Selbst systemrelevante Geschäfte des Einzelhandels wie Bäckereien haben während der Corona-Krise gelitten – und damit auch die Zulieferer. Die Firma Wachtel, deutscher Marktführer im Bereich Bäckereiöfen und Kälteanlagen für Handwerksbäcker, hat kurzzeitig Finanzhilfe beantragt. Abgerufen werden musste diese jedoch nur zum Teil.
Wenn Oliver Frey über Backöfen spricht, wird er emotional. Geht es um billige Aufbacköfen mit Umluft, die inzwischen in vielen Discountern stehen, klingt er wütend: „Darin wird Billigware aufgewärmt und ausgetrocknet, mit echten Bäckereiöfen mit Ober- und Unterhitze hat das nichts zu tun.“ Geht es um echte Bäckereiöfen, wird er enthusiastisch, denn sie sind seine Leidenschaft. Frey ist Inhaber und Geschäftsführer der Wachtel GmbH aus Hilden in Nordrhein-Westfalen, eines mittelständischen Familienunternehmens in dritter Generation, dessen Produkte nach eigener Aussage den „Porsche“ unter den Bäckereiöfen für Handwerksbäcker darstellen: hochwertige Markenprodukte made in Germany. Gegründet 1923 in der Düsseldorfer Corneliusstraße, zog der Betrieb 1970 aufgrund des starken Wachstums in den Vorort Hilden um. Seit 2013 leitet Oliver Frey die Firma, die er seinem Schwiegervater abkaufte. Zuletzt machte Wachtel mit seinen Produkten rund 40 Millionen Euro Umsatz im Jahr.
In den Backstuben der Republik und international ist Wachtel etabliert, bei Bäckern beliebt. Und doch blieb die Testbackstube zuletzt leer. Aufgrund der Corona-Bestimmungen konnten keine potenziellen Kunden den Showroom nutzen, um sich für das passende Produkt zu entscheiden. In der Regel ist die Testbackstube von nationalen und internationalen Kunden hoch frequentiert, um mit den hauseigenen Bäckermeistern und Technologen den geeigneten Ofen zu definieren. Die Öfen sind oftmals zwei Meter hoch, über eine Tonne schwer und mit mehreren Etagen für das Backwerk ausgestattet. Jedes Detail ist sorgsam durchdacht, eben wie bei einem Wagen der Spitzenklasse. Der Unterschied zum Auto: Wachtel ist eine Art Manufakturbetrieb. Es gibt keine klassische Lagerware, aus der die immer gleichen Maschinen zusammengeschraubt werden. Jedes Produkt wird auf Kundenwunsch an einem der beiden deutschen Produktionsstandorte – Hilden nahe Düsseldorf und Pulsnitz bei Dresden – gefertigt.
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Gegründet 1923, ist das Unternehmen Wachtel seit drei Generationen in Familienhand. Dieses Modell stammt aus der Zeit des Wirtschaftswunders.
Entscheidungen für neue Hightech-Öfen wurden aufgeschoben
Als sich die Corona-Pandemie auch in Deutschland ausbreitete, wurden Bäckereien als systemrelevant eingestuft, da Brot immer gebraucht wird. Und doch hat die Corona-Krise auch Wachtel hart getroffen. Die Auftragseingänge brachen im März und April so stark ein, dass sich Oliver Frey extern um Hilfe bemühte. Denn auch wenn die Bäcker aufgrund jener Systemrelevanz weiter öffnen durften, behielten sie doch ihr Geld zusammen. „Die Einnahmen aus Liefergeschäften mit Schulen, Caterings und den angeschlossenen Cafés sind weggefallen, das traf viele Bäcker hart“, erklärt Oliver Frey. „Und in den Innenstädten fehlte vielerorts natürlich die Laufkundschaft, da keiner mehr shoppen oder ins Büro ging.“ Entsprechend überlegten sich viele Bäcker zweimal, ob nun der richtige Zeitpunkt für einen neuen Ofen sei. Zwar könne niemand dieser Zunft auf einen professionellen Hightech-Ofen langfristig verzichten, erklärt der Wachtel-Chef, „doch einige Monate können sie so eine Bestellung schon aufschieben, wenn es sein muss“.
Die Kosten für einen Ofen variieren zwischen 20.000 und 100.000 Euro – je nach Bedarf des Kunden. Das ist viel Geld, auch wenn eine solche Investition in einen Ofen nicht so oft vorkommt. „Wenn sie gut gewartet werden, halten unsere Brotöfen 30 bis 40 Jahre“, sagt Frey. Wartung ist dabei das entscheidende Stichwort. Denn auch darum kümmert man sich bei Wachtel. Da im Stammwerk in Hilden sowie am zweiten Produktionsstandort in Sachsen fast alle Teile der Öfen selbst hergestellt werden, können die Wachtel-Servicetechniker auch fast alle Probleme am Gerät ohne externe Hilfe beheben. Von der Verkabelung über die Heizstäbe bis zu den Hightech-Kontrolldisplays an den modernsten Produktlinien wird alles in der großen Halle neben der Firmenzentrale selber verschraubt.
„Die Amerikaner haben das Silicon Valley, wir haben das Bäckereihandwerk.“
Vier bis acht Wochen dauert es, einen Premium-Ofen zu produzieren, je nach Kundenwunsch. Neben Bäckereien beliefert Wachtel auch Hotels wie das Adlon in Berlin und Schiffe wie die Aida-Flotte. Seit 2005 hat die Firma zudem Kältetechnik im Portfolio. Gute Kältetechnik sei genauso wichtig für eine Bäckerei wie ein guter Ofen, sagt Frey. „Es ist neben den richtigen Rezepturen auch die Kälte, die den Geschmack in dem Brotteigling durch Enzymatik entstehen lässt“, erklärt er. Wachtel liefert fast 50 Prozent seiner Öfen ins Ausland. Besonders attraktiv sei der Markt in Osteuropa und Asien, berichtet Frey. „Die Menschen dort schätzen Brot ähnlich wie die Deutschen und sind zunehmend kaufkräftiger. Da lohnt es sich für die dortigen Bäcker mittlerweile, unsere Öfen der preiswerteren Konkurrenz vorzuziehen“, sagt er. Made in Germany sei eben noch immer ein Qualitätslabel – und gerade im Bäckerbereich genieße unser Land einen noch besseren Ruf. „Die Amerikaner haben das Silicon Valley, wir haben das Bäckereihandwerk und sind Brotweltmeister“, so Frey. Allein dass Bäcker nur in Deutschland ein Ausbildungsberuf ist, zeige schon, welch hohen Stellenwert die Profession hierzulande habe.
Bereits im Mai erholte sich das Geschäft
Nur helfen Internationalisierung und guter Ruf in Corona-Zeiten auch nicht weiter. In den ersten zwei Monaten der Krise kamen in Hilden kaum mehr neue Aufträge rein. Also wandte sich Oliver Frey an die Hausbank der Firma, die Sparkasse Hilden-Ratingen-Velbert. Christoph Smolka ist dort Direktor Firmenkundengeschäft. Für ihn war es keine Frage, dass man dem alteingesessenen und profitablen Mittelständler helfen würde. „Wachtel ist seit Jahrzehnten Kunde bei uns, entsprechend gut kennen wir das Unternehmen“, sagt Smolka. Das Unternehmen sei nachhaltig aufgestellt und verfüge über ein erfolgreiches Geschäftsmodell. Entsprechend qualifizierte sich Wachtel auch für einen Unternehmerkredit der KfW. Den stemmte die Sparkasse gemeinsam mit der Postbank und der Commerzbank. Insgesamt belief sich die Corona-Hilfe auf 2,4 Millionen Euro, genug, um die Liquidität für einige Monate zu sichern.
„Wir haben nur die Hälfte des Kredites abgerufen“, sagt Oliver Frey. Seit dem Beginn der Lockerungsmaßnahmen sieht es plötzlich wieder besser aus. „Im Mai haben wir schon wieder Fahrt aufgenommen, unser Auftragseingang lag sogar 20 Prozent über dem Vorjahresmonat.“ Anscheinend sind auch die deutschen Bäcker überzeugt, dass sich Investitionen nun wieder lohnen. „Genau für diese Überbrückung von Liquiditätsengpässen sind die Corona-Hilfen der KfW entwickelt worden“, sagt Markus Merzbach, Abteilungsdirektor bei der KfW. „Umso erfreulicher ist es, wenn sich die Situation schneller als erwartet wieder bessert. Dies ist natürlich von Branche zu Branche unterschiedlich.“
Corona-bedingte Kündigungen waren bei Wachtel nicht nötig, da die Auftragsbücher bereits vor der Krise gut gefüllt waren. „Das mussten wir erst einmal alles abarbeiten, entsprechend haben wir weiterhin alle Mitarbeiter gebraucht. Dies war auch oberste Prämisse für uns“, sagt Geschäftsführer Frey. Bereits im Februar – bevor die Pandemie Deutschland erreichte, aber es in Asien bereits kriselte – wurden Vorkehrungen eingeleitet, um die Mitarbeiter des Unternehmens zu schützen. So wurde beispielsweise ein Zwei-Schicht-System für getrennte Teams in der Produktion eingeführt, auch um die Mindestabstände der Mitarbeiter zu gewährleisten. „Aufgrund der vorausschauenden Maßnahmen haben wir im Inland keinen einzigen Liefertermin verschieben müssen“, berichtet Frey. In den Monaten April und Mai war man bei rund 75 Prozent Auslastung. Angesichts des Aufschwungs bei den Bestellungen wird im Juni und Juli in beiden deutschen Werken wieder unter kompletter Auslastung gearbeitet.
Auf KfW Stories veröffentlicht am 30. Juni 2020.
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