Christoph Führer vor seinem Fuhrpark
Corona-Kredite

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Die Stunde des Krisenmanagers

Christoph Führer wurde als Reiseanbieter während der Corona-Pandemie zu einer Vollbremsung gezwungen. Doch bevor er sich Gedanken über die Rettung seines Unternehmens Leitner Touristik machen konnte, musste er Rückholaktionen für Urlauber in Israel und Italien organisieren. Besuch bei einem unerschütterlichen Optimisten.

Christoph Führer, Geschäftsführer Leitner Touristik GmbH in Allersberg

Christoph Führer blickt trotz Krise optimistisch in die Zukunft seines Reiseunternehmens.

Bleischwer liegen die Wolken über dem mittelfränkischen Allersberg. Es regnet nicht, es gießt. Die tonnenschweren Leitner-Reisebusse stehen in Reih und Glied in Pfützen. Regen perlt vom blauroten Logo, tropft tränengleich von den Außenspiegeln. Die Nummernschilder sind abmontiert. Kann ein Bild symbolträchtiger sein? Abgemeldet, trostlos, hoffnungslos. Hoffnungslos? Mitnichten! Leitner-Touristik-Geschäftsführer Christoph Führer ist Optimist, ein Mann der Tat! Der hadert nicht, der macht.

Dabei ist die Lage der Branche mehr als ernst. „Die existenzbedrohende Situation in der Reisewirtschaft wird immer dramatischer“, zitiert der Deutsche Reiseverband seinen Präsidenten Norbert Fiebig in einer Pressemitteilung. Und weiter: „Die weltweite Reisewarnung aufgrund der Corona-Pandemie ist um weitere sechs Wochen nun bis Mitte Juni verlängert. Vor Ende der Pfingstferien in Deutschland werden keine Auslandsreisen möglich sein. Bis dahin hat die Reisewirtschaft Umsatzeinbußen in Höhe von mindestens 10,8 Milliarden Euro zu verkraften.“

Ja, „diese Krise ist eine Krise, die den Namen verdient“, stimmt Geschäftsführer Christoph Führer zu. Eine Krise, die auch die Leitner Touristik GmbH mit voller Wucht getroffen hat. Von heute auf morgen konnten keine Hochsee- und Flusskreuzfahrten, keine Aktiv- und Eventreisen und schließlich auch keine Bus- und Flugreisen mehr durchgeführt werden. Zwar gebe es in seiner Branche, erklärt Führer, „immer wieder mal exogene Schocks, die bestimmte Reiseziele betreffen“, doch dann könne man immer mit Alternativen jonglieren.

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Solch eine weltweite Krise hat hier noch niemand erlebt, seit Josef Leitner vor 72 Jahren sein Reiseunternehmen gründete. Leitner Touristik setzt auch heute noch auf das Fernweh der Deutschen. Spezialisiert hat man sich in Allersberg nach und nach auf Reisen für die Generation der über 50-Jährigen. Die Erkenntnis der fränkischen Reiseprofis: Diese Altersgruppe nimmt sich noch die Zeit, die Welt zu sehen und, viel wichtiger, sie verstehen zu wollen. Und das gemeinsam. Gruppenreisen sind für die Generationen der Nachkriegskinder und Babyboomer nicht nur ein sehr emotionales, sondern auch ein soziales Thema. Im Programm sind seit Neuestem – und tatsächlich völlig unabhängig von Covid-19 dorthin aufgenommen – „ärztlich begleitete Reisen zum Wohlfühlen“ nach Indien, Usbekistan oder Südafrika.

Über 60 Millionen Euro Umsatz, rund 130.000 zufriedene Kunden im Jahr, zwei Millionen gefahrene Buskilometer, Flugreisen von den Azoren bis Zypern, von Namibia bis nach Indien, Schiffsreisen auf allen Weltmeeren, der Donau oder dem Rhein – bei Leitner ist aktuell alles nahezu auf null. Eine Vollbremsung mit quietschenden Reifen. Die Krise hält starke Bilder bereit: liegen gebliebene Reisebusse, Schiffe im Trockendock, Flieger, die am Boden bleiben.

Callcenter Reise Leitner, Elena Kast

Auch in der Krise steht das Telefon nicht still. Mitarbeiterin Elena Kast nimmt Kundengespräche entgegen und kümmert sich um Stornos und Neubuchungen.

Als Reiseveranstalter in der Sorgfaltspflicht

Angedeutet hatte sich das Drama Ende Januar, als das Coronavirus in China zu grassieren anfing. Bei Leitner Touristik bekam man da schon die Sorgen der Asienreisenden zu spüren. Richtig ernst wurde es einen Monat später. Der 24. Februar wird intern Bloody Monday genannt. „An diesem Montag brach die Krise zunächst ganz massiv über Italien herein“, erklärt Christoph Führer. „Bis Ostern mussten wir dann insgesamt über 500 Reisen absagen.“ Bis heute ging ein Drittel des Geschäfts verloren. Man könnte heulen. Doch Christoph Führer heult nicht. Der macht.

Und bleibt optimistisch. Den bevorstehenden 15. Juni will er nicht als Fixpunkt verstehen. An diesem Tag nämlich fällt womöglich die weltweite Reisewarnung des Auswärtigen Amts. Vielleicht. Führer reagiert erfreut auf die positive Dynamik, die das Land derzeit erfüllt. Die Lockerungen sieht er mit Wohlwollen. „Das ist ein positives Signal! Dann kann man sich endlich wieder überlegen: Was machen wir? Und nicht: Was machen wir nicht?“ Und völlig unabhängig von der weltweiten Reisewarnung findet er: „Deutschland ist ein tolles Land!“ Inlandsreisen stehen erst einmal verstärkt im Fokus. Außerdem sei die Produktion „längerfristig angesetzt, die Planungen passieren wesentlich weiter im Voraus“. Und wer weiß, wann etwa der virtuelle Dresden-Trip, der auf der Website platziert ist, auch real wieder möglich ist?

Das Thema Reise ist ein sehr emotionales. Die Menschen freuen sich lange vorher auf den wohlverdienten Urlaub. Vermutlich hat manch einer schon ewig für den New-York-Trip gespart. So was sagt man doch nicht ab. Und deshalb ist es Christoph Führer umso wichtiger, seine Sorgfaltspflicht als Reiseveranstalter wahrzunehmen. Um ihr nachzukommen, war in den vergangenen Wochen bisweilen Schnelligkeit und Einfallsreichtum gefragt. Wie etwa bei der geplanten Ostküstentour durch die USA: Am Mittwoch, 11. März, hatte US-Präsident Donald Trump den Einreisestopp für Europäer ab dem 13. März angekündigt. Am Donnerstag, dem 12. März, holte Leitner Touristik seine Kunden buchstäblich gerade noch aus dem Flieger. Andernfalls hätten die am Airport JFK vermutlich gleich in der Drehtür bleiben können.

Christoph Führer, Reise Leitner
„Wir leben eine starke Unternehmenskultur.“

Christoph Führer

Christoph Führer berichtet außerdem von der Rückholaktion der Israel-Reisenden. Eigentlich hätten Ausländer, die schon im Land waren, bis zum Ende des Urlaubs bleiben dürfen. Doch zu einer Israelreise gehört eben auch der Besuch Bethlehems. Und mit Betreten des Westjordanlands hätte eine 14-tägige Quarantäne auf dem Reiseprogramm gestanden. Ein Deal mit den Behörden brachte die 40 Urlauber schließlich auf einer abenteuerlichen Route über Jordanien zurück in die Heimat. Auch in Italien wurde der Zeitrahmen immer enger. Fünf Busse waren noch in den Abruzzen unterwegs, als es hieß: Abbruch! Schnell rekrutierte Führer fünf weitere Busfahrer und ließ sie an die Grenze bringen. Sie lösten ihre Kollegen in den Bussen ab, um deren gesetzlich vorgeschriebene Lenkzeit nicht zu überschreiten. Ein Krimi. Sechs Stunden später war der Brenner dicht.

Selbst wenn im Moment der jeweiligen Aktion die Enttäuschung der Reisenden aus nachvollziehbaren Gründen groß war – noch größer war letztlich die Dankbarkeit dem Reiseveranstalter gegenüber. Lockdown der Serviceabteilung? Kam und kommt für Christoph Führer überhaupt nicht infrage. „Am 23. März war jeder Leitner-Reisende wieder wohlbehalten daheim.“ Der Sorgfaltspflicht war Genüge getan. Christoph Führer kann seinen Stolz nicht verhehlen. Aber er jubelt nicht. Er macht.

Und muss horrende zusätzliche Kosten schultern. Wirtschaftlich ist die momentane Lage eine Katastrophe. Das Geschäft ist um etwa 90 Prozent abgestürzt. Es wird storniert, es wird weniger gebucht. „Wie fangen wir das auf?“, ist eine der Hauptfragen dieser Tage. Leitner Touristik ist in funktionsbezogener Kurzarbeit. Funktionsbezogen heißt, dass die Situation zwar dem Service Mehrarbeit beschert, andere Bereiche aber weniger zu tun haben. Von den 75 Mitarbeitern arbeitet ein Großteil im Homeoffice. Auch zu erkennen daran, dass an manchem Arbeitsplatz noch die Schoko-Osterhasen warten.

Ehemalige Busfahrerwohnung in der Bushalle mit alten Bildern

Bilder an den Wänden erzählen von dem Reiseunternehmen in früheren Zeiten.

Gutes Zusammenspiel mit KfW und Hausbanken

Einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Zukunftssicherung leisten auch die Staatshilfen, die von Christoph Führer und seinem Partner Florian Kähler beantragt wurden. Kähler ist Geschäftsführer von ECM, einer unabhängigen Beteiligungsgesellschaft mit Fokus auf mittelständische Unternehmen. ECM begleitet Leitner Touristik seit 2014 im Rahmen einer Nachfolgeregelung und ist von dem flexiblen, erfolgreichen Geschäftsmodell und der marktführenden Positionierung im Süden Deutschlands überzeugt.

„Mit unseren Hausbanken verbindet uns eine langjährige, partnerschaftliche Beziehung, die in diesen besonderen Zeiten die Basis für einen pragmatischen, effizienten und zielorientierten Prozess war“, erklärt Kähler. Gemeinsam mit der Geschäftsleitung von Leitner Touristik und im engen Austausch mit der Nord/LB und weiteren beteiligten Finanzierungspartnern wurden umfangreiche Unterlagen zusammengestellt, um anschließend über die Hausbanken den KfW-Antrag zu stellen. „Wir sind sehr dankbar. Besonders hervorheben möchten wir den schnellen und professionellen KfW-Prozess im Zusammenspiel mit den Hausbanken“, sagt er. „So konnten binnen weniger Tage der Antrag bearbeitet, positiv entschieden und die Finanzierungsmittel zur Verfügung gestellt werden.“ Einen Millionenbetrag stellt die KfW dem Unternehmen in mehreren Tranchen zu einem günstigen Zinssatz bereit. Welche Summen dieses KfW-Unternehmerkredits Leitner Touristik am Ende aufnehmen muss, hängt von der weiteren Entwicklung ab. Die KfW übernimmt 80 Prozent des Risikos, die beteiligten Finanzierungspartner schultern den Rest. Damit, so Kähler, wurden die Weichen für eine weiterhin erfolgreiche Zukunft für Leitner Touristik, die Mitarbeiter und Kunden gestellt.

Ein „sehr gutes Zusammenspiel“ zwischen Kunde, Gesellschafter, KfW und Hausbank attestiert auch die Nord/LB. „So konnte trotz des wirklich sehr engen Zeitplans Leitner Touristik geholfen werden“, sagt Petra Strickstrack, Bankdirektorin und Leiterin Relationship Fördergeschäft. „Alle haben an einem Strang gezogen und es so ermöglicht, dass auch künftig viele zufriedene Kunden ihre wertvolle Zeit in einem von Leiter Touristik geplanten, organisierten und durchgeführten Urlaub verbringen dürfen.“

KfW-Corona-Hilfe

Unternehmen können über ihre Hausbank oder jede andere Bank Corona-Kredite beantragen. Zur Auswahl stehen: KfW-Unternehmerkredit, ERP-Gründerkredit – Universell, Konsortialfinanzierung und KfW-Schnellkredit 2020.

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Zufriedenheit darüber ist auch auf der Seite der KfW zu spüren. „Es freut uns natürlich besonders, wenn die Unterstützung bei Praktikern wie Herrn Führer gut ankommt“, betont Markus Merzbach, Abteilungsdirektor der KfW Bankengruppe. „Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll, dass die Strukturen staatlicher Unterstützung – von den ersten Ideen bis zur konkreten Auszahlung eines Hilfsprogramms – funktionieren.“

Leitner-Chef Christoph Führer ist ohnehin Optimist. Überhaupt scheint in Allersberg der Blick nur nach vorn gerichtet zu sein. Führer denkt mit seinen Servicemitarbeitern gerade daran, wie man bei den Kunden die Unsicherheiten reduzieren kann, indem etwa kulante Stornoregeln für den Herbst angewandt werden. Wichtig sind dem 54-Jährigen derzeit auch die „unternehmerischen Projekte“. Eine neue Corporate Identity soll kommen, ein digitales Produktionssystem für die Kataloge, von denen 150 im Jahr vor Ort gestaltet werden, sowie ein neues Aus- und Fortbildungssystem. Man hat ja jetzt Zeit. Außerdem werden Wände geweißelt, alte Akten sortiert und entsorgt. „Wir hätten auch sagen können: Das lassen wir mal lieber in der aktuellen Lage“, gibt Führer zu. Er macht eine Kunstpause. „Nein! Gerade jetzt!“ Das sei auch ein Signal an Mitarbeiter und Kunden. „Denn wir leben eine starke Unternehmenskultur!“ Er ballt die Faust.

Führer lehnt sich zurück, um gleich darauf nach vorn zu schnellen. „Natürlich wollen wir Reisen verkaufen“, erklärt er. Und er ist sich sehr sicher, dass er das in Zukunft auch wieder erfolgreich machen wird. Denn dass sich Deutschland den inoffiziellen Titel als Reiseweltmeister von einem Virus nehmen lassen wird, das glaubt bei Leitner Touristik in Allersberg wirklich niemand.

Auf KfW Stories veröffentlicht am 4. Juni 2020.