Selbst wenn man nicht im selben Raum ist, Verbindung durch Tanz ist trotzdem möglich. Die Schüler der Academy nehmen nun online an den Kursen teil.
Corona-Kredite

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Brutal betroffen

Die Berliner Dance Company Flying Steps betreibt die größte urbane Tanzschule in Deutschland und ist mit vielen Shows auf den Bühnen der Welt zu Hause. Aufgrund der Corona-Pandemie mussten Auftritte ausfallen und Studios geschlossen werden. Eine neue unternehmerische Choreografie ist gefragt.

Timm Zolpys, Vartan Bassil und Stefan Lechermann setzen in der Krise auf Schnelligkeit und Kreativität – Eigenschaften, die sie als Tänzer verinnerlicht haben.

Die Gesellschafter der Flying Steps Academy Timm Zolpys, Vartan Bassil und Stefan Lechermann (von l.n.r.) kennen sich bereits aus Jugendzeiten, zusammen meistern sie jetzt die Corona-Krise.

In Berlin-Kreuzberg ist es ruhig in diesen Tagen. Wo sonst am Morgen die letzten Partygänger aus dem nahen Technoclub nach Hause schleichen und nebenan ein erster Cappuccino getrunken wird, herrscht Katerstimmung. Das Café und die sechs Studios der Flying Steps Academy, in denen Hip-Hop-, Breakdance- und Ballettkurse stattfinden oder Afro House getanzt wird, sind verwaist.

Geschäftsführer Stefan Lechermann erinnert sich gut daran, wie es täglich neue Meldungen über das Virus gab, Länder ihre Grenzen schlossen und Schutzmaßnahmen ergriffen wurden. „An einen Shutdown haben wir lange nicht geglaubt. Doch dann wurde es schlagartig leer hier, und wenige Tage später mussten wir dichtmachen. Da wurde uns klar: Diese Krise dauert länger als zwei Wochen.“

Die Flying Steps sind eine bekannte Größe im Entertainmentbereich, ihre Shows, die klassische Musik mit modernem Tanz verbinden, avancierten zu Welterfolgen. Bald sollte die Flying-Bach-Tournee in drei Ländern starten, die Tickets für die 20 Termine waren schon verkauft. Doch der Veranstalter sagte alle ab und kündigte eine Verschiebung in den Herbst nächsten Jahres an. Auch eine andere Säule ist weggebrochen: Firmenkunden, die ihre Produkte von den Flying Steps in Szene setzen lassen oder eigens konzipierte Show Acts für Veranstaltungen buchen, stornierten ihre Aufträge.

Kurzarbeit und Entlassungen

Die Gesellschafter der Flying Steps, Timm Benjamin Zolpys und Vartan Bassil, kennen sich aus Jugendtagen. Mit einem Ghettoblaster zogen die Breakdancer durch Berlin, um auf dem Asphalt ihr Können zu zeigen. 1995 traten sie sogar beim Battle of the Year gegeneinander an. Ihre Geschichte erzählen sie in dem preisgekrönten Dokumentarfilm Flying Revolution. Später wurden sie Freunde und Geschäftspartner. Zusammen mit Stefan Lechermann sind sie zurzeit aber vor allem eines: Krisenstab. „Wir sind brutal von der Situation betroffen“, sagt Zolpys. „Trotzdem haben wir nie gedacht, dass wir den Bach runtergehen. Wie bei jedem Projekt sind nun Probleme aufgetaucht, die wir lösen müssen.“

Stefan Lechermann eignete sich in kurzer Zeit viel Wissen über die Möglichkeiten der Unterstützung seiner Branche an. Alle Dozenten und freiberuflichen Tänzer der Flying Steps wies er auf die Soforthilfen hin, forderte sie auf, sich gleich zu registrieren. Kurzarbeit wurde angemeldet, schweren Herzens mussten vier der 20 Mitarbeiter entlassen werden.

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Tanz-Tutorials für Berliner Schüler

Was Urban Dance auszeichnet, ist Schnelligkeit und Kreativität. Spürbar ist das auch in der Führung des Unternehmens. Schulen und Sportstätten sind seit Wochen geschlossen, viele Kinder und Jugendliche langweilen sich zu Hause. Früh nahmen sich die Flying Steps vor, sie in Bewegung zu bringen, und präsentierten den Zuständigen beim Berliner Senat eine Idee: Tutorial-Videos mit Choreografien zu aktueller Musik. Für die Rechte an den Songs war in diesem Moment bereits Warner Music im Boot. Das Angebot kam genau zur richtigen Zeit – der Senat wollte kooperieren und sagte zu, die Berliner Schulen und die Presse auf die Videos hinzuweisen.

Die Flying Steps legten los und produzierten innerhalb kurzer Zeit 40 Filme. Seitdem erscheint alle zwei Tage auf ihrem Youtube-Kanal ein neues Tutorial. Bis zu 15.000 Aufrufe haben einige Videos. Auch wenn mit dem Projekt keine Einnahmen erzielt wurden, die Flying Steps bleiben dadurch im Gespräch und erreichen neue Zielgruppen.

Zusätzlich entstehen Videos mit ausgefeilten Choreografien, die Tänzerinnen und Tänzer in ihren Wohnungen zeigen. Auch dies bringt hohe Aufmerksamkeit. Die Social-Media-Kanäle werden rasch ausgebaut und häufiger mit neuem Content bespielt.

Der Aufruf #stayathome gilt auch für die 1.800 Tanzbegeisterten, die regelmäßig in der Flying Steps Academy trainieren. Für sie gibt es Onlineklassen, die über die App der Tanzschule gebucht werden können. Täglich finden drei Kurse statt, die Dozenten bleiben mit den Schülern so in guter Verbindung. Es führt auch dazu, dass bisher wenige Verträge gekündigt wurden und regelmäßige Einnahmen fließen.

„Wir haben hier 2.000 Quadratmeter, in denen wir unsere Shows und die Auftritte für Kunden entwickeln. Die Academy war ein Teil des Ganzen, aber nun rückt sie in den Mittelpunkt und bekommt eine viel größere Rolle“, sagt Stefan Lechermann. „Wie gut, dass wir diese Säule schnell ausbauen und vieles inhouse selbst produzieren können.“

Keine Gastronomie in Corona-Zeiten: die Academy in beliebter Lage in Berlin-Kreuzberg wurde um ein Café mit Mittagstisch erweitert. Die Wiedereröffnung muss warten

Stille statt Geschirrgeklapper: Im Bistro der Tanzschule war der Betrieb zeitweise eingestellt.

Unterstützung für eine sichere Zukunft

Für die laufenden Kosten reichen die Einnahmen jedoch bei Weitem nicht aus. Die Unternehmer suchten schnell das Gespräch mit ihrer Hausbank. Michaela Krug von der Berliner Sparkasse betreut die Flying Steps. Sie informierte über alle neuen Wege der Unterstützung – von Kurzarbeitergeld über Corona-Hilfen des Landes bis zur Stundung der Zahlungen an das Finanzamt und die Krankenkasse. Auch mit der Investitionsbank Berlin steht sie in engem Kontakt, über sie erhielten die Flying Steps kurzfristig die sogenannte Liquiditätshilfe Berlin.

Michaela Krug war es auch, die den Schnellkredit der KfW empfahl: „Die Konditionen sind ideal. In den ersten beiden Jahren muss keine Tilgung erfolgen. Aber auch eine vorzeitige Beendigung hat keine Nachteile. Niemand kann voraussagen, wann diese schwere Zeit vorbei ist, kommen wir da schnell durch, oder gibt es eine zweite Welle?“ Unter diesen Umständen, so Krug, sei es besonders wichtig, dass die Finanzierung flexibel bleibt.

Timm Benjamin Zolpys
„Was hier auf die Beine gestellt wurde und in welcher Geschwindigkeit, das ist der Wahnsinn.“

Timm Benjamin Zolpys, Gründer Flying Steps Academy

Das sieht man auch bei der KfW so. „Wichtig ist uns als Förderbank, mit unseren Angeboten dort präsent zu sein, wo es für die Unternehmen schwierig wird – branchenunabhängig, flexibel und schnell“, sagt Markus Merzbach, Abteilungsdirektor bei der KfW. „Wir freuen uns natürlich sehr darüber, wenn die Corona-Unterstützung so passgenau ankommt. An diesem Beispiel zeigt sich auch die wichtige Rolle unserer Finanzierungspartner. Sie sind zuverlässige Navigationshilfe in einem unübersichtlichen Finanzierungsumfeld.“

Gerade in Berlin ist da viel zu tun. Die deutsche Hauptstadt zeichnet sich durch eine besonders hohe Dichte an Kulturschaffenden aller Sparten aus. Vom DJ über Independent-Kinos bis zu Theatern sind nun Solo-Selbstständige wie Institutionen in einer prekären Lage. Das Land hat daher Soforthilfepakete für den Kulturbereich aufgesetzt, die auch für die Flying Steps von großem Nutzen sind.

KfW-Corona-Hilfe

Unternehmen können über ihre Hausbank oder jede andere Bank Corona-Kredite beantragen. Zur Auswahl stehen: KfW-Unternehmerkredit, ERP-Gründerkredit – Universell, Konsortialfinanzierung und KfW-Schnellkredit 2020.

Mehr erfahren

Seit Kurzem wurden die Auflagen für Sportstätten gelockert, und in der Academy können langsam wieder Kurse stattfinden. Ein ausgefeiltes Konzept sorgt dafür, dass die Menschen vor Ort genügend Abstand zueinander halten können. Zugelassen sind derzeit sieben Schüler pro Coach.

Trotz der schwierigen Umstände bleibt Timm Benjamin Zolpys zuversichtlich: „Ich muss für Deutschland wirklich eine Lanze brechen, was hier auf die Beine gestellt wurde und in welcher Geschwindigkeit, das ist der Wahnsinn. Dass wir pleitegehen, habe ich nie geglaubt. Wir sind Unternehmer, Krisen gehören dazu. Die Frage ist nur: Wer hat die stärksten Nerven, den längsten Atem und den besten Plan. Und da sind wir momentan gut aufgestellt.“ Die Krise hat die Gründer angespornt. Ein ausgefeiltes Konzept für eine Öffnung der Academy unter den durch Corona erschwerten Bedingungen ist längst erstellt – sobald weitere Lockerungen eintreten, kann in Kreuzberg wieder getanzt werden.

Auf KfW Stories veröffentlicht am 16. Juni 2020.