Im Jahr 2017 hat die KfW einen neuen und innovativen Fonds zum Meeresschutz gegründet. Damit leistet sie im Auftrag der Bundesregierung einen Beitrag, den dramatischen Verlust der biologischen Vielfalt in den Ozeanen einzudämmen. Was der Blue Action Fund seither erreicht hat, darüber spricht KfW Stories mit dessen Exekutiv-Direktor Markus Knigge.
Zur Person
Markus Knigge steht seit Juni 2017 an der Spitze des Blue Action Funds. Davor war er in verschiedenen Organisationen ebenfalls mit Meeresschutz und marinem Leben beschäftigt: unter anderem beim Pew Charitable Trust, beim WWF und beim Ecologic Institute. Studiert hat Knigge in Berlin und in den USA, zunächst Stadt- und Raumplanung, später internationale Beziehungen und Volkswirtschaft. Seine Aufgabe, den Blue Action Fund aufzubauen, bezeichnet er als „Privileg“.
Mehr erfahrenSeit 2017 gibt es den Blue Action Fund. In der Zeit ist das Bewusstsein, dass die Meere in Gefahr sind, deutlich gewachsen. Würden Sie dem zustimmen?
MARKUS KNIGGE: Das ist auch mein Eindruck. Die Öffentlichkeit weiß heute mehr über Überfischung, Korallensterben und Plastikverschmutzung in den Meeren. Wir müssen nicht immer ganz vorne anfangen, wenn wir erklären, was wir tun.
Welchen Anteil hat der Fonds an diesem Bewusstseinswandel?
Das lässt sich schwer bemessen. Wir haben zwar ehrgeizige Ziele, sind aber nur ein sehr kleiner Teil der Meeres-Community; ich würde nicht für uns in Anspruch nehmen, dass wir hier ein entscheidender Faktor sind. Wir leisten zweifellos an unserer Stelle einen Beitrag, aber es gibt heute einfach generell ein größeres Verständnis für die ökologische Bedeutung der Meere. Von einer Lösung der Probleme sind wir allerdings nach wie vor noch sehr weit entfernt. Das zeigen zum Beispiel die fortdauernde Überfischung der Weltmeere, Plastikmüll oder die andauernden internationalen Verhandlungen zum Tiefseebergbau in der Hochsee. Gleichzeitig gibt es auch positive Nachrichten, z.B. das neue Ziel der internationalen Staaten, 30 % der Weltmeere bis 2030 unter Schutz zu stellen.
Inzwischen gibt es endlich auch eine bindende Übereinkunft für den größten Teil der Ozeane, für die sogenannte hohe See ...
Das Abkommen ist ein riesiger Meilenstein für den Meeresschutz. Im vergangenen Jahr hat sich die internationale Gemeinschaft auf einen Gesetzestext geeinigt, der zum ersten Mal ermöglichen wird, Schutzgebiete auch außerhalb der 200 Meilen-Zone einzurichten. Allerdings muss das Abkommen noch von der nötigen Zahl an Staaten ratifiziert werden, ehe es in Kraft treten kann. Der Blue Action Fund hat aber bereits begonnen, erste Projekt zu finanzieren, die an der Identifizierung und Ausweisung von Meeresschutzgebieten in der Hochsee arbeiten.
Was ist das Besondere am Blue Action Fund, warum wird er gebraucht?
Er hilft dabei, neue Meeresschutzgebiete einzurichten, bestehende zu vergrößern und besser zu managen und dabei die Lebensbedingungen von Anrainergemeinden durch eine nachhaltige Bewirtschaftung mariner Ressourcen zu verbessern. Die Besonderheit ist, dass er dafür Projekte von Nichtregierungsorganisationen fördert, die ihre Arbeit mit diesen öffentlichen Mitteln verstärken und ausweiten können.
Haben Sie gute Erfahrungen gemacht mit der Zusammenarbeit mit NGOs?
Haben wir: Die NGOs, hauptsächlich aus dem Umwelt- und Entwicklungsbereich, haben sehr viel Erfahrung, sind vor Ort vertreten und damit auch nah an den Menschen dran. Das ist uns wichtig.
Sie mussten noch keine Kooperation aufkündigen?
Nein, mussten wir nicht. Wir haben ein partnerschaftliches Verhältnis und versuchen, Unstimmigkeiten, so sie auftreten, im Gespräch zu lösen. Aber sollten sich einmal ernsthafte Tatbestände wie Korruption oder Ähnliches ergeben, würden wir die Verbindung auch sehr schnell kappen. Ein Projekt haben wir in den fünf Jahren beendet, allerdings aus Sicherheitsgründen. Das war im Norden Mosambiks wegen der Gefahr des Terrorismus; das geschah im gemeinsamen Verständnis mit der beteiligten NGO.
Wie viele Projekte fördern Sie mittlerweile?
Wir fördern derzeit Projekte in 20 Ländern, bzw. vor den Küsten dieser Länder. Das Ganze ist ziemlich gut verteilt über den südlichen Teil der Erde. Unser größtes Projekt liegt vor Südafrika, gefolgt von Peru, Ecuador und Costa Rica. Hervorheben möchte ich auch, dass es zum Beispiel vor Mosambik auch dank unserer Finanzierung jetzt die ersten von lokalen Gemeinden verwalteten Schutzgebiete gibt. Auf den Salomonen Inseln im Pazifik wurden die Küstengemeinden gestärkt, und vor São Tomé und Príncipe entstehen zum ersten Mal überhaupt Meeresschutzgebiete. Dass die Schutzgebiete rund um die Galapagos Inseln deutlich erweitert wurden, auch dabei haben wir mitgeholfen. Daran sieht man: Wir haben mittlerweile ein vielseitiges und ambitioniertes Portfolio. Und neben 25 laufenden Projekten, die wir mit 105 Millionen Euro fördern, haben wir 10 weitere in der Pipeline, mit einem Finanzierungsvolumen von ca. 40 Millionen Euro.
Das heißt, Sie ziehen eine positive Bilanz?
Auf jeden Fall. Wir haben eine Organisation aufgebaut mit allen Prozessen, die dazu gehören, ein Förderprogramm entwickelt, weitere Geldgeber eingeworben und das alles immer im vollen Lauf. Das heißt wir haben unser Haus gleichzeitig geplant und umgebaut.
Wer ist seit der Gründung alles dazukommen?
Neben Deutschland finanzieren den Fonds auch Schweden, Frankreich, Norwegen, Irland und der Green Climate Fund mit. Insgesamt haben wir bislang fast 190 Millionen Euro eingesammelt. Wir sind keine deutsche Organisation mehr, obwohl der Blue Action Fund auf eine deutsche Initiative zurückgeht, sondern daraus hat sich eine multilaterale Stiftung mit starken Mitgliedsländern entwickelt.
Würden Sie sich damit als eine bedeutsame Organisation bezeichnen?
Einerseits sind wir nicht mehr als ein Wassertropfen im Ozean, weil das Problem einfach so groß ist und wir mit den bislang eingeworbenen 190 Millionen Euro die globale Herausforderung, vor der wir als Weltgemeinschaft stehen, nicht meistern werden. Andererseits sind wir das größte öffentliche Finanzierungsinstrument für Meeresschutzgebiete – weltweit – und damit auch nicht ganz unwichtig. Einer unserer Erfolge ist, dass wir in kürzester Zeit robuste Prozesse und Organisationsstrukturen etabliert haben und bereitstehen, die Arbeit des Funds noch auszuweiten.
Eines der großen Probleme der Meere ist deren Überfischung; zwei Drittel der Fischbestände sind bereits überfischt oder bis an den Rand der Nachhaltigkeit ausgebeutet. Welchen Beitrag können Sie hier leisten?
Die Meeresschutzgebiete, die wir fördern, sind oftmals Sustainable Use Areas, also Gebiete, in denen Fischerei nicht vollkommen ausgeschlossen ist. Das gilt dann besonders für kleinteilige, lokale, häufig auch indigene Fischer und Fischerinnen, die dort weiter arbeiten dürfen. Wir versuchen, ihnen zu helfen, ihre Fischerei nachhaltiger zu gestalten, durch ganz verschiedene Maßnahmen. Dazu gehört das Sammeln von Daten über den Zustand der Fischbestände, dazu zählen bessere Kontrollen bis hin zu Investitionen in die Wertschöpfungskette und auch in alternative Einkommensquellen. Und es geht um die Erholung von Fischbeständen: Wenn in einem Gebiet nicht gefischt werden darf, erholen sich die Bestände ja nicht nur dort, sondern es gibt auch mehr Fische in den umliegenden Flächen. Das hilft den Fischern vor Ort.
Sind Schutzgebiete nicht immer auch mit Verlusten für diejenigen verbunden, die dort bislang gefischt haben?
Ein Meeresschutzgebiet geht immer mit einer eingeschränkten Nutzung einher; das ist so. Sonst bräuchte man nichts zu schützen. Jemand, der vorher dort gefischt hat, darf das nicht mehr oder nur noch in geringem Maß. In Entwicklungsländern kann daraus ganz schnell ein existenzielles Problem werden. Die meisten Betroffenen haben keine Alternativen, jedenfalls keine, die schnell bei der Hand wäre. Das heißt, man muss sie mitnehmen, ihren ökonomischen Schaden so weit möglich vermeiden, reduzieren und sonst abfedern. Das gehört zu den Kernzielen des Blue Action Fund.
Welche Alternativen lassen sich dabei entwickeln?
Wenn ein Schutzgebiet vernünftig funktioniert, erholen sich die Fischbestände; häufig gibt es danach sogar mehr Fisch als vorher. Das heißt, man muss eine bestimmte Zeit überbrücken. Das ist nicht einfach, aber es kann funktionieren. In der Fischerei gehen bis zu 40 % des Fangs in der Wertschöpfungskette verloren, weil es zum Beispiel keine lückenlose Kühlung gibt. Das gilt gerade für kleinere und damit auch ärmere Fischer. Indem man hier Abhilfe schafft, kann man gleiches Einkommen mit geringeren Fängen generieren. Oder man sucht weitere Verwendungsmöglichkeiten für den Fisch. So kann man zum Beispiel aus der Fischhaut, die häufig weggeschmissen wird, Fischleder herstellen und verkaufen.
Was macht man mit Fischleder?
Alles, was man auch mit anderem Leder macht: Handtaschen, Gürtel, Schuhe...Ich will das Problem damit nicht kleinreden, denn es ist eins. Aber es gibt Möglichkeiten, damit umzugehen. Und daran arbeiten wir in den von uns geförderten Projekten.
Wie lang dauert es, bis sich Fischbestände erholen, wenn man sie in Ruhe lässt?
Erfolge stellen sich häufig schon nach vier, fünf Jahren ein, wenn das Schutzgebiet groß genug ist und gut kontrolliert wird.
Können Sie Ihre Erfolge der vergangenen Jahre auch messen?
Das können wir: Mehr als eine halbe Million Menschen profitiert, Stand März 2024, von unserer Förderung ganz direkt. Fast 230.000 qkm an geschützter Meeresfläche wird besser verwaltet. Und fast 150.000 qkm an neuer Schutzgebietsfläche kamen dazu – größer als Griechenland. Wir sind zufrieden mit unseren bisherigen Leistungen, aber natürlich wollen wir mehr erreichen.
Wie genau sehen Ihre Pläne für die kommenden Jahre aus?
In Montreal beim Biodiversitätsgipfel hat sich die Staatengemeinschaft Ende 2022 darauf geeinigt, bis 2030 30 % der Erdoberfläche unter Schutz zu stellen. Beim Meer sind wir erst bei 8 %. Um die 30 % zu erreichen, müsste man bis dahin jeden einzelnen Tag neue Schutzgebiete mit der Fläche von Taiwan ausgewiesen und effektiv gemanagt werden. Eine wahre Mammutaufgabe. Hierzu möchten wir einen deutlichen Beitrag leisten. Dafür wollen wir noch weitere Geber an Bord holen, Kooperationen mit weiteren Organisationen vor Ort eingehen und unsere eigenen Prozesse und Anforderungen nachschärfen.
Werden Digitalisierung und Künstliche Intelligenz eine Rolle spielen?
In der Fischerei auf jeden Fall. Wir wissen mehr über den Mond als das Meer. Das heißt, wir brauchen noch mehr Informationen und bessere Daten. Nur was man kennt, kann man auch gut schützen. Da gibt es viele Möglichkeiten, von smarten Bojen, die vorbeischwimmende Fische zählen, bis zu Drohnen zur Kontrolle von illegaler Fischerei. Das alles geht gerade erst los – auch beim Blue Action Fund. Es bleibt also viel zu tun.
Auf KfW Stories veröffentlicht am 8. Juni 2022, aktualisiert am 30. April 2024.
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 2: Ernährung sichern
Noch immer hungern 795 Millionen Menschen, zwei Milliarden Menschen sind mangelernährt. Hunger ist nicht nur das größte Gesundheitsrisiko, sondern auch eines der größten Entwicklungshemmnisse. Er trägt zu Flucht und Vertreibung bei, fördert Perspektivlosigkeit und Gewalt. Es werden heute genügend Nahrungsmittel auf der Welt produziert, um allen Menschen eine ausreichende Ernährung zu sichern. Allerdings haben aufgrund von mangelnder Infrastruktur, Handelsbarrieren und bewaffneten Konflikten nicht alle Menschen den gleichen Zugang zu Nahrung. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
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