Der Imbiss bei Schorsch im Hamburger Schanzenviertel ist eine Institution, die Currywurst gilt vielen als die beste der Stadt. Nun hat die Corona-Pandemie dafür gesorgt, dass sich die Kundenzahl mehr als halbiert hat. Zum Rettungsplan gehört ein KfW-Kredit, damit die Legende eine Zukunft hat.
Jörg Klooss, Olaf Mellmann und Lucas Hopen schwören auf die Currysauce, von der es beim Imbiss bei Schorsch immer reichlich auf die drei Standardgerichte gibt – auf Bratwurst, Schaschlik oder Kartoffelsalat. Sieben geheime Zutaten stecken in dem patentierten tiefroten Dressing. Es hat den kleinen Laden im Hamburger Schanzenviertel zum Pilgerort für Hungrige aus der ganzen Hansestadt werden lassen. Klooss, Mellmann, Hopen, die drei Experten für Innenausbau, halten es für ein ziemliches Glück, dass ihr Arbeitgeber, eine Wohnungsbaugenossenschaft, trotz Corona-Krise gerade ein Haus in der Nähe des Imbisses renovieren lässt. So können sie ihre Mittagspause – mit Mundschutz und auf Abstand – bei Schorsch verbringen.
Wobei: Schorsch selbst gibt es schon lange nicht mehr, der Gründer starb in den Achtzigerjahren. 1961, als noch die Beatles im Hamburger Star-Club spielten, hatte er den Grundstein für die Erfolgsgastronomie zwischen der Feiermeile Reeperbahn und der linken Szenestraße Schulterblatt gelegt. Keine Krise konnte die Nachfolgebetreiber seitdem in die Knie zwingen. Mit der Corona-Pandemie hat der derzeitige Imbisschef Ali Nejat Nouei (Bild oben) nun mit der größten Herausforderung zu kämpfen. Dass der Imbiss existenziell bedroht ist, ist allein an den Currysaucenmengen abzulesen. Wurden vor Corona 20 bis 30 Liter pro Tag angerührt und verkauft, reichen heute gerade mal zehn Liter aus. „Wir sind Teil einer langen Kette“, sagt Nejat Nouei. „Brechen den Handwerkern, die bisher für sehr viele unserer Einnahmen sorgten, die Aufträge weg, halten sie sich nicht mehr im Umfeld des Imbisses auf und kommen folglich auch nicht mehr zum Mittagessen. Und der Abend mit dem Partypublikum ist quasi tot.“
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Lucas Hopen, Olaf Mellmann, Jörg Klooss (v. l.) sind froh, dass sie ihre Mittagspause trotz Corona bei Schorsch verbringen können.
Nachdem Ali Nejat Nouei mit dem verordneten Lockdown seinen Imbiss für drei Wochen komplett schloss, bemerkte er danach um 60 bis 70 Prozent zurückgegangene Einnahmen. Drei Aushilfen musste gekündigt werden, die vier Angestellten wurden auf Kurzarbeit gesetzt, Nejat Nouei verzichtete auf sein Gehalt und ist nun öfter selbst im Imbiss anzutreffen. Der Vermieter stundete aus Kulanz für zwei Monate die Ladenmiete, doch Strom, Wasser und ein Teil der Gehälter mussten nach wie vor gezahlt werden. Schnell ging es an die Rücklagen, die normalerweise nur angetastet werden, wenn wie neulich die Gefriertruhe ihren Geist aufgibt.
Die Corona-Krise erinnert an Krieg
Ohne frisches Geld geht es also nicht. Im April setzte sich daher Nejat Nouei mit Mathias Becker, seinem langjährigen Bankberater von der Hamburger Sparkasse, zusammen und stellte einen Antrag auf einen der Corona-Hilfskredite – in diesem Fall auf den KfW-Unternehmerkredit mit der Kennziffer 047. Die Konditionen: fünf Jahre Laufzeit bei einem Prozent Zinsen und einem ersten tilgungsfreien Jahr. Mit 85.000 Euro kann der 43-jährige Gastronom, der noch einen Cateringservice, ein Künstlercafé und einen Beachclub betreibt, nun rechnen. „Den Kredit bekam er ohne Zögern, auch weil ich weiß, dass Herr Nejat Nouei in der Lage ist, ihn hinterher wieder zurückzuzahlen“, sagt Berater Becker. „An ihm hat mir immer schon gefallen, dass er sehr ideengetrieben ist und sich stetig weiterentwickelt hat. Er ist ein richtiger Hamburger Kaufmann, bei dem das gesprochene Wort gilt. Aber mir ging es bei dem KfW-Kredit nicht nur um den Inhaber. Mein erster Gedanke geht immer an die Mitarbeiter, die ohne den Kredit gefährdet wären.“
Ali Nejat Nouei erlebt die Corona-Zeit aus mehrerlei Gründen mit gemischten Gefühlen. Seine Geschäfte sind das eine. Das andere ist seine Vergangenheit als iranischer Flüchtling. 1988 entkam er mit zwölf Jahren dem Iran-Irak-Krieg und fand Unterschlupf bei einer Tante in Köln, während seine Eltern in Teheran zurückblieben. „Das Corona-Virus hat für Zustände gesorgt, die ich kriegsähnlich nennen möchte. Zustände, die ich bisher nur aus meiner Heimat gekannt habe“, sagt Nejat Nouei. „Ich erinnere mich an Ausgangssperren und reglementierte Einkäufe. Und jeden Abend saßen wir zitternd vor dem Radio, um die neuesten Entwicklungen mitzubekommen. Das haben wir jetzt wieder.“ Müsste Ali Nejat Nouei, der eigentlich Schauspieler werden wollte und in Deutschland eine entsprechende Ausbildung absolviert hat, die aktuelle Situation einem Filmgenre zuordnen, dann wäre dies für ihn fraglos ein Horrorfilm. „Wir kämpfen gerade um jeden Gast.“
Viele Anträge aus dem Gastrobereich
Mit dem KfW-Kredit hält der nebenbei immer noch schauspielernde Gastronom bis zum Jahresende durch. Dann muss das Geschäft wieder auf einhundert Prozent laufen. Genau hier setzt das KfW-Sonderprogramm an. Der günstige Zinssatz und das tilgungsfreie Anlaufjahr sind Faktoren, die auch in einer Branche, in der es nicht einfach ist, noch ein zusätzliches Darlehen zurückzuzahlen, eine Perspektive geben. Während der Pandemiephase werden nur die günstigen Zinsen gezahlt. Die Tilgung setzt erst ein, wenn sich der Umsatz wieder erholt hat. Dass dieses Konzept aufgeht, spüre die KfW momentan an den vielen Anträgen aus dem Gastrobereich, sagt Markus Merzbach, Abteilungsdirektor bei der KfW.
Qualitätseinbußen dürfe es bis zum Normalbetrieb nicht geben, so Nejat Nouei. Denn der Imbiss bei Schorsch hat auch einen Ruf zu verlieren. Immerhin gilt die Currywurst vielen als die beste Hamburgs.
So würden Leute wie Handwerker Jörg Klooss auch hierherkommen, „wenn die Wurst fünf Euro kosten würde. Hier schmeckt es seit Jahrzehnten verlässlich gut.“ Der Preis für eine Currywurst liegt derzeit bei 3,50 Euro. Und so soll es auch bleiben. Corona dürfe nicht die Preise hochtreiben, sagt Ali Nejat Nouei.
Unterstützung bei der Qualitätskontrolle erhält der Deutsch-Iraner von Ingrid Hunger. Sie ist die Witwe des zweiten Inhabers Artur Hunger und derzeit aus Sicherheitsgründen zu Hause. Vor Corona hatte sie dreimal pro Woche im Imbiss vorbeigeschaut, um die legendäre Currysauce, die Ali Nejat Nouei jetzt mithilfe des „vererbten“ Rezepts anrührt, abzuschmecken. Das soll nach Corona wieder genauso sein.
Auf KfW Stories veröffentlicht am 27. Mai 2020.
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