In Hamburg werden gerade die entscheidenden Weichen für eine nachhaltige Wärmewende bei der Versorgung der Millionenstadt gestellt. Eines der größten Leitungsnetze in Deutschland wird bereits heute zunehmend mit CO2-freier Abwärme von Industrieunternehmen gespeist. Und im Osten der Stadt entsteht mit der geplanten Transformation des Energieparks Tiefstack ein weiterer wichtiger Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2045.
Gerade noch in Sichtweite der Elbphilharmonie, liegt im Osten der Hansestadt das Werksgelände der Aurubis AG. Europas größter Kupferhersteller hat ein vielfach prämiertes Leuchtturmprojekt geschaffen, das schon seit ein paar Jahren einen ganzen Stadtteil erfolgreich mit nahezu klimaneutraler Abwärme versorgt.
Gemeinsam mit dem niedersächsischen Energieversorger Enercity AG wurde eine knapp vier Kilometer lange Rohrleitung vom Aurubis-Werk, unter einer Elbbrücke hindurch, bis in die östliche HafenCity gebaut. Die Heizungen von über 6.000 Haushalten werden seitdem mit grüner Wärme versorgt.
Wärmewende in Hamburg
(Quelle: KfW / Detlev Karres / Thomas Schuch)
Innovative Technik
Aurubis musste zunächst einen neuen Zwischenabsorber bauen. Dieser orangefarbene Koloss wiegt über 250 Tonnen, ist 18 Meter hoch und hat einen Durchmesser von sechs Metern. Bei einem chemischen Prozess entsteht darin in großen Mengen Abwärme, die früher völlig ungenutzt in der Elbe heruntergekühlt wurde,
Dank der innovatien Technik des Zwischenabsorbers konnte das Heißwasser direkt in die neue Leitung für die östliche HafenCity eingespeist werden.
Förderzuschuss
Fördertipp in 100 Sekunden
Mit der Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft (295) können die Kosten durch hocheffiziente Technologien minimiert werden.
Perfekt wurde das richtungsweisende Projekt jedoch erst, als das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und die KfW als Förderpartner ihre finanzielle Unterstützung zusagten.
Ohne die Förderung, darüber waren sich alle Beteiligten frühzeitig einig, hätte das Abwärmeprojekt in dieser Form nicht umgesetzt werden können. Mit BMWK-finanzierten Tilgungszuschüssen aus dem "KfW-Energieeffizienzprogramm – Abwärme“ (heute: "Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft") konnte Aurubis den notwendigen Anlagenumbau, die Wärmeauskopplung und die interne Trasse bis zur Werksgrenze kostengünstig finanzieren. Beim Projektpartner Enercity wurde überdies die Wärmetransportleitung gefördert.
Aurubis-Manager Ulf Gehrckens hat das Abwärmeprojekt von der ersten Stunde an mitbetreut.
„Die KfW hatte einen ganz wichtigen Beitrag bei diesem Projekt. Sie brauchten Zuschüsse für dieses Projekt. Und diese Zuschüsse, die konnten sie nicht direkt kriegen. Da musste eine Bank dazwischen sein. Und die KfW ist damals dafür eingetreten, die Fördersumme aufzubringen“
Blaupause für die kommunale Wärmewende
Für Professor Harald Lesch, den vielfach ausgezeichneten Physiker und bekannten Wissenschaftsjournalisten ("Leschs Kosmos" und "Terra X"), ist das Projekt in Hamburg geradezu eine Blaupause für viele andere Städte in Deutschland.
„Industrieabwärme in eine Wohnsiedlung zu transportieren ist auch wieder eines dieser Projekte, wo man sagen würde: Wieso machen wir das nicht eigentlich schon längst?
Jede Maschine produziert Wärme, jeder Vorgang in der Industrie lässt Wärme frei, und bei einem Kupferwerk steht Wärme natürlich in einem Übermaß zur Verfügung. Wir haben hier eine Energiequelle von Energie und jetzt brauchen wir nur noch Leitungen, die diese Energie dahin bringen, wo sie gebraucht wird.
Und die KfW ist natürlich ebenfalls als Institution gefragt, wenn ein solch fast schon revolutionäres Projekt angeschoben werden soll. Da muss jemand da sein, der das am Anfang mal finanziert - und das macht die KfW ganz großartig."
„Die kommunale Wärmewende ist eine gewaltige Transformationsaufgabe."
Für KfW-Inlandsvorständin Katharina Herrmann wird die kommunale Wärmewende nur dann erfolgreich gelingen, wenn die Akteure vor Ort, vor allem Kommunen, Versorger und Industrie, eng zusammenarbeiten und die Investitionen gemeinsam schultern:
"Dafür brauchen sie finanziellen Rückenwind. Gemeinsam mit dem Bund unterstützen wir als KfW die Vorhaben mit großvolumigen Finanzierungen und besonders günstigen Krediten sowie mit langen Laufzeiten und Zinsbindungen, die den Investoren die nötige Planungssicherheit geben.“
Zukunft der Wärmewende
Für eine nachhaltige Wärmewende sind in Hamburg gleichwohl noch viele weitere Schritte notwendig. Zur Jahreswende 2024/25 wird ein weiteres Aurubis-Abwärmeprojekt, diesmal gemeinsam mit dem kommunalen Energieversorger Hamburger Energiewerke, fertiggestellt sein.
Die Aurubis-Abwärme wird dazu in das über 860 km lange Fernwärmenetz der Hansestadt eingespeist. Dazu bauen die Hamburger Energiewerke eine neue Leitung vom zukünftigen Druckwärmespeicher am Georgswerder Damm bis zur Übergabestation an der Spaldingstraße.
Über 20.000 Haushalte werden künftig mit grüner Abwärme versorgt. Der verstärkte Einsatz der klimaneutralen Industrieabwärme ermöglicht jedes Jahr bis zu 100.000 Tonnen an CO2-Emissionen einzusparen. Das neue Hamburger Abwärmeprojekt gehört in Deutschland aktuell zu den größten der Wärmewende.
Energiepark Tiefstack
Die Nutzung der Aurubis-Abwärme ist auch ein wichtiger Baustein für die schrittweise Transformation des Energieparks Tiefstack. Hier wird zunächst das bestehende Kohlekraftwerk bis spätestens 2030 in eine Anlage verwandelt, die künftig Wärme auf der Basis von Biomasse, Gas und später Wasserstoff erzeugen wird.
Weitere Komponenten sind u.a. die Abwärmegewinnung aus der vorhandenen Müllverbrennungsanlage sowie eine neue Power-to-Heat-Anlage, mit der über einen strombetriebenen Elektrodenkessel schon bald direkt heißes Wasser ins das Fernwärmenetz eingespeist werden kann. Ein oberirdischer Wärmespeicher soll überdies dafür sorgen, dass die Wärme jederzeit abgerufen werden kann, wenn sie benötigt wird.
Mit gleich zwei neuartigen Flusswärmepumpen wird bis zum Ende des Jahrzehnts die Wärme aus der Elbe gewonnen. Sie sollen künftig den größten Anteil an klimaneutraler Wärme zum Energiepark Tiefstack beisteuern. Die beiden Wärmepumpen werden nach ihrer Fertigstellung, mit zusammen rund 230 Megawatt Leistung, über 130.000 Haushalte mit grüner Wärme versorgen.
Flusswärmepumpen
Die derzeit größte Flusswärmepumpe ist im Oktober 2023 in Mannheim am Rhein erfolgreich in Betrieb gegangen. Die XXL-Wärmepumpe funktioniert im Prinzip genauso wie eine normale Luftwärmepumpe. Statt Wärme aus der Luft nutzt das Flusskraftwerk ausschließlich Rheinwasser.
Bis zu 99 Grad heiß ist das Wasser, das aus der Flusswärmepumpe kommt. Es ist Teil der Fernwärmeversorgung, die der Mannheimer Versorger MVV Energie AG betreibt. Die rund 15 Millionen Euro teure Flusswärmepumpe steht auf dem Gelände des Großkraftwerks Mannheim im Süden der Stadt. Die Wärme geht direkt in das Fernwärmenetz und liefert grüne Wärme für derzeit 3.500 Haushalte. Die geplanten Hamburger Exemplare werden diese Leistung sogar noch um ein Vielfaches übertreffen:
Die Mannheimer Flusswärmpumpe wurde vom BMWK im Rahmen des 7. Energieforschungsprogramms als "Reallabor der Energiewende“ (mit Bundes- und EU-Geldern) gefördert. In die Projektfinanzierung über die BayernLB wurden überdies beihilfefreie Darlehen des KfW-Programms 148 eingebunden.
Kommunale Wärmewende
Deutschland hat sich Klimaneutralität bis 2045 zum Ziel gesetzt. Rund 60 Prozent des Endenergieverbauchs gehen derzeit auf den Wärmesektor zurück. Die Transformation des Wärmesektors ist deshalb essenziell. Bis spätestens Mitte 2028 sollen alle rund 11.000 Kommunen in Deutschland eine Wärmeplanung haben: In Großstädten (ab 100.000 Einwohnern) sollen sie bis zum 30. Juni 2026 vorliegen, in Gemeinden mit weniger als 100.000 Einwohnern zwei Jahre später. Kleinere Gemeinden (unter 10.000 Einwohner) können ein vereinfachtes Wärmeplanungsverfahren vornehmen. Darüber entscheiden dann die Länder.
Für eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung hat die Bundesregierung die gesetzlichen Grundlagen geschaffen. Insbesondere Fernwärme nimmt in der zukünftigen Wärmeversorgung eine bedeutende Rolle ein, Vorhandene Wärmenetze werden weiter ausgebaut und schrittweise auf Wärme aus Erneuerbaren Energien umgestellt. Bis 2045 müssen demnach auch alle Wärmenetze klimaneutral sein.
Für neue Wärmenetze gilt bereits seit dem 1. Januar 2024, dass die Wärme zu mindestens 65 Prozent aus Erneuerbaren Energiem eingespeist wird. Bis zum Jahr 2030 soll die Hälfte der leitungsgebundenen Wärme klimaneutral erzeugt werden. Die Wärmenetze sollen bis dahin zu 30 Prozent und bis 2040 zu 80 Prozent mit Wärme aus Erneuerbaren Energien oder industrieller Abwärme gespeist werden.
Als digitale Transformations- und Förderbank des Bundes ermöglicht die KfW Kommunen, Unternehmen und Privatpersonen, das ehrgeizige Ziel, Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen.
Das Beispiel der Hansestadt Hamburg zeigt eindrucksvoll, wie mit gezielter Förderung von innovativen und klimafreundlichen Maßnahmen eine kommunale Wärmewende erfolgreich gelingen kann.
Auf KfW Stories veröffentlicht am 19. April 2024
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 9: Widerstandsfähige Infrastruktur und nachhaltige Industrialisierung
Eine nicht vorhandene oder marode Infrastruktur hemmt die Wirtschaftlichkeit und fördert so die Armut. Beim Aufbau der Infrastruktur sollte der Aspekt der Nachhaltigkeit im Vordergrund stehen, zum Beispiel mit der Förderung von umweltfreundlichen Verkehrsmitteln. Auch Fabriken und Industriestätten sollten nach ökologischen Gesichtspunkten nachhaltig produzieren, um eine unnötige Umweltbelastung zu vermeiden. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
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