Ein Österreicher treibt in Cottbus den digitalen Wandel voran. Dafür will er den Datenschatz der Verwaltung besser nutzen. Die Stadt in Brandenburg gehört zu den ersten 13 Gewinnern der Ausschreibung „Modellprojekte Smart Cities“.
Seinen Arbeitsplatz erreicht Gustav Lebhart (Bild oben) jeden Morgen über den Walk of Fame. Auf den Bürgersteigen vor dem Rathaus in Cottbus, in dem Lebhart sein Büro hat, sind alle Gewinnerinnen und Gewinner olympischer Medaillen aus der Lausitz-Stadt mit einer Plakette verewigt, darunter etwa die Diskus werfenden Brüder Robert und Christoph Harting. Für den Zugereisten Lebhart ist das Entree zur Stadtverwaltung ein Mutmacher: „Die Stadt ist voller Sieger.“
Kürzlich ist Cottbus für eine nicht sportliche Leistung ausgezeichnet worden. Es zählt zu den 13 Kommunen und Stadtverbänden, die das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und die KfW im Rahmen des Wettbewerbs „Modellprojekte Smart Cities“ fördern. 750 Millionen Euro insgesamt schütten BMI und KfW in vier Staffeln aus. Cottbus erhält 13,8 Millionen und steuert aus Eigenmitteln 1,2 Millionen bei.
Abgesegnetes Konzept für den Wandel
Ein „politisches Querschnittsthema“ nennt Oberbürgermeister Holger Kelch die Digitalisierung. Sie brauche „Gestaltung im Interesse und zum Nutzen aller“. Die Kommune ist strategisch bereits gut aufgestellt und verfügt über ein von der Stadtverordnetenversammlung abgesegnetes Konzept des umfassenden technologischen Wandels. Deshalb kann sie bereits jetzt mit der Umsetzungsphase starten, die für die Dauer von fünf Jahren gefördert wird.
Hier kommt Gustav Lebhart ins Spiel. Seit 2018 ist er CIO (Chief Information Officer) im Cottbuser Rathaus, gestaltet diesen Prozess. „Amt, aber sexy“ steht auf dem Plakat an Lebharts Bürotür. Sozusagen eine Werbung für den öffentlichen Dienst. Die Verwaltung, sagt er, „ist vernetzt und offen“. Und: „Sie ist der einzige Garant, dass Daten sicher und eindeutig sind.“ Es sei ja der große Wert der Verwaltung, dass sie „keine Daten verkauft“.
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Smart City Cottbus: Das strategische Konzept für den digitalen Wandel steht fest.
Der Cottbuser CIO hat es mit Zahlen. Beruflich beschäftigt er sich schon lange mit der Aufbereitung von Daten, die die öffentliche Hand erhebt. In Wien war er mehrere Jahre Leiter der Landesstatistik. Lebhart ist Österreicher, einer von 36 übrigens in Cottbus, und dass er aus Wien kommt, ist insofern von Bedeutung, als die österreichische Hauptstadt in puncto Digitalisierung den deutschen Kommunen weit voraus ist: Wien liegt im neuesten Smart-City-Ranking der Unternehmensberatung Roland Berger, die dafür weltweit 153 Städte untersuchte, auf Platz eins.
Konkrete Umsetzung
In der digitalen Agenda von Cottbus werden die Herausforderungen der 4.0-Ära in sieben Handlungsfelder aufgefächert: Bildung, Energie, Mobilität, Stadtentwicklung, Gesundheit, Verwaltung, Wirtschaft. Koordinatorinnen und Koordinatoren aus Schulen, Krankenhäusern und Unternehmen regen Digitalisierungsvorhaben in ihren Arbeitsgebieten an und begleiten sie mit der entsprechenden Fachkompetenz.
Aus der Vielzahl der Cottbuser Ideen haben sich bisher elf Projekte herausgeschält, die im Rahmen der Smart-City-Förderung angegangen werden und auf Bürgerversammlungen in den kommenden Monaten vorgestellt werden sollen. Mit zwei, drei Projekten wollen wir schnell anfangen, sagt Lebhart. Das eine ist E-Government, sein ureigenes Gebiet. Ein gutes Datenmanagement macht letzten Endes Papierakten überflüssig und sorgt für eine höhere Effizienz der Behörde. Ein Datenmanagementsystem, das Cottbus ab 2020 einführen will, ist die Voraussetzung für das Bürgerportal, für „das Amt zu Hause“, wie Lebhart es nennt. Eine elektronische Akte für jeden Bürger schwebt ihm vor, in der alles abgelegt ist: Geburtsurkunde, Pass, Kita-Anmeldung, Bauantrag. Die öffentliche Dienstleistung als digitales Angebot ersetzt den Behördengang, und wenn der Parkausweis abläuft, bekommt man eine Mail vom Amt zusammen mit dem Formular für die Verlängerung, das man ausfüllen kann, ob man nun im Wohnzimmer in Cottbus oder im Hotel auf Teneriffa ist.
„Die Verwaltung ist vernetzt und offen.“
Um Synergien zu heben, arbeitet Cottbus an der Gründung eines IT-Zweckverbandes. Brandenburgische Kommunen, so der Gedanke, betreiben mithilfe dieses Verbandes gemeinsam ein Rechenzentrum für das E-Government der beteiligten Gemeinden. Das kommunale Rechenzentrum in Cottbus, mit rund 100.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Brandenburgs nach der Landeshauptstadt Potsdam, böte sich als gemeinsamer Datenverarbeiter an.
„Mobility on demand“ ist das Thema eines weiteren Projekts, das bereits ab 2020 realisiert werden soll. Wie kann ein Fahrgast beispielsweise mithilfe seines Smartphones die Weiterfahrt von der Endhaltestelle einer Straßenbahn nach Hause organisieren? Wie lässt sich mittels digitaler Datenverarbeitung erreichen, dass das kommunale Unternehmen Cottbusverkehr kleinere Busse einsetzt, wenn nur wenige Passagiere erwartet werden? Oder, aber das ist erst mal nur eine Idee: Können mit Sensoren und Kameras bestückte Straßenbahnen während ihrer fahrplanmäßigen Fahrten durchs Stadtgebiet den Straßenzustand dokumentieren, gar die Größe etwaiger Löcher im Asphalt ausmessen?
Ende der Braunkohle-Ära
„Digitaler Innovationsmotor in Brandenburg“ zu sein, das schwebt Oberbürgermeister Kelch vor. Cottbus muss die technologische Umwälzung inmitten eines Strukturwandels stemmen. Noch ist die Niederlausitz rund um die Stadt ökonomisch von der Braunkohle abhängig. Das wird sie aber nicht bleiben. Und so beschäftigt man sich hier inzwischen mit einem alternativen Energieträger. Die Smart City gehört seit Kurzem zu den „Reallaboren der Energiewende“, die das Bundeswirtschaftsministerium finanziell fördert. Cottbus darf sich infolgedessen „Modellstadt Wasserstoff“ nennen. Mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge könnten eine Alternative zu E-Mobilen werden.
Quelle
Der Artikel ist erschienen in CHANCEN Kompakt Frühjahr/Sommer 2020 „Digitale Pioniere".
Zur AusgabeUnd dann muss man noch einen sehr besonderen Superlativ erwähnen: Cottbus ist die größte zweisprachige Stadt Deutschlands. Die Lausitzer sprechen Deutsch und Sorbisch. Was den einen das „Rathaus“, ist den anderen das „Radnica“. Beide Worte stehen über dem Haupteingang der Stadtverwaltung von Cottbus/Chóśebuz. Zweisprachig wird ebenfalls die Smart City sein. „Wir wollen“, sagt OB Kelch, „digitale Dienstleistungen auch in sorbischer Sprache anbieten.“
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 9: Widerstandsfähige Infrastruktur und nachhaltige Industrialisierung
Eine nicht vorhandene oder marode Infrastruktur hemmt die Wirtschaftlichkeit und fördert so die Armut. Beim Aufbau der Infrastruktur sollte der Aspekt der Nachhaltigkeit im Vordergrund stehen, zum Beispiel mit der Förderung von umweltfreundlichen Verkehrsmitteln. Auch Fabriken und Industriestätten sollten nach ökologischen Gesichtspunkten nachhaltig produzieren, um eine unnötige Umweltbelastung zu vermeiden. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
Auf KfW Stories veröffentlicht am 6. Februar 2020.
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