgaben für den Neubau. „Für große Kreuzfahrtschiffe ist die alte Schleuse zu eng“, ergänzt Carlo Kuiper, Projektdirektor der Projektgesellschaft bei OpenIJ. Beispielsweise große Kreuzfahrtschiffe würden deshalb nach Rotterdam ausweichen. Aber Passagiere sind eine begehrte Klientel, sie sorgen für Umsatz in Geschäften und Restaurants.
Mit einem Warenumschlag von 95 Millionen Tonnen im Jahr 2015 liegt Amsterdam in der Liste der größten europäischen Häfen hinter Rotterdam, Antwerpen und Hamburg auf Rang vier. An den Amsterdamer Kais werden vornehmlich Massengüter wie landwirtschaftliche Produkte, Düngemittel oder fossile Brennstoffe gelöscht. Amsterdam ist außerdem der größte Treibstoffhafen der Welt. Und: 182 Hochsee-Kreuzfahrtschiffe gingen im vergangenen Jahr in der größten Stadt der Niederlande vor Anker.
Der gesamte Schiffsverkehr zwischen Hafen und Nordsee muss durch das Nadelöhr IJmuiden. Vier unterschiedlich große Schleusen sind es insgesamt. Sie liegen nebeneinander auf Inseln und bilden mit diesen in der Kanalmündung eine Barriere, die zugleich Teil des niederländischen Küstenschutzes vor den Fluten der Nordsee ist. Die Inseln sind Reste der Dünen, die beim Bau des Kanals vor 140 Jahren abgetragen wurden. Aus der Siedlung der Kanalarbeiter entstand die 30.000 Einwohner zählende Stadt IJmuiden.
Rund um die Baustelle herrscht reger Betrieb auf dem Wasser. Schiffe bringen Radlader und Bagger. Schwimmkräne ankern an der Stelle, an der die Unterwasserbasis für das erste Schleusentor gelegt wird. Die täglichen Arbeitspläne müssen vom Amsterdamer Hafen genehmigt werden, der Verkehr auf dem Kanal soll schließlich ungehindert weiterlaufen. Zu den größten Herausforderungen des Projekts zählt Jaap Blokland den „engen Zeitplan“. OpenIJ, ein Joint Venture aus den niederländischen Baukonzernen Royal BAM und Volker Wessels sowie Finanzinvestoren, bekam den Zuschlag im September 2015.
Vorbereitende Arbeiten begannen einige Monate später. Dabei beseitigte man unter anderem unterirdische Bunker und suchte nach Blindgängern aus dem Zweiten Weltkrieg. Spätestens im Januar 2022 sollte die neue Schleuse in Dauerbetrieb gehen, die ersten Schiffe werden aber schon vorher die Schleuse getestet haben. Eine weitere Schwierigkeit: Der Platz für die Baustelle ist knapp bemessen. Auch die vier alten Schleusen werden weiterhin ohne Unterbrechung genutzt. Gebaut wird mittendrin, denn die neue Schleuse kommt zwischen Nord- und Mittelschleuse.
Von der Noordersluis unterscheidet sich die neue Schleuse nicht nur in ihren Dimensionen, auch ihr Nutzen wird größer sein. Weil sie deutlich tiefer liegt, kann sie gezeitenunabhängig betrieben werden. Bisher müssen Kapitäne von Ozeanriesen manchmal auf Flut warten oder einen Teil der Ladung in IJmuiden auf kleinere Schiffe umladen lassen.
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Auftraggeber des 500 Millionen Euro teuren Projekts ist Rijkswaterstaat, eine Behörde des niederländischen Infrastruktur- und Umweltministeriums. Das Geld für den gigantischen Neubau kommt teilweise aus Deutschland. Neben privaten Finanzinstituten und der Europäischen Investitionsbank beteiligt sich die KfW IPEX-Bank an der Finanzierung. „Der Ausbau der europäischen Infrastruktur gehört zu unserem Mandat“, erklärt Christian Bevc, Abteilungsleiter für Transport- und soziale Infrastruktur bei der KfW IPEX-Bank das Engagement des internationalen Spezialfinanzierers.
Die IJmuidener Schleuse ist Teil der sogenannten Transeuropäischen Netze, die von der EU finanziell unterstützt werden (TEN-T-Programm). Zum selben Verkehrsnetz gehört die neue Kieldrecht-Schleuse im Antwerpener Hafen, die im Sommer 2016 eröffnet wurde und nur unwesentlich kleiner ist als der Neubau in IJmuiden. Über die Seehäfen in den Niederlanden und Belgien wird auch ein bedeutender Teil der deutschen Ein- und Ausfuhren abgewickelt. Christian Bevc hebt zudem hervor, dass es sich bei IJmuiden um ein Public-Private-Partnership-Projekt handelt. PPP könne als „Beschaffungsalternative der öffentlichen Hand“ Effizienzvorteile generieren, so der Manager, „und unter Umständen die Fertigstellung eines Projekts beschleunigen“.
Auf die Konstruktion der Schleusentore ist man bei OpenIJ besonders stolz. Normalerweise sei bei einer Seeschleuse das äußere Tor höher als das innere, erläutert Projektdirektor Kuiper die „fundamentale Design-Entscheidung“, beide Tore gleichhoch zu bauen. So benötigt man nur ein Ersatztor statt zwei. Das macht die Sache billiger. Und weil das Wasser durch 16 Öffnungen im Tor, je neun Quadratmeter groß, ein- und ausfließt, spart man sich die Kanäle außerhalb der Schleusenkammer, über die sie üblicherweise be- und entwässert würde. 77 Meter breit ist ein Schleusentor, 25 Meter hoch und elf Meter dick. Jeder dieser Stahlkolosse wiegt 2400 Tonnen und wird in Südkorea unter ständiger Kontrolle von OpenIJ-Experten vor Ort zusammengeschweißt. Im Frühjahr 2018 sollen die Tore per Schiff in IJmuiden eintreffen.
Wasserbauprojekte haben einen langen Zeithorizont. Die alte Noordersluis, die 1930 von der niederländischen Königin Wilhelmina eingeweiht worden war, soll außer Betrieb gehen, wenn die neue fertig ist. Auf wie viele Jahre wird es wohl ihre Nachfolgerin bringen? „100“, schätzt Projektdirektor Jaap Blokland. „Mindestens.“
Auf KfW Stories veröffentlicht am 17. Februar 2017, aktualisiert am 26. Januar 2022.
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 9: Widerstandsfähige Infrastruktur und nachhaltige Industrialisierung
Eine nicht vorhandene oder marode Infrastruktur hemmt die Wirtschaftlichkeit und fördert so die Armut. Beim Aufbau der Infrastruktur sollte der Aspekt der Nachhaltigkeit im Vordergrund stehen, zum Beispiel mit der Förderung von umweltfreundlichen Verkehrsmitteln. Auch Fabriken und Industriestätten sollten nach ökologischen Gesichtspunkten nachhaltig produzieren, um eine unnötige Umweltbelastung zu vermeiden. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
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